Ein Urteil das sprachlos und wütend macht: Chemie Leipzig vom Landespokal ausgeschlossen

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Chemie„Mir fallen da nur noch Tiernamen ein …“, kommentierte jemand auf Facebook das Urteil des Sächsischen Fußballverbandes (SFV). Ganz klar, manch ein Kommentar hatte sich gewaschen, und man möchte nicht wissen, was die Admins bereits alles löschen mussten. Ein Shitstorm für Scholli?! Der Shitsstorm in Richtung Sächsischer Fußballverband war mit Sicherheit noch bösartiger. Die BSG Chemie Leipzig rief auf ihrer Facebook-Seite dazu auf, trotz allem Unmuts Sachlichkeit walten zu lassen und auf Beleidigungen zu verzichten. Dass dies dem einen oder anderen Fußballfreund verdammt schwer fiel, dürfte ebenso klar sein. Zu derb war das kürzlich gefällte Urteil des Sportgerichts des SFV. Eine Geldstrafe in Höhe von 4.500 Euro ist für einen Sechstligisten, der soeben den Sprung in die Oberliga gepackt hatte, bereits eine fette Hausnummer. Der Ausschluss vom Sächsischen Landespokal 2016/17 setzt dem Ganzen jedoch die Krone auf. 

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ChemieDer Sächsische Fußballverband hätte das Urteil mal auf seiner eigenen Facebook-Seite teilen müssen - das hätte sicherlich für eine Menge „Spaß“ gesorgt. Da derzeit fast alle Fußballinteressierten auf die Europameisterschaft in Frankreich schauen, geht solch ein Urteil in der Medienlandschaft schon mal unter. Wales! Island! Der Elfer-Krimi Deutschland gegen Italien. Die neuen Schnupperkurse von Jogi Löw. Kein Wunder, dass bislang eigentlich nur die chemische Fangemeinde vom harten Urteil des SFV Notiz nahm. Als Berichterstatter bei diesem Magazin ist man seit Jahren einiges gewohnt. Angefangen von „immer auf die Schmuddelkinder des Ostens - Hansa Rostock und Dynamo Dresden?!“ vor einigen Jahren bis hin zu den gekürzten Gästeticket-Kontingenten der letzten Zeit. Allerdings rückten vor allem die Behörden und auch die Vereine selbst in den Fokus, wenn es um kritikwürdige Entscheidungen ging. Nicht immer waren es der DFB und die Landesverbände, die mit drakonischen Strafen und Sanktionen drohten bzw. agierten. 

Zuletzt machte jedoch wieder der DFB von sich reden. Die harte Strafe für den FC Erzgebirge Aue nach der Aufstiegsfeier sorgte für reichlich Kopfschütteln. Und das nicht nur beim Verein selbst und den Aue-Fans, sondern auch bei den meisten Medien. Wird sonst schnell von „sogenannten Fans“ gesprochen, so war dieses Mal der Tenor fast immer gleich. Eine Strafe für eine friedliche Aufstiegsfeier? Totales Unverständnis. Eine Strafe wofür eigentlich? Dürfen beim Fußball gar keine  Emotionen mehr gezeigt werden? In die Schubladen „gefährlich“ und „Randale“ konnte die Aufstiegsfeier der Veilchen wohl kaum gepackt werden.

ZwickauWas gab es eigentlich im Gegenzug für die Vorfälle beim Landespokalfinale in Aue zwischen dem frisch gebackenen Zweitligisten FC Erzgebirge und dem ebenso frisch gebackenen Drittligisten FSV Zwickau? Das Sportgericht des Sächsischen Fußballverbandes belegte beide Vereine jeweils mit einer Geldstrafe in Höhe von 3.500 Euro. Für abgeschossene Leuchtkugeln und das gezielte Werfen von Fackeln in die jeweiligen anderen Fanblöcke eine vergleichsweise milde Strafe. Okay, denkt man, was sollen Geldstrafen auch bewirken? Zumal der Verband ja die Baustelle im Lößnitztal als Austragungsort abnickte. Soll die Polizei die Täter ausfindig machen - und gut ist.

Wie gesagt, „denkt man“. Eine Logik gibt es nämlich nicht wirklich. 4.500 Euro Strafe - für die BSG Chemie Leipzig sicherlich ein fetter Batzen, der mehr wiegt als bei einem Verein, der in die 2. Bundesliga oder 3. Liga aufgestiegen ist. Geht man von aus, dass die BSG Chemie Leipzig knapp 1.500 Zuschauer im Schnitt hatte, so bedeutet dies: Umgelegt pro Zuschauer drei Euro. Kann man durchaus zusammensammeln. Vergleicht man indes die Strafen bei Bundesligisten: Würde man da etwa gleich hart rangehen, müssten Vereine wie Borussia Dortmund mal eben über 200.000 Euro zahlen. Für eine friedliche Pyro-Aktion wohlgemerkt! Das Werfen von Fackeln oder gar das Abschießen von Leuchtkugeln wären nicht im Preis mit drin. 

Und ja, wenn es dabei bleiben würde. 4.500 Euro lassen sich mit einer großen Spendenaktion zusammentragen. Scheiß drauf, könnte man sagen, das war die Aufstiegsfeier allemal wert! Die BSG Chemie Leipzig, von den Fans aus dem Nichts nach oben geholt, hat schließlich den langersehnten Sprung in die Südstaffel der NOFV-Oberliga gepackt. Das war doch wohl ein paar Fackeln beim frenetischen Torjubel wert! Soll der Verband eine Geldstrafe aussprechen - denn ja, legal oder geduldet ist das Zünden von Pyrotechnik in deutschen Stadien nun mal nicht. Aber ein Ausschluss aus der kommenden Landespokal-Saison? Das trifft einen Verein wirklich hart. Mal angenommen, man erwischt ein großes Los und trifft auf den FSV Zwickau, den Chemnitzer FC oder gar auf den 1. FC Lokomotive Leipzig! Da werden die Einbußen ganz fix fünfstellig. Von der theoretischen Möglichkeit den Pott zu holen und somit in den DFB-Pokal einzuziehen, mal abgesehen. 

Die BSG Chemie Leipzig und der Sächsische Fußballverband schienen nie Freunde zu werden. Bereits in der Vergangenheit gab es das eine oder andere diskussionswürdige Urteil. Als Zugpferd in der Sachsenliga (sechste Liga) taugten indes die Chemiker ganz gut. Nach dem Aufstieg der Betriebssportgemeinschaft aus Leutzsch in die NOFV Oberliga fehlt der höchsten sächsischen Liga nun dieses auswärts für volle Sportplätze sorgende Zugpferd. Der über die Landesgrenzen hinausgehende Blick „Was macht eigentlich Chemie?“ bleibt nun aus. Nach dem Aufstieg in die dem NOFV unterstehende Oberliga-Staffel hat der Sächsische Fußballverband nicht die Mittel, der BSG Chemie noch ein Heimspiel ohne Zuschauer aufzudrücken. Was blieb, war das letztes Mittel: Ausschluss aus dem Sächsischen Landespokal.

BVBWas der Landespokal mit dem Ligaalltag zu tun hat? Keine Ahnung! Warum überhaupt der Pokalausschluss? Keine Ahnung! Wenn wir vom friedlichen, kontrollierten Abbrennen von Pyrotechnik sprechen (kein Entsorgen im Innenraum oder gar das Werfen in andere Blöcke), dann müsste die halbe deutsche Fußballwelt von jeglichen Pokalwettbewerben ausgeschlossen werden. Borussia Dortmund? Wiederholungstäter! Nach dem Pyro-Einsatz beim DFB-Pokalfinale in Berlin dürfte für den BVB der Wettbewerb theoretisch gestrichen sein. Von Aue und Zwickau ganz zu schweigen. Wenn es nach der im Urteil für Chemie zu lesenden „besonderen Intensität“ der Vorfälle geht, dann dürfte nach den Vorkommnissen nach dem Landespokalfinale in Aue die Latte der Strafen sechs Seiten lang sein. Allerdings war halt hierbei der Verband selbst der Ausrichter - ähnlich wie im Fall des DFB-Pokal-Finales im Berliner Olympiastadion. Wer sorgt denn in diesen Fällen für Sicherheit und wer wird für was belangt?

Im Fall Chemie Leipzig macht es sich der SFV einfach. Bei den Chemikern gebe es „erhebliche Vorbelastungen“, ist in der betreffenden News zu lesen. Was auch immer das zu bedeuten hat. Fakt ist jedoch, dass es der BSG Chemie nicht immer leicht gemacht wurde. Gefördert wurde dieser Verein wahrlich nicht. Ob dem Verein bewusst Steine in den Weg gelegt wurden, ist schwerlich nachzuweisen. Sei es drum, aus eigener Kraft und nach einigen Anläufen haben es nun die Leutzscher gepackt. Genauso wie es das andere „Schmuddelkind“ aus Probstheida gepackt hat. Unvergessen indes, wie der Sächsische Fußballverband quasi der Steigbügelhalter für RasenBallsport Leipzig war. Was wurden nicht alles für Augen zugedrückt?! Man ist müßig, all das noch einmal aufzurollen. Apropos aufrollen. Hatte der Verband eigentlich die Partie Heidenauer SV vs. FC International Leipzig des letzten Spieltages der Saison 2014/15 noch einmal unter die Lupe genommen? War das 0:7 nicht etwas auffällig? Schließlich hätte das Torverhältnis entscheidend sein können. 

ChemieWie groß muss die Freude in Probstheida und Leutzsch gewesen sein, als jeweils der Aufstieg in die Regionalliga bzw. Oberliga gepackt wurde?! In der Messestadt Leipzig, in der RasenBallsport Leipzig nun das glänzende Aushängeschild ist und nach dem Aufstieg in die 1. Bundesliga sogar öffentliche Gebäude mit Roten Bullen beleuchten durfte. Dass Leipzig nicht nur RasenBallsport ist, sondern auch Lokomotive und Chemie - darüber sollte man sich beim Sächsischen Fußballverband freuen. Stattdessen gab es nun einen brachialen Tritt in die Beine. Sieben Tage Zeit hat die BSG Chemie Leipzig, um Berufung einzulegen. Und das wird sie auch tun! Das ist der Verein seinen eigenen Fans schließlich schuldig. Zum anderen sollte man klar machen, dass nicht einfach so Urteile durchgedrückt werden können. Ausschlüsse von Auswärtsfans und reduzierte Ticketkontingente hatten bereits genug Schule gemacht. Auch noch die Spieler selbst mit einem Pokalausschluss zu bestrafen, ist die Krönung im negativen Sinne und entbehrt jeglicher Grundlage.

Fotos: Marco Bertram, Marco Hensel, Karsten Höft

> zur turus-Fotostrecke: BSG Chemie Leipzig

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Artikel wurde veröffentlicht am
04 Juli 2016

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G
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Ich war dabei, es war eine wunderbare und faire Stimmung während des ganzen Spiels. Der Gegner wurde nicht ausgepfiffen (außer beim Foul eines Glauchauers, was zur Roten führte) und es gab keine beleidigenden Sprechchöre. Die Fackeln haben
keinen gefährdet und der Qualm zog weg vom Spielfeld. Die Strafe stellt ein hässliches Nachtreten des SFV dar. Es hat sich in den letzten Spieljahren mehrfach gezeigt, dass die BSG beim Verband unbeliebt ist.
Für mich hat das Verhalten des SFV, der ja irgendwie zum DFB gehört, zur Folge, dass mich die EM und die deutsche Nationalmannschaft überhaupt nicht mehr interessieren. Da gehe ich lieber Angeln als mir ein Spiel unserer Nationalmannschaft im TV anzusehen.
H
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Krass! Mit allen Mitteln gegen angehen!!!
L
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SFV= Altherren Bonzenverein
G
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