Polonia Warszawa vs. Legia Warszawa II: Hitziges Stadtduell als Härtetest für Aufstiegsrunde

PoloniaMan schrieb den 20. Mai 2000, als Polonia Warszawa beim Stadtrivalen Legia vor 12.000 Zuschauern klar und deutlich mit 3:0 gewinnen konnte. Emmanuel Olisadebe, Tomasz Wieszczycki und Maciej Bykowski sorgten innerhalb von zehn Minuten (67. bis 77. Minute) für ein bemerkenswertes Torfeuerwerk. Und nicht nur das, Polonia konnte am Ende der Saison 1999/2000 den polnischen Meistertitel einfahren. 5.000 Fans feierten vier Tage nach dem Derby-Sieg ein klares 4:1 gegen Odra Wodzisław Śląski und den zweiten Meistertitel nach 1946. Zwei Jahre später rückte Legia die Sache wieder gerade und durfte den Titel feiern. Vier weitere sollten schließlich folgen. Und während Legia zuletzt das sportliche Maß aller Dinge war, musste Stadtrivale Polonia kleinere Brötchen backen. Nach großem Hin und Her musste Polonia in der Saison 2013/14 in der IV Liga grupa Mazowiecka (5. Liga) neu beginnen. Als MKS Polonia konnte auf Anhieb der Aufstieg in die III Liga grupa Mazowiecka gefeiert werden. Nach einem sportlichen Durchhänger (Rang 14) konnte die zurückliegende Spielzeit wiederum mit Rang eins vor dem Stadtrivalen Ursus Warszawa abgeschlossen werden. Allerdings gibt es noch eine Hürde zu meistern. Um aufzusteigen, muss sich Polonia am 11. und 15. Juni gegen den Vertreter der Gruppe dolnośląsko-lubuska (KS Polkowice oder Górnik Wałbrzych) durchsetzen.

PoloniaAm letzten Spieltag der regulären Saison kam es im Polonia Stadion zum Aufeinandertreffen mit der zweiten Mannschaft von Legia. Auf Heimseite war das Interesse äußerst groß, Gästefans waren jedoch keine vor Ort. Die Legianosci schenken der zweiten Mannschaft in der Regel keine Beachtung. Erstmals seit geraumer Zeit wurde bei Polonia wieder die Tribüne auf der Gegenseite geöffnet, so dass sich die aktive Szene dort einfinden konnte. Am Eingang des Stadions hatten die Anhänger ein großes Spruchband befestigt: „Alle Spiele der Euro sind eine große Leinwand, gezeichnet: Die schwarzen Trikots.“

LegiaIm Stadioninnern wurde auf der einen Hintertorseite auf die Historie von Legia angespielt. Bekanntlich feiert Legia Warszawa in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Daraufhin fragt die Polonia-Fanszene: „Welches Jahrhundert? 1916 - Teamgründung Legia - 1922? 1945? Legia Warszawa - die Geschichte stimmt nicht überein!“ Der Hintergrund: Legia, das einst sein erstes Spiel gegen Polonia bestritt, wurde 1916 mit dem Namen „Drużyna Sportowa Legia“ ins Leben gerufen. 1922 wurde der Verein in „Wojskowy Klub Sportowy Legia Warszawa“ unbenannt, nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt der Verein den Namen „Centralny Wojskowy Klub Sportowy Legia Warszawa“. Legia war der zentrale Sportverein der Streitkräfte der Volksrepublik Polen. Es mag zwar etwas kleinlich wirken, aber historisch korrekt ist die Anspielung der Polonia-Fans. 

LegiaDie große Rivalität gab es jedoch nicht zu Zeiten der Volksrepublik Polen. Nach dem Meistertitel 1946 und dem Pokalsieg 1952 rutschte Polonia komplett ab und kehrte erst 1994 wieder in das Fußballoberhaus zurück. Umso hitziger waren die Duelle in der Folgezeit. Auch wenn kürzlich gegen die zweite Mannschaft von Legia keine sichtbaren Gästefans vor Ort waren, so ging es durchaus heiß zur Sache. Zu Beginn der Partie zeigte die Spieler Flagge. Mit schwarz-weiß-roten Fahnen liefen die Polonia-Spieler auf, anschließend wurden diese an die Fans übergeben. Ein schöne Geste. Sich sehen lassen konnte auch die Beflaggung des Zaunes. So waren etliche Fahnen aus den verschiedenen Stadtteilen (Praga, Wola, Ursynow, Muranow, Ochota usw.) zu bewundern, zudem war ein Banner der Freunde von MKS Sandecja Nowy Sacz (aus dem Süden Polens, nahe der tschechischen Grenze) befestigt.

PoloniaAuf dem Rasen ging es emotional zur Sache. Bereits nach sechs Minuten führte Legia II mit 1:0, doch postwendend konnte Polonia per Elfmeter zum 1:1 ausgleichen. Die Zweitvertretung von Legia trat recht überheblich auf und ließ Arroganz ganz im Stil der Großen erkennen. Und nicht nur das. Mitunter ging es recht rabiat zu. So gab Legia-Keeper Szumski einem Balljungen einen Bodycheck, weil dieser nicht schnell den Ball hergab. Diese Aktion rief wiederum einen Polonia-Offiziellen auf den Plan, der den Gästetorwart ordentlich belegte. Zu Beginn des zweiten Spielabschnitts setzte der Polonia-Anhang in Form von Choreo und Pyro-Einsatz optische Akzente. Als jedoch der schwarze Rauch aufstieg, gab es von der Haupttribüne zahlreiche Pfiffe. Anders als bei den gigantischen Pyro-Aktionen bei Legia, blieb hier die Unterstützung von Seiten der eigenen Zuschauer aus. Ganz klar: Hier muss noch Basisarbeit erfolgen. 

PoloniaAuf dem Platz konnte Legia II noch zwei Treffer nachlegen, und da der Schiedsrichter aus Sicht der Heimmannschaft nicht ganz so neutral erschien, schwoll dem Polonia-Trainer der Kamm. Nach harscher Kritik am Linienrichter wurde dieser vom Schiedsrichter kurzerhand auf die Tribüne verbannt. Und da das Spiel auf dem Rasen nicht zu gewinnen war, wollte man zumindest auf den Rängen noch einmal punkten. Am zuvor freigelegten Zaun wurden etliche Legia-Schals angezündet und somit dem Feuertod übergeben. Es zündelte, es brannte, schon bald blieb nur noch Asche übrig. Die große Aufregung blieb jedoch aus. Aufregend wird ganz gewiss die eingangs erwähnte Aufstiegsrunde, wenn es sportlich um alles oder nichts geht. Ganz klar, der Aufstieg in die II Liga (3. Liga) wäre eine schmucke Sache. Zwar gibt es auch in dieser Liga noch nicht die ganz großen Namen, doch die Aufeinandertreffen mit Radomiak Radom, GKS Bełchatów (Absteiger aus der I Liga) und vor allem mit Polonia Bytom hätten ganz gewiss ihren Reiz!

Text: In Zusammenarbeit mit Oliver Wiebe

Fotos: Oliver Wiebe

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Artikel wurde veröffentlicht am
08 Juni 2016
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