BFC Dynamo vs. Hamburger SV: Eine ordentliche Prise EC-Atmosphäre im Jahn-Sportpark

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BFCDas Kribbeln war bei allen Beteiligten zu spüren. Nun ist es ja nicht so, dass der BFC Dynamo, der derzeit in der Regionalliga spielt, in den letzten Jahren gar keine großen Spiele hatte. Immerhin gab es bei den jeweiligen Berliner Pokal-Endspielen große Kulissen, und im DFB-Pokal spielte man zuletzt gegen den 1. FC Kaiserslautern, den VfB Stuttgart und den FSV Frankfurt sportlich auf großer Bühne. Beim gestrigen Jubiläumsspiel (im vergangenen Januar wurde der BFC Dynamo - wie einige andere Nordost-Vertreter - 50 Jahre alt) gegen den Hamburger SV fühlte sich alles noch einmal anders an. DFB-Pokal schön und gut, doch am gestrigen Abend roch es nach mehr. Immerhin kam es zur Neuauflage des EC-Duells vom September 1982. Was für Europapokal-Schlachten hatte es in den 70ern und 80ern im Jahn-Sportpark gegeben! Ganz klar, den HSV einzuladen, erwies sich als goldrichtig. Eine passende Hausnummer für einen runden Geburtstag. Der Vorverkauf rollte gut an, und auch aus Hamburg hatten sich etliche Fußballfreunde angekündigt. Dazu natürlich etliche Exil-HSVer, die in Berlin wohnen. Letztendlich durften gestern über 8.100 Zuschauer auf den Rängen begrüßt werden. Für ein Freundschaftsspiel eine gute Hausnummer.

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Es ist immer wieder phänomenal, was bei solchen Spielen bei den Weinroten auf die Beine gestellt wird. Die „Alte Garde“ war auf der Haupttribüne wieder zu hunderten vertreten. Dazu zahlreiche Freunde aus Magdeburg und Aberdeen. Alte und neue Stoffe wurden an den Geländern befestigt. Auf der Gegengerade wurde indes eine Choreo vorbereitet. Als Überraschung wurde vor dem Anpfiff die neue eingespielte BFC-Hymne vorgestellt. Vertreter aus verschiedenen Gruppierungen („Tradition verpflichtet“, „Treibjäger“, „79er“, usw.) fanden sich mit einer Band auf dem Rasen ein und lüfteten das wohl behütete Geheimnis. Ganz klar, in der Regel kann eine neu kreierte Hymne mächtig in die Hose gehen. Zahlreiche Vereine können von peinlichen Hymnen ein Liedchen trällern. Und die des BFC Dynamo? Hm ja, hört man die ersten Gitarrenklänge und das „Hier sind wir zu Haus, das ist unser Leben …“ runzelt man anfangs die Stirn und muss sofort an Frank Zander denken. Hört man jedoch die Hymne weiter, so kommt man zum Entschluss: Ja, kann man sicherlich mit leben. Ich persönlich hätte es mehr krachen lassen, doch die ruhige, balladenhafte Hymne kommt wohl bei der Mehrzahl der Fans recht gut an. „BFC … weinrot-weiße Leidenschaft …“ Und das ist ja die Hauptsache. 

HSV

Die Einlaufkinder des BFC Dynamo scharrten bereits seit einer halbe Stunde im Spielertunnel quasi mit den Hufen, als mit einer Verzögerung von rund 15 Minuten die Mannschaften einlaufen konnten. Es war angerichtet! Auf der Gegengerade hochgehalten wurden goldene Folien, dazwischen waberte etwas Rauch empor. Hochgehalten wurde zudem etliche Doppelhalter, auf denen sämtliche Gegner im Europapokal zu sehen waren. AS Rom, Ruch Chorzów, Partizan Belgrad, Roter Stern Belgrad, FC Zürich, Aberdeen FC, Aston Villa, Nottingham Forest, Dynamo Moskau, AS Monaco, der Hamburger SV und zahlreiche weitere Vereine. Wo aber war das Emblem des SV Werder Bremen? Komplett verdeckt, nicht hochgehalten oder gar komplett vergessen? Auf den HSV traf man im Europapokal der Landesmeister am 15. und 29. September 1982. Wie diese Partien verliefen, ist in der im Dezember 2015 erschienenen BFC Dynamo Fußballfibel nachzulesen. Hier das entsprechende Kapitel:

Rückblick: EC-Duelle gegen den HSV im September 1982: 

Neue Saison, neues Glück? In der Saison 1982/83 kam es in der ersten Rundes des Europapokals der Landesmeister zum deutsch-deutschen Gipfeltreffen. BFC Dynamo vs. Hamburger Sportverein. Die Fans der Weinroten freuten sich riesig auf dieses Duell - guckten am Ende jedoch größtenteils in die Röhre. Das Ministerium für Staatssicherheit nahm sich der Sache an und verteilte die Eintrittskarten an die einzelnen Bezirksverwaltungen. Diese schickten dann ausgewählte Personen zum Heimspiel in den Jahn-Sportpark. Die eigentlichen Fans mussten größtenteils draußen bleiben. Solidaritätsbekundungen oder kritische Zaunfahnen und Sprechchöre konnten auf diesem Wege komplett unterbunden werden. „Böse“ Überraschungen waren somit bei der TV-Übertragung nicht zu erwarten, stattdessen saß ein lammfrommes, linientreues Publikum auf den Rängen und jubelte den BFC-Spielern brav zu. Das ganze Prozedure führte dazu, dass es zu einem ersten Bruch zwischen Verein und aktiver Fanszene kam. Das änderte jedoch nichts daran, dass bei späteren EC-Spielen diese Form der Ticketverteilung weiterhin Anwendung fand.

JSP

Am heimischen Fernsehbildschirm konnten die Fans mit ansehen, wie sich am 15. September 1982 die Spieler von Trainer Jürgen Bogs gegen den HSV schlugen. Dieser lief mit fast kompletter Kapelle auf. Uli Stein, Holger Hieronymus, Manfred Kaltz, Dietmar Jakobs, Thomas von Heesen (ab 67. Minute) und Felix Magath - diese Namen sind auch 33 Jahre später noch wohlbekannt. Trainiert wurden die Norddeutschen von Ernst Happel. Und es fing hervorragend an für den BFC. Bereits in der 17. Minute brachte Riediger die Berliner in Führung. Energisch setzte er sich von rechts kommend durch und brachte im Nachsetzen den Ball im Hamburger Gehäuse unter. Klassisch ausgekontert wurde der BFC 20 Minuten nach dem Führungstreffer. Nach einem langen Ball nach vorn eilte Jürgen Milewski auf Bodo Rudwaleit zu und versenkte das Spielgerät von schräg kommend durch die Beine des Keepers. In der Folgezeit kam der BFC zu guten Möglichkeiten, zeigte sich jedoch vor dem gegnerischen Kasten nicht energisch genug. Es blieb beim 1:1, doch die zuletzt in Birmingham gezeigte Leistung machte Mut und nährte die Hoffnung auf ein Weiterkommen.

HSV

35.000 Zuschauer fanden sich am 29. September 1982 im Hamburger Volksparkstadion ein, mit etwas mehr hatte zuvor HSV-Manager Günter Netzer gerechnet. Mit im Aufgebot war nun Kopfballungeheuer Horst Hrubesch, der beim Hinspiel aufgrund eines Länderspieleinsatzes gefehlt hatte. Und ja, eine hervorragende Möglichkeit mit dem Kopf hatte er bereits in der Anfangsphase, doch Rudwaleit konnte diese entschärfen. Nach etwas über einer halben Stunde war es William „Jimmy“ Hartwig, der das 1:0 für die Hamburger erzielte. Und ein Tor von Hrubesch gab es dann auch noch zu sehen. Wie sollte es auch anders sein, nach einer hohen Flanke von rechts stand er goldrichtig und wuchtete mit dem Kopf zum 2:0 ein. Der Klassenkampf, der dieses Mal auf dem grünen Rasen ausgetragen wurde, ging dieses Mal verloren. Bereits in der ersten Runde mussten die Segel gestrichen werden.

BFC

Zurück zur Gegenwart: Gestern verlief es ähnlich wie vor 24 Jahren. Die erste Halbzeit entsprach sozusagen dem damaligen Hinspiel, die zweite Halbzeit dem damaligen Rückspiel. In den ersten 45 Minuten machte der Regionalligist gegen den Bundesligisten richtig Dampf! Beide Mannschaften auf Augenhöhe. Allen voran machte wieder Kai Pröger auf der rechten Seite richtig Alarm. Ja, genau jener Pröger, der beim Heimspiel gegen den FC Energie Cottbus äußerst unglücklich mit dem BFC-Fotografen Patrick Skrzipek zusammenstieß. Dieser liegt nun mit doppeltem Wadenbeinbruch im Krankenhaus und wurde vor dem Spiel per Anzeigetafel gegrüßt. Hab acht, wenn der Kai angerauscht kommt! Und in der Tat, in der zweiten Halbzeit schoss das Energiebündel an der Außenlinie den Ball gegen ein Kamerastativ. Unglaublich, mit welch einer Ausdauer Kai Pröger vorn ackert. Kreuz und quer wird dem Ball hinterhergerannt. Von der rechten Seite kommend wird immer wieder das Spielgerät gefährlich in den Strafraum gebracht. Und klar, des öfteren holt er auch selber den Hammer raus. Das Stadion brodelte, als Kai Pröger (24. Minute), Dennis Srbeny (39. Minute) sowie Thiago Rockenbach hochkarätige Tormöglichkeiten hatten. Eine Führung des BFC Dynamo wäre zum Pausentee nicht unverdient gewesen.

BFC

Und die Gäste? Zuerst ein Blick in den Gästeblock. Wie allgemein üblich wurde auch bei diesem Testspiel kaum der Zaun beflaggt. Doch einen Hingucker gab es: An zentraler Stelle wurde ein Banner mit der Aufschrift „Hamburg Ultras 1989“ befestigt. Dazu gab es am äußeren Rand noch die Zaunfahne der „Fanszene Berlin“. Schräg über dieser saßen einige HSV-Fans, die einfach nicht in den eigentlich vorgesehenen Gästebereich umziehen wollten. Zahlreiche Ordner versuchten minutenlang die Hamburger zu überreden. Doch statt zu gehen, kamen wenig später noch weitere HSV-Fans dazu. Plötzlich war Bewegung im Block. HSVer strömten quasi in Richtung  Haupttribüne. Dass dort die BFCer der stabilen Fraktion bereits neugierig rüberschauten, dürfte klar sein. Ordner- und Polizeiketten wurden postiert, um die Pufferzone zwischen Gästebereich und Haupttribüne zu sichern. Es blieb im Stadion jedoch völlig ruhig. Ab der 75. Minute zogen etliche Hamburger ab, und auch von der Haupttribüne eilten zahlreiche BFCer nach draußen. Was genau in der Folge im Umfeld des Stadion bzw. im Mauerpark geschah, entzieht sich meiner Kenntnis.

HSV

Auf dem Rasen legte die Mannschaft des Hamburger SV zu Beginn der zweiten Halbzeit eine Schippe drauf. Mit vier eingewechselten Spielern konnte der BFC nicht an die Leistung vor dem Pausentee anknüpfen. Innerhalb von fünf Minuten erzielte der HSV zwischen der 54. und 59. Minute gleich drei Treffer. Gian-Luca Waldschmidt, Lewis Holtby und Pierre-Michel Lasogga waren die Torschützen. Richtig, die Namen verraten es, der HSV war mit einer ordentlichen Mannschaft am Start. Sportlich war der Drops gelutscht. Das Tempo wurde nun rausgenommen. Kurz vor Schluss machte Alen Halilovic das 4:0 für den HSV. Ein Ehrentreffer wollte dem BFC Dynamo indes nicht gelingen. 

BFC

Gegen Ende der Partie stieg der Stimmungspegel so oder so wieder an. Vor allem auf der Gegengerade wurde nun noch einmal angemessen der 50. Geburtstag gefeiert. Es qualmte und blinkte, zahlreiche Fans saßen auf dem Zaun. Die Mannschaft wurde abgeklatscht, ein unter dem Strich gelungener Abend wurde mit dem einen oder anderen Bierchen ausklingen gelassen.

Fotos: Marco Bertram (historische Fotos vom JSP und Volksparkstadion stammen von 1994)

> zur turus-Fotostrecke: BFC Dynamo

> zur turus-Fotostrecke: Hamburger SV

 

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
04 September 2016
Spielergebnis:
0:4
Zuschauerzahl:
8.121

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Testspiel

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G
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Für BFC-Verhältnisse sicherlich eine gute Stimmung,
aber im Vergleich zu den großen Ostclubs wie Dresden oder Rostock, war es sehr überschaubar. Gerade bei einem Jubiläumsspiel erwarte ich mehr. Allerdings fand ich die Masse an sportlichen Jungs beeindruckend. Die Stärke der Ostberliner liegt zweifelsohne auf der Straße.
L
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Und jetzt ein Rückspiel in Hamburg bitte! :-D
M
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G
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