„Come on United!“, „Weeeeeeeednesday!“, „You're a fu**ing Yorkshire, ah yeah!“, „Come on Millwall!“ Unvergessen, als Anfang und Mitte der 90er Jahre die Fans in den englischen Stadion mehr standen als saßen. Trotz der inzwischen abgeschafften Stehplätze war auf den Rängen mächtig Bewegung. Auch im Old Trafford. Unvergessen die Partien von Manchester United gegen Sheffield Wednesday (1993) und gegen Leeds United (FA-Cup 1995), als das Stadion Kopf stand. Kollektives „sich erheben“. Kollektives freudiges Ausrasten. Tausendfaches Brüllen und Singen. Gänsehaut. Nasse Augen. Was in der Folgezeit geschah, dürfte jedem klar sein. Der Niedergang der englischen Fankultur. „Sit down please!“ Ständiges Ermahnen von Seiten der Stewards. Tu dies nicht, tu das nicht. Die totale Spaßbremse. Sitze, konsumiere und halte am Besten die ganze Zeit deinen Mund. Während es in den Luxustempeln von Arsenal & Co. immer stiller wurde, gab es in den unteren Ligen zu jeder Zeit noch Vereine, wo es noch halbwegs anständigen Support gab. Der Millwall FC war immer eine gute Option, um etwas Spaß zu haben. Mir persönlich ist das 2005 gesehehene Ligaspiel der Lions gegen den Burnley FC in sehr guter Erinnerung. In den vergangenen Jahren wurde immer wieder geschaut: Was geht im Stadion „The New Den“? Ein steter Wechsel. Mal gab es im Netz eher Tristesse zu sehen, mal konnte man am heimischen Bildschirm Zeuge werden von guten Auftritten daheim und auswärts.
Derzeit spielt der Millwall FC, der derzeit um sein Stadion kämpft, in der dritten Liga (League One). Die Lions starteten recht gut in die Saison, brachen dann aber völlig ein und fanden sich zwischenzeitlich in der Gefahrenzone wieder. Dann wurde wieder am Finger gezogen. Die nötigen Punkte wurden eingefahren, und es wird am sechsten Platz, der zur Teilnahme an der Aufstiegsrunde berechtigt, geschnuppert. Millwall will dran bleiben. Jeder Sieg zählt. So auch zuletzt beim Auswärtsspiel im Stadion Gigg Lane, wo der Bury FC seine Heimspiele austrägt. Der Stadionname dürfte vielen geläufig sein, weil der von Fans gegründete FC United of Manchester dort eine Zeitlang seine Heimspiele ausgetragen hatte. Und ja, als Tourist wird einem auch der Name Bury was sagen. Fährt doch in Manchester die eine Straßenbahn (Linie 1023) von Altrincham nach Bury.
Am 26. November hatte der Millwall Football Club seinen Auftritt in Bury. Vom Papier her sah es so aus, als müsste es für Millwall eine klare Sache werden. Der Bury FC verlor zuletzt seine Form, rutschte ab und konnte einige Spiele in Folge nicht mehr gewinnen. Vor 3.028 Zuschauern kämpfte der Bury FC jedoch tapfer, konnte das 0:0 mit zum Pausentee nehmen und in der zweiten Halbzeit sogar in Führung gehen. James Vaughan, zuvor unter anderen bei Birmingham City, Huddersfield Town und Norwich City unter Vertrag, erzielte nach einer Stunde das 1:0. Nach Hereingabe von rechts köpfte er den Ball gefühlvoll unter die Latte. Ausgebreitete Arme, eine Kusshand und dann ein sehenswerter Sprung an die Eckfahne. Zack! In bester Kung-Fu-Manier wurde das Fähnchen umgetreten. Nur sechs Minuten später das gleiche Schauspiel. Nach flottem Zuspiel in die Spitze konnte Vaughan den zweiten Treffer mit dem Fuß erzielen. Dieses Mal musste die andere Eckfahne dran glauben. Die Bury-Fans jubelten, der erste Dreier seit geraumer Zeit schien in trockenen Tüchern.
Nur drei Minuten später die erste Ernüchterung für die Heimfans. Strafstoß für die Gäste aus London. Der Ball wurde zuvor mit dem Arm ins Aus bugsiert, zudem wurde der Gegenspieler wohl weggeschoben. Rot für Niall Mahal, zum Punkt trat der irische Mittelfeldspieler Shaun Williams. Platziert wurde der Ball auf der linken Seite untergebracht. Nur noch 1:2 aus Sicht von Millwall. Hinter dem Tor, wo die mitgereisten Millwall-Fans standen, kam Bewegung auf. Ein frustrierter Bury-Spieler wollte das Spielgerät nicht so schnell hergeben, drei Millwall-Spieler, bedrängten ihn, beulten das Netz aus und forderten die Ball-Herausgabe. Quasi auf Tuchfühlung befanden sich hinter dem Treiben die Millwall-Fans, die zu gern auch mal gleich mitgemacht hätten.
In der 86. Minute wurde es dann richtig heiter. Freistoß fast von der Eckfahne aus. Der Ball wurde hereingebracht, und Calum Butcher stand bereit. Gegen die Laufrichtung des Bury-Keepers wurde der Ball ins Netz geköpft. Ausgleich für Millwall. Hinter dem Tor ging es nun richtig ab. Getümmel an der Eckfahne. Spieler und Fans feierten das 2:2. Die Ordner in den roten Westen waren bereits völlig aufgeregt und versuchten das Spielfeld abzusichern. Und es kam noch besser! In der Nachspielzeit schlug Millwall noch einmal zu! Wieder war es ein irischer Spieler. Dieses Mal war es Aiden O´Brien, der allerdings im englischen Hornsex geboren wurde, der in der 90.+2. Minute den Sack zumachen konnte. Nach Hereingabe von rechts wurde O´Brien sträflich allein gelassen. Kollektives Pennen beim Bury FC. Aus kurzer Distanz brauchte O´Brien quasi nur den Fuß hinhalten.
3:2 für Millwall. Alter Schwede! Was dann folgte, lässt einen das Herz höher springen! So muss Fußball sein! So muss ein Torjubel aussehen! Und nicht anders! Totales freudiges Durchdrehen bei den Gästefans. Aiden O´Brien nahm einfach mal Anlauf und hüpfte über die Werbebande. Hinein in den äußeren Bereich des Fanblocks. Nur zu klar, dass die jubelnden Millwall-Fans versuchten, zum Torschützen zu kommen, um gemeinsam mit ihm den Sieg zu feiern. Zehn Polizisten bildeten jedoch unten eine Barriere und hinderten die Millwall-Fans am Vorrücken. Kein Problem, dachte sich der Torschütze. Lassen wir den Emotionen freien Lauf und stürzen uns von hinten ins Getümmel! Nur zu schade, dass genau an dieser Stelle die offizielle Kurzzusammenfassung endet. Auf einem Video der „Bury FC Lad 61“ ist jedoch noch zu sehen, wie es zu Rangeleien kam und dass der Torschütze noch eine Ansage von einem Polizisten bekam. Ein Millwall-Fan wurde zudem von Ordnern abgeführt. Unter dem Strich: Ein richtig guter Nachmittag für die Lions!
Hier das Video zum Sieg:
Fotos: Claude Rapp
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