Noch vor drei, vier Jahren sah es im Berliner Poststadion wie folgt aus bei interessanten Partien: Während gegen Babelsberg 03, den 1. FC Magdeburg oder den BFC Dynamo die Gegengerade prima gefüllt war, hielt sich auf Heimseite das Interesse trotz des attraktiven Gegners sehr stark in Grenzen. Der Blick auf die altehrwürdige Haupttribüne war ein Trauerspiel. Hätte der Berliner AK 07 nicht seinen Nachwuchs mobilisiert und Freikarten verteilt, hätte sogar noch mehr tote Hose geherrscht. Nun aber, im April 2016, gelingt es dem BAK zum Spitzenspiel gegen den Tabellenführer FSV Zwickau sage und schreibe 3.227 Zuschauer anzuziehen. Rund 500 hatten den Westsachsen die Daumen gedrückt, der Rest befand sich auf den Sitzen der Haupttribüne und im Stehbereich davor. Echte BAK-Fans in dem Sinne, gibt es noch immer nicht allzu viele, doch immerhin gelingt es dem Verein die Neugier bei den Berliner Fußballfreunden zu wecken. Einige Unioner, BFCer, Fans von zahlreichen anderen Vereinen (selbstverständlich fast ohne erkennbare Utensilien) - alle hatten am heutigen Sonntagnachmittag bei recht trübem Wetter in Moabit vorbeigeschaut.
Berliner AK vs. FSV Zwickau: Reichlich Emotionen beim gut besuchten RL-Spitzenspiel
Kurz vor Anpfiff bildete sich eine lange Schlange vor der Kasse und das Spiel lief bereits, als immer noch Zuschauer auf die Ränge der Tribüne nachströmten. Schon bald waren quasi alle Sitzplätze belegt und es staute sich auf den Treppen und Gängen. Immer wieder erfolgte die Durchsage, dass die Nachzügler nach unten in den Stehbereich gehen sollen. Ansonsten könnte die Sicherheit nicht gewährleistet werden. Ganz ehrlich, wer hätte vor noch nicht allzu langer Zeit solch ein Szenario erwartet?
Für die Zwickauer Fußballfreunde wurde der kleinere Gästeblock geöffnet, die Gegengerade blieb geschlossen. Im Prinzip eine nachvollziehbare Entscheidung, doch da es nur den einen Zugang zu den Gästebereichen gibt, hätte es auch der Stehbereich der Gegengerade getan. Denn im heutigen Fall war die Entfernung zwischen den FSV-Fans und der türkisch geprägten Stimmungsecke am Rande der Haupttribüne nicht allzu groß. In Anbetracht der sportlichen Brisanz hätte es durchaus heikel werden können. Vielleicht ein, zwei Platzverweise oder ein paar strittige Entscheidungen oder gezielte Provokationen - und schon hätten die Sicherungen durchbrennen können.
Bei leichtem Nieselregen ging es jedoch erstaunlich fair auf dem Rasen zu, wenn gleich es gut zur Sache ging. Zwickau musste ohne Kapitän Toni Wachsmuth auskommen, da dieser nach seiner zehnten gelben Karte seine Sperre absitzen musste. Mit hohem Tempo ging es sogleich flott los. Bereits nach zehn Minuten fiel der erste Treffer. Nach Hereingabe von der linken Seite stand Maximilian Zimmer bereit und drückte den Ball in die Maschen. 1:0 für die Berliner. Der türkische Stimmungsblock kam zum ersten Mal in Wallung, und auch zahlreiche weitere Zuschauer rissen erfreut die Arme hoch.
In der Folgezeit konnten die Westsachsen Vorteile auf dem Platz verbuchen und kamen zu Chancen, doch im Gegenzug hatten auch der BAK die eine oder andere Möglichkeit. Hitzig wurde es unmittelbar vor dem Pausentee! Zwickau brachte eine Ecke von links herein und der Ball gelangte an den zweiten Pfosten, wo Davy Frick allein vor der Linie stand. Rutschend brachte er das Spielgerät über die Linie, allerdings war dabei (wohl nicht gewollt) die Hand im Spiel. Der Treffer hätte nicht gelten dürfen. Fans und Spielern des FSV Zwickau war es egal. Frenetisch wurde der Ausgleich gefeiert. Rauf auf den Zaun und Fäuste geballt. Zwischen einigen Zwickauer Fans und der türkischen Stimmungsecke kam es nun zum Meinungsaustausch. Gezeigte Mittelfinger, hässliche Wörter, reichlich Emotionen. Kurzzeitig schien das Ganze aus dem Ruder zu laufen, da auch ein einzelnes „Ziegenfic***“ und „Wer nicht wippt, der ist ein Türke“ zu vernehmen war. (Anmerkung: So hatte ich es akustisch vernommen. In einer Gegendarstellung heißt es, dass „Wer nicht wippt, der ist ein Schachter“ gesungen wurde.) Fakt ist: Gut, dass die Halbzeitpause erst einmal für Abkühlung sorgte.
Im zweiten Spielabschnitt war der BAK die bessere Mannschaft. Nicht dass Zwickau zu keinen Möglichkeiten mehr kam, doch unter dem Strich konnten die Berliner mehr überzeugen. BAK-Trainer Steffen Baumgart, der vom Aufstieg in die 3. Liga träumt, hatte sein Team gut eingestellt. Immer wieder wurde der Ball im Mittelfeld erobert, immer wieder ging es fix nach vorn. Und ja, der Siegtreffer zum 2:1 sah wirklich einfach rausgespielt aus. Schnell landete der Ball auf der rechten Seite, gekonnt wurde er flach hereingebracht. Wie im Training musste Devann Yao, der gerade mal vier Minuten zuvor eingewechselt wurde, in der Mitte nur noch einschieben.
Keine Chance für FSV-Keeper Unger. Nun ging auf der Haupttribüne die Post ab, vor allem im besagten äußeren Bereich. Totales Durchdrehen. Bei manch einem schien die Schadenfreude größer zu sein als die eigentliche Freude über den sportlichen Erfolg. Einer kriegte sich gar nicht mehr ein und onanierte erst einmal in Richtung Gästeblock - rein symbolisch natürlich. Im Gästebereich ließ man sich indes nicht mehr provozieren, wenn gleich manch einem der Dampf bis zur Oberkante stand.
Der FSV Zwickau versuchte logischerweise noch einmal alles, doch der Berliner AK 07 konnte die knappe Führung über die Zeit bringen. Für die Westsachsen bedeutet das 1:2 im Berliner Poststadion die fünfte Saisonniederlage. Zum Abklatschen zu den Fans ging es trotzdem. Noch ist nichts verloren. Zwickau muss einfach seinen Stiefel runterspielen und seine Spiele gewinnen. Der BAK hat noch sein Nachholspiel in Auerbach als Trumpf in der Hand, doch die Zwickauer haben das bessere Torverhältnis. Kommt es hart auf hart, kann dieses entscheidend sein.
Fotos: Marco Bertram
Ligen
Benutzer-Kommentare
Hier wird von meiner Seite aus überhaupt nichts in die Ecke gestellt, der FSV Zwickau schon mal gar nicht. Warum auch? Weil es kurzzeitig sehr erhitzt war?
Warum sollte ich enttäuscht gewesen sein? Ich war in der Vergangenheit häufig bei Heimspielen des Berliner AK und ich war immer wieder sehr verwundert, wie dies und jenes umgesetzt wurde. Die provozierenden Balljungen hat man ja inzwischen im Griff, dafür scheinen nun andere Probleme aufzukommen. Wie meinte ein Ordner zu einem anderen? "Kriegen hier ne Freikarte und haben ne große Fresse...." Gemeint war manch einer auf der Haupttribüne. Manches im Heimbereich gab nicht wirklich ein gutes Bild ab. Mit dem Blick vom Innenraum aus bleibe ich dabei: Es hätte heikel werden können.
Ich hätte bei diesem Spiel die Gästefans auf jeden Fall auf die Gegenseite gepackt. So aber konnte sich beim Ausgleichstreffer munter bepöbelt werden. Sicherlich waren es nur Einzelne, aber zumindest das "Ziegenficker!" fiel definitiv. Wenn man von der Gegenseite auch ständig bepöbelt wird, rutscht solch ein Wort auch mal schneller raus als sonst. Zumal es sportlich wirklich um viel ging. In erster Reihe zur Haupttribüne hin befanden sich im Gästeblock einige FSV-Fans, die richtig sauer und auf Achse waren, als das 1:1 fiel. Wäre zu jenem Moment das Spiel weitergelaufen, wer weiß was passiert wäre. So aber kam die Pause - und gut war. Überaus besonnen verhielten sich die Zwickauer nach dem 2:1 des BAK - trotz hässlicher Gesten aus der besagten Ecke. In jenem Moment hielt wirklich jeder FSV-Fan die Füße still.
Beste Grüße
Marco
PS: Mag sein, dass dieser Bericht nicht allzu viel Freude machte. Doch welcher Punkt bereitete denn Freude? Allein die Tatsache, dass die Kulisse überraschend groß war.
Naja und das falsch verstehen des Gästeblocks, was dann wieder so da steht als wären wir alle Rassisten, vielen Dank! Es heißt: " Wer nicht hüpft, der ist ein Schachter" wie man das mit Türke verwechseln kann ist mir schleierhaft!