Das Preußenstadion in Münster: Bereits vor 20 Jahren „Die unendliche Geschichte“

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MünsterDer Espresso köchelt und röchelt im Kännchen. Am auf dem Küchentisch stehenden Laptop werden die kommenden Themen vorbereitet. Was aus Rostock-Lichtenhagen, das morgige Aufstiegsspiel im Leutzscher Alfred-Kunze-Sportpark. Draußen regnet es Katzen und Hunde. Der Sommer zog sich mal eben zurück. Und während ich den türkischen Espresso schlürfe, fällt mir eine Schlagzeile ins Auge „Bebauungsplan-Verfahren für das Preußenstadion dauert länger“. Bei den Kollegen von Westline ging kürzlich ein Bericht online. Ein müdes Lächeln beim heißen Kaffee. „Seit Jahrzehnten wartet der Klub und mit ihm seine Fans auf einen Durchbruch“, ist im Eingangstext zu lesen. Wohl wahr. Man soll ja nicht übertreiben und gleich von Jahrzehnten schreiben, doch in diesem Fall ist es traurig aber wahr: Bereits vor zwei Jahrzehnten (!) wurde von der „unendlichen Geschichten“ gesprochen.

MünsterIm einstigen Magazin „match live“ wurde im März 1996 ein Text von Dirk Müller zur Thematik Preußenstadion (in der Überschrift war vom „Münsterlandstadion“ die Rede) abgedruckt. Im Gegensatz zum Vorgängermagazin „Fan Treff“, das eher auf Krawall und Randale gebürstet war, gab es in „match live“ durchaus sachliche Berichte zu lesen. Das Witzige (oder auch das Traurige) ist, dass bereits damals vor 20 Jahren ein Blick zurückgeworfen und die Münsterische Zeitung zitiert wurde. Am 30. August 1979 wies der einstige Preußen-Präsident Reinhold Schmelter daraufhin, dass etwas mit dem Stadion passieren müsse. 1979! Verrückt. Damals waren meine Eltern das erste Mal mit mir verreist. Als 6-Jähriger schaute ich von der Schneekoppe aus fasziniert auf die Bergrücken und das Umland. Das nur mal so. Man kann gar nicht in Worte fassen, wie lange her das mir vorkommt. Und ja, auch das Jahr 1996 fühlt sich nicht gerade an, als sei es gestern gewesen. Damals freute man sich auf die Europameisterschaft in England. Und Im Ligaalltag: Viele Stadion waren noch luftig und zugig, hatten eine Rundlaufbahn und versprühten den Charme der 1970er. 

Umso krasser, dass bereits im März 1996 im Fall Preußenstadion von einer „Bruchbude“ gesprochen wurde. Schließlich waren zu jener Zeit das Gelsenkirchener Parkstadion, das Müngersdorfer Stadion in Köln oder das Wedaustadion Duisburg nun auch keine Luxuxtempel. Von der Halde in Zwickau oder dem bröckelnden Berliner Olympiastadion ganz zu schweigen. Allerdings hatte die Sache in Münster eine gewisse Einmaligkeit. Denn das Ganze wurde ein Politikum. Nicht allein der Fakt, dass es rostete, tropfte und bröckelte, vielmehr das Drumherum war Dirk Müller der Bericht im „match live“ wert. So wurde beklagt, dass nur das Nötigste instand gesetzt wurde und die Stadt Münster immer wieder betonte, dass kein Geld vorhanden sei. Andere Bereiche schienen indes nicht betroffen. 

MünsterVersprechungen gab es indes einige. So ist im Bericht vom März 1996 zu lesen: „Erste Hoffnungen kamen auf, als urplötzlich kurz vor der Kommunalwahl 1989 ein Flugblatt der CDU in jeden Briefkasten der Stadt flatterte. Dieses Pamphlet propagierte einen Umbau des Stadions in ein Münsterland-Stadion, welches mit 30.000 überdachten Plätzen als reines Fußballstadion zu sehen ist. Als wenn die Preußen darauf gewartet hätten, schaffte der SCP dann auch den Aufstieg in die 2. Liga und der damalige Oberbürgermeister Dr. Jörg Twenhöven (CDU) versprach (wohl ein Bier zuviel getrunken) auf dem Prinzipalmarkt 1989 den jubelnden Preußenfans: Ihr bekommt euer neues Stadion!“ Anrückende Bauarbeiter? Fehlanzeige! Es folgte ein Hin- und Hergeschiebe der Gutachten, Umweltverträglichkeitsexpertisen und Bebauungsplänen. 1991 legte die FDP schließlich Veto ein, kurze Zeit später machte auch die CDU einen Rückzieher. Das Stadion-Projekt wurde zum Stillstand gebracht. Wer hätte jedoch damals gedacht, dass ein Vierteljahrhundert später noch immer Stillstand herrscht. Wahnsinn! Da liest man am 17. Juni 2016 beim Morgenkaffee, dass es wieder einmal komplexe Fragen gibt und dass das Bebauungsplan-Verfahren mal wieder länger dauert. Und täglich grüßt das Münsterländer Murmeltier. Wie viele Espressi hätte man seit der Rede auf dem Prinzipalmarkt im Wendejahr 1989 aufsetzen können? 

SCPNeben mir wird der Kaffee kalt. Ich haue in die Tasten und lese gespannt den Bericht von 1996 weiter. Damals war die „Stadionlüge“ geboren und kaum ein fußballinteressierter Münsteraner glaubte noch den Politikern. Ob das - satte 20 Jahre später - so viel anders ist? Nicht dass man damals Anfang / Mitte der 1990er untätig war. Die Bürgerbewegung „Rettet das Preußen-Stadion“ wurde ins Leben gerufen. Zudem wurde der „Arbeitskreis Preußen-Stadion“ gegründet. 10 Millionen Deutsche Mark standen damals im Raum, welche die Stadt Münster bereitstellen wollte. Das würde gerade mal für die Marmorverkleidung des Stadttheaters reichen, witzelte der Autor in „match live“. Im Gespräch war auch das „Utrechter Modell“. Also ein „Schmuckkästchen“ mit Einkaufszentrum und Gastronomieeinrichtungen. Dieses sollte nach Möglichkeit an einem neuen Standort errichtet werden. Dieser wurde jedoch nicht gefunden, Stadtverwaltung und die Wasserbehörde lagen im Clynch. Allerdings machte ein Geologe aus Münster mit seinem Gutachten Hoffnung. Auch wenn das neue Stadion gebaut wird, kann weiterhin Trinkwasser gefördert werden.  

Die Frage blieb indes weiter offen. Neubau oder Umbau? Als Partner war plötzlich eine Tochtergesellschaft des Otto-Versandes im Gespräch. Für 26 Millionen sollte diese neue moderne Arena errichtet werden. Dirk Müller ahnte jedoch, was kommen würde, so schloss er seinen Bericht mit folgenden Worten ab: „Im Frühjahr 1996 soll eine endgültige Entscheidung fallen. Glauben kann ich daran allerdings immer noch nicht so recht. Es ist scheinbar doch eine unendliche Geschichte …“ Über die aktuellen Bebauungspläne darf sich auf der Seite von Westline weiter informiert werden. Zum einen haben die einen besseren Einblick, zum anderen wird mein Espresso noch wirklich kalt …

Fotos: Marco Bertram, P. Schoedler, Karsten Höft, Marcus Hengst

> zur turus-Fotostrecke: SC Preußen Münster

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
17 Juni 2016

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4 Kommentare
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Vor 26 Jahren die gleichen Diskussionen. Dss ist ja verrückt.
G
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K
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G
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G
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