„Einmal für die Süd, ja?“, meinte die Ticketverkäuferin zu mir, als ich in der Vorverkaufsstelle für Hansa-Heimspiele stand. Sehe ich etwa noch jung und gefährlich aus? Oder soll etwa die Süd-Tribüne durch friedliebende Menschen unterwandert werden? Keine Ahnung. Eine für den gemäßigten Bereich nahm ich dann. Hansa gegen Preußen Münster – das ist nicht unbedingt ein Klassiker, aber sportlich geht es noch um sehr viel – jedenfalls für den F.C. Hansa. Die Hinrunde sah eher mau aus. Ein kleines Licht der Hoffung brachten jetzt wichtige drei Punkte aus Cottbus, gegen Kiel und sogar ein Punkt in Dresden. Die Hansa-Fangemeinde kann dennoch nicht ruhiger schlafen, da zwei Niederlagen hintereinander wieder einen Kellerplatz bedeuten könnten. Unten ist alles verdammt eng beisammen. Ein Mittelfeld gibt es in der 3. Liga quasi nicht. Mehr als die halbe Liga schwebt in Abstiegsgefahr.
Hansa Rostock vs. Preußen Münster: Engagierter Einsatz auf Rasen und Rängen, aber keine Tore
HotSchon sehr früh gab es ein reges Treiben auf den Straßen - wie immer, wenn Hansa spielt. Überall Hansa-Schals, egal ob morgens in Greifswald oder am Vormittag in Rostock selbst. Während des Spiels wurden später 12.700 Zuschauer angesagt. Aus Münster machten sich zirka 250 auf den Weg. Münster und Hansa können sich jetzt aussuchen, wer von ihnen die Bösen sind, weshalb heute wieder ein Wasserwerfer mobilisiert wurde und man einen Hubschrauber schon sehr zeitig vor dem Spiel kreisen ließ. Was soll der Unfug? Da war ich mir mit meinem alten Polen-Begleiter einig, den ich am Eingang traf. Es war irgendwie wie bei früheren Fahrten… durchs Nachbarland, als dort noch Mord und Todschlag herrschte. Aber mal ehrlich, das hat doch auf die Vereine eine den Ruf schädigende Wirkung. Das vermittelt doch dem Touristen, dem Bürger und Einwohner, dass hier gleich ein Spiel stattfinden wird, von dem man sich, soweit wie es geht, fernhalten sollte.
Das Spiel hätte noch weitere Zuschauer verdient, obwohl ich auch kein Freund von Massenveranstaltungen bin. Merkwürdige Leute gibt es aber auch bereits hier in Rostock in der dritten Liga. Ich kann mit dieser Selfie-Foto-Kultur nichts anfangen. Zum Glück sind die hier noch in einer winzigen Minderheit. Der Ultra-Block der Hansa-Fans bezieht ja durch eine Fahne eine eindeutige Stellung zu dem Thema „soziale Netzwerke“. Der Rest der Zuschauer konzentrierte sich aber auf Hansa bzw. Münster.
Wie bereits angesprochen, konnte sich das Spiel sehen lassen. Hansa hing sich ordentlich rein. Sicherlich nichts für Ästheten, aber ein paar technische Schmankerl gab es trotzdem. Das Spiel fand häufig in der Hälfte der Münsteraner statt. Hansa drückte und erspielte sich einige Chancen. Doch nur wenige waren wirklich echte. Münster ebenfalls seit Spielbeginn auch immer für eine brandgefährliche Situation gut. Zum Beispiel lief Özkara nach einem eleganten Zuspiel von Rohne allein auf Hansas Torwart Schuhen zu, der den Ball im Nachfassen sichern konnte. Sehenswert war auf der anderen Seite das Zusammenspiel von Jänicke und Andrist. An der Strafraumecke passt Jänicke auf Andrist, der gibt ähnlich spektakulär wie zuvor Münsters Rohne den Ball an Jänicke zurück, der sich aber gegen Lomb geschlagen geben muss. Sehr dicht dran, aber der Ball war nicht drin, sondern wurde von Lombs Bein noch weggekratzt.
In der zweiten Halbzeit bekamen die Zuschauer eine ähnliche Vorstellung geboten. Hansa immer eifrig dabei, aber Jänicke mit viel zu wenig Durchschlagskraft. Münster ständig unter Druck, aber im Resultat änderte es dennoch nichts. Kurz vor dem Ende hatte Hansa sogar noch Glück. Es drohte gar die Niederlage. Eine Ablage des eingewechselten Grimaldi setzt Reichwein, ebenfalls eingewechselt, neben den Pfosten. Haarscharf, aber ohne Kraft. Das Resultat dürfte daher auf beiden Seiten zufrieden angenommen worden sein. Für Münster ist ja die Saison im Prinzip schon gelaufen. Für Hansa stehen nun ganz wichtige Wochen an. Bis auf Würzburg geht es nur noch gegen Mannschaften, die auch noch im Abstiegskampf stecken. Auch der Neunte Mainz 05 II mit sechs Punkten auf Cottbus ist noch nicht durch.
Einen großen Anteil am heutigen Punktgewinn hatte die Hansa-Fangemeinde. Sogar die Haupttribüne beteiligte sich. Der Hansa-Ultra-Block schien auch gut drauf gewesen zu sein. Selten Pausen, viel Bewegung und jeder Fan zog mit. Wenn hier einer „Bis zum letzten Atemzuge - Werden wir miteinander gehen - Hansa!“ singt, dann meint der das auch so. Fanatisch ist hier jeder irgendwie. Aber eigentlich ist es auch ein völlig authentisches Fußballpublikum. Werfen wir mal ein Blick auf die Banner. Ganz vorne und zentral die Fahnen der Suptras und Fanatics. Ihnen zur Seite stehen die Hansa-Hochburgen Neubrandenburg, Schwerin und Vorpommern. Auf der anderen Seite repräsentiert „Plattenbau“ die Fans aus den Stadtgebieten Lütten Klein und Lichtenhagen. „Viecher“, „Ropiraten“ und „Pröchels Greifswald“ befinden sich im Eckblock. Diese Gruppen haben auch schon einige Jahre auf dem Buckel. Passend dazu wird dort auch eine Fahne „oldschool“ gezeigt.
Thematisch geht es auf der Münster zugewandten Seite zu. Zwei Banner mit teilweise ironischem Ausdruck geben Aufschluss auf die Arbeitsmarkt-Situation der Region – „Arbeitslos wo andere Urlaub machen“. Eine weitere widmet sich der Kritik gegenüber dem sozialen Netzwerk der Amerikaner. Gleich daneben bemängelt eine Fahne das zu starke Abdriften der Ultra-Kultur in den politischen Bereich, obwohl ja Ultra eigentlich ihre Wurzeln in jenem haben. Und natürlich ist da noch „Späher – Auf der Suche nach den Gästefans“ - für mich eine der schönsten Hansa-Fahnen. „La Bocker“ in Anspielung auf das Hafenviertel von Buenos Aires hat auch was!
Und was war bei Münster los? Gerne hätte ich das Liedgut der Münsteraner kommentiert, aber es ist nicht möglich. Selbst als ich direkt neben Münster stand, konnte ich kaum etwas verstehen. Nicht weil sie so leise waren, sondern weil Hansa sie einfach nieder sang. Von der Süd geht eine gewaltige Lautstärke aus. Münster hatte keine Chance. Sie waren nur in den wenigen Pausen zu hören. Aber man konnte sehen, dass sie ununterbrochen die Fahnen zu Rhythmen schwangen und ständig sprangen und tanzten. Da kann man nur optische Akzente setzen, wenn nebenan ein übermächtiger Gegner agiert. Es dominierten die Farben Schwarz und Grün. Schwarze Kleidung und grüne Fahnen.
Und wie eine Galionsfigur stand in der ersten Reihe eine Blondine, die nicht minder mitzog als der Rest. Also Münster optisch sehr ansprechend. Während Hansa einpackte, zeigte Münster dann doch noch, was in ihnen steckt, und ein „Stadionverbotler sind immer dabei!“ schallte durch das Ostseestadion. Danach verabschiedeten sich auch sie und bestiegen die bereitgestellten Shuttle-Busse. Vorher meldete sich aber noch einer der gehbehinderten Hanseaten, der plötzlich aufsprang und in Richtung Münster ein „Monster, Mumien, Mutationen, bäääähhhhh“ losließ. Ja, ja, hier tickt irgendwie alles fanatisch!
Fotos: Michael
Ligen
Benutzer-Kommentare
Ich denke, konkreter konnte es unser Autor nicht ausdrücken:
"Münster und Hansa können sich jetzt aussuchen, wer von ihnen die Bösen sind, weshalb heute wieder ein Wasserwerfer mobilisiert wurde und man einen Hubschrauber schon sehr zeitig vor dem Spiel kreisen ließ. Was soll der Unfug? Da war ich mir mit meinem alten Polen-Begleiter einig, den ich am Eingang traf. Es war irgendwie wie bei früheren Fahrten… durchs Nachbarland, als dort noch Mord und Todschlag herrschte. Aber mal ehrlich, das hat doch auf die Vereine eine den Ruf schädigende Wirkung. Das vermittelt doch dem Touristen, dem Bürger und Einwohner, dass hier gleich ein Spiel stattfinden wird, von dem man sich, soweit wie es geht, fernhalten sollte."
Beste Grüße Marco (turus.net)
Also an der Aussprache muss die Süd wohl noch arbeiten, wenn das nicht verständlich ist. ;)
Ansonsten wars ein eher mauer Tag, was Lautstärke und Mitmachquote anging. Das geht und ging schon deutlich besser.