Pogoń Szczecin vs. Ruch Chorzów: Überzeugender 2:1-Sieg vor mobilisierter Heimkurve

Bei Wind und Wetter - meist weht vom Wasser kommend eine steife Brise herüber - ist das 1925 in Hufeisenform errichtete Florian-Krygier-Stadion wahrlich kein Hort der Gemütlichkeit. Eine Partie im Nieselregen und 2 Grad plus im November - da kommen Fußballfreunde, die es richtig rustikal mögen, in jedem Fall auf ihre Kosten. Kein Wunder auch, dass der Großteil der Pogoń-Anhängerschaft ein neues Stadion bzw. einen Umbau fordert. Auf der anderen Seite hat diese Spielstätte bei einem Abendspiel einen ganz eigenen Reiz. Hinter der Kurve färbt sich der Abendhimmel rötlich, und die Vereinshymne „My Portowcy“ (2008 zum 60-jährigen Vereinsgeburtstag erstmals in dieser Form abgespielt) kommt richtig gut zur Geltung. Und ja, was für eine geniale Hymne. Besser geht es kaum. Gesungen wird sie von der polnischen Band „Quo Vadis“. Mit markanter Stimme heißt es „My Portowcy, my Portowcy, granatowo-bordowa krew. W naszych sercach zawsze Pogoń jest, Pogoń Szczecin MKS. … nasz charakter siłą jest. Pomorza Duma i honor nasz …“ (Wir Hafenarbeiter, wir Hafenarbeiter. Marineblau-rotes Blut. In unseren Herzen stets Pogoń ist. … Unser Charakter ist stark, der Stolz von Pommern und unsere Ehre …“ 

Nun war es leider in letzter Zeit so, dass diese Hymne vor Spielbeginn nicht von der ganzen Kurve kraftvoll mitgesungen werden konnte. Der Grund: Der eigentliche Fanblock in der Kurve war zuletzt ziemlich verwaist. Kein Vergleich zum Beispiel zum Pommern-Duell gegen Lechia Gdansk im August 2012, als die Heimkurve prall gefüllt war und eine Totenkopf-Choreo präsentiert wurde. In der Folgezeit gab es viele Höhen und Tiefen. Zum einen hagelte es mal Stadionverbote, zum anderen zogen sich ältere Gruppen zurück und übergaben das Zepter den jüngeren Fans / Ultras. Ein Teil der aktiven Pogoń-Szene hatte sich auf die Gegengerade zurückgezogen. Bei etlichen Schlachtrufen stimmten sie auch von dort aus mit ein. Aber wie gesagt, es war zuletzt ein Auf und Ab. So war der Heimblock in der Kurve unter anderen beim Duell gegen Lech Poznań im Februar 2015 (Choreo mit Stadt-Silhouette) sehr gut gefüllt. Gegen Ruch Chorzów im vergangenen März gab die Kurve indes ein eher trauriges Bild ab. Häufig war in letzter Zeit der Fall, dass die Auftritte in fantechnischer Hinsicht auswärts stärker waren als daheim im Florian-Krygier-Stadion. Nun aber, als am Samstag wieder der polnische Rekordmeister Ruch Chorzów (wie auch Górnik Zabrze 14 Meistertitel, der letzte im Jahr 1989) zu Gast beim Morski Klub Sportowy war, sollte eine große Mobilisierung erfolgen. 

Pogon

So wurde auf den entsprechenden Seiten angekündigt, dass sämtliche Fanclubs und Gruppierungen angesprochen sind, ins Stadion zu kommen und die Kurve wie zu alten Zeiten aufleben zu lassen. Und zwar alle gemeinsam: Die „aggressiven Jugendlichen“, die etwas Älteren und selbstverständlich auch die „alte Garde“. Da die Spieler auf dem Rasen kürzlich mit einem Sieg gegen Legia Warschau eine hübsche Überraschung geboten haben, war es nun an der Zeit, dass die Fans dem Verein / den Spielern etwas zurückgeben. Um zu mobilisieren, sollte jeder Fan die Mittel nutzen, die ihm zur Verfügung stehen. Die einen hängten Zettel aus, die anderen ließen es auf Facebook richtig rollen. Das Ergebnis konnte sich am vergangenen Samstagabend sehen lassen. Immerhin 8.400 Zuschauer hatten den Weg auf die Ränge gefunden, und auch die Kurve füllte sich nach und nach. Klar, brechend voll war diese beim Spiel gegen Ruch noch nicht, doch soll die Mobilisierung dauerhaft und Schritt für Schritt erfolgen. Wie einst in den 90ern soll dann die aktive Kurve den Rest des Stadion mitziehen.

Ruch

Im Gästeblock herrschte nach Anpfiff der Partie noch weitgehend Leere. Erst einzelne Anhänger aus Chorzów hatten den Weg ins Stadion gefunden. Im Laufe der Partie trafen weitere Ruch-Kibice ein und befestigten ihre mitgebrachten Banner. Am Zwischenzaun wurde unter anderen ein schwarzes Banner mit der Aufschrift „Szarancza“ (räuberische Heuschrecke) befestigt. Ergänzend ist dazu sinngemäß geschrieben: „Wir kommen so schnell und überraschend wie der Tod. Wir kriegen euch. Die Kämpfer aus den schlesischen Straßen.“ Im Verlauf der zweiten Halbzeit war an dieser Stelle eine Botschaft an Dudek zu lesen. In der Heimkurve beließ man es im ersten Spielabschnitt beim rein akustischen Support. Dass jedoch noch was kommen würde, war klar. So wurde kurz nach der Pause eine große Blockfahne hineingetragen und unten bereitgelegt. Unten am Zaun wurde ein großes Banner mit der Aufschrift „Szczecin wita Fanatyka“ („wita“ bedeutet „grüßt“) angebracht, die Schriftart war angelehnt an die der britischen Band „Iron Maiden“. Passend dazu wurde schließlich in der 75. Minute die große Blockfahne ausgerollt. Zu sehen der berühmte „Eddie“. In der Hand statt der britischen Fahne die marineblau-bordeauxrote Flagge. Da die Umrisse ausgeschnitten wurde, war es gar nicht so einfach, sämtliche Kanten, Ecken und Rundungen sorgfältig auszurollen. Am Ende ergab der „Eddie“ jedoch ein schmuckes Bild. Minutenlang wurde die Blockfahne hochgezogen, am Ende tauchten Fans mit weißen Kombis und schwarzen Hauben auf und ließen einige Fackeln rot aufleuchten. Mit dieser Choreo sollte an die alten Zeiten in den 1990ern erinnert werden, als in der Kurve zahlreiche Heavy Metal Jungs zu finden waren. 

Pogon

Den Abend rund machte ein sehr sehenswerter Auftritt der Mannschaft des MKS Pogoń. Nach dem Führungstreffer der Gäste in der 18. Minute von Jarosław Niezgoda folgte nur drei Minuten später der Ausgleich von Spas Delew. Nach einer ausgeglichenen ersten Halbzeit machte der Gastgeber im zweiten Spielabschnitt noch mehr Druck. Verdient erzielte nach einer Stunde der bulgarische Spieler Spas Delew seinen zweiten Treffer des Abends. 2:1 für Pogoń. Prima Stimmung auf den Rängen. Für Delew waren es die ersten Tore in der laufenden Liga-Saison. Im polnischen Pokal hatte er am 10. August 2016 zuletzt einen Treffer erzielt, und zwar beim 4:0-Erfolg bei KKS 1925 Kalisz. In der Kurve jubelten die aktiven Fans, im Familienblock wuselten die Kids munter herum. Früh übt sich. Achtjährige zogen sich die Kapuzen zu und probten schon mal aus Spaß untereinander den Aufstand. Andere Kids ließen in der Pause auf der aufblasbaren Burg ihren Emotionen freien Lauf und brachten glatt den Burgturm zum Einstürzen. 

Pogon

Erfreuliches zeigte sich auch im offiziellen Fanshop. Das Angebot kann sich sehen lassen. Kaum Kitsch, dafür umso mehr stilvolle Kleidung. Für das Kleinkind, für den Erwachsenen. Klar doch, die aktive Szene wird ihre eigenen Jacken und Shirts herstellen lassen, doch für das restliche Publikum ist einiges dabei. Unter anderen ein „ATAK“ im blau-rot-gelben Camouflage. Zudem erhältlich: Bestickte Schals und Mützen. Apropos: Die Spielerkleidung wird inzwischen vom Unternehmen „zina“ angefertigt, auf den Schildchen ist ein „Made in Poland“ zu lesen. Auf dem großen Werbeplakat hinter der Kasse des Stadion-Fanshops tragen die Pogoń-Spieler noch Trikots von „Nike“. Kurzum: Der MKS Pogoń Szczecin ist gut gerüstet für die Zukunft. Die Fans mobilisieren ihre Kurve, die Mannschaft ist in der Ekstraklasa derzeit auf Rang fünf zu sehen, das Merchandising kann sich sehen lassen - bleibt nur noch die Frage, wie es nun in Sachen Stadionneubau / Umbau weiter gehen wird.

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: MKS Pogoń Szczecin

Video:

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Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
31 Oktober 2016
Spielergebnis:
2:1
Zuschauerzahl:
8.400

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