Der totale Wahnsinn: Sicherheit beim Fußball und im öffentlichen Raum

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PolizeiGesundes Neues Jahr, liebe Sportsfreunde! Wer 2016 segeln gehen möchte: Immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel! Wer nach Santiago de Compostela pilgern möchte: Stets eine gute Sohle! Wer in diesem Jahr zu etwaigen Großveranstaltungen gehen will: Immer eine Armlänge Abstand zu den Gefahrenpersonen! Ihr wisst schon! Gleiches könnte problemlos beim Fußball umgemünzt werden. Wir zäumen das Pferd einfach mal andersherum auf. Ansage vor dem Duell Darmstadt 98 vs. Eintracht Frankfurt an alle Normalo-Fans, die nur konsumieren möchten: Bitte immer eine Armlänge Abstand halten zu aktiven Fangruppen! Aber mal Spaß beiseite. Kann man als Fußballfan, der Woche für Woche einen immens groß aufgefahrenen Polizeiaufmarsch bestaunen darf, sich nicht verwundert die Augen reiben in Anbetracht der Geschehnisse in Köln in der Silvesternacht? Ich an meiner Stelle verlebte Silvester abseits des großstädtischen Trubels auf einem Bauernhof irgendwo auf dem Lande. Umso mehr wirkten die ersten auftauchenden Schlagzeilen surreal, die ich am nächsten Tag auf dem Laptop zu lesen bekam.

Sexuelle Übergriffe? Belästigungen? Ein Mob, der völlig freidrehte? Leuchtkugeln, Raketen und Böller, die gezielt in die feiernde Masse geschossen / geworfen wurden? Oha! Wo noch mal? In einem kritischen Plattenbaugebiet? Nein?! Am Kölner Dom?! Und die Polizei ist nicht augenblicklich massiv eingeschritten? Und das, obwohl europaweit eine gespannte Sicherheitslage herrscht und ganz besonders in der Silvesternacht mit terroristischen Anschlägen zu rechnen war?! Das Medienecho war dementsprechend. Die Schlagzeilen überschlugen sich - allerdings erst mit einer gehörigen Verzögerung. Anfangs waren es vor allem kleine unabhängige Magazine und Blogs, die über die schweren Vorfälle berichtet hatten. In den Tagen darauf folgte die große mediale Lawine. Die Reaktionen der Leser waren äußerst deftig. Diskussionen uferten aus, zumal von arabisch / nordafrikanisch aussehenden Tätern die Rede war. Der Neujahrskarpfen blieb bereits bei den ersten aufkommenden Diskussionen fast im Halse stecken. Was dann an den zwei, drei Tagen folgte, spottete jeder Beschreibung.

Aus der Ferne ließ sich selbstverständlich nichts konkret beurteilen. Zwar sprechen manche ins Netz gestellte private Videos Bände, doch vor allem interessant zu sehen war die in Köln einberufene Pressekonferenz, die vom TV-Sender Phoenix übertragen wurde. Und da wir ein Sportmagazin sind, werden wir in der Folge mal Vergleiche zur Sicherheit beim Fußball ziehen. Doch der Reihe nach. Die erste Polizeimeldung, nach der es in Köln sehr ruhig und friedlich gewesen sein soll, wurde auf der Pressekonferenz als komplett falsch bezeichnet. Wie solch eine Falschmeldung herausgegeben werden kann und erst nach dem immensen öffentlichen Druck als solche zugegeben wird, ist als Tatsache bereits ungeheuerlich. Man erinnere daran, dass beim wöchentlichen Fußballgeschehen die Polizeiberichte von zahlreichen Zeitungen und Magazinen als bare Münze betrachtet und 1:1 übernommen werden. Wie viel wert ist also eine kurz nach einem Großereignis herausgegebene Polizeimeldung? 

Die von der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker gegebenen Verhaltenshinweise für Frauen und junge Mädchen müssen an dieser Stelle nicht weiter kommentiert werden. Distanz halten. Keine große Nähe suchen zu Menschen, die einem fremd sind. Sich nicht trennen lassen als Gruppe. Hm ja, was möchte einem mit diesen Ratschlägen gesagt werden? Ich weiß es nicht. Fakt ist, dass bei dieser Pressekonferenz hin und her geschlingert wurde. Gab es Tatverdächtige? Nein. Ja. Vielleicht. Warum haben denn nicht noch mehr Personen die 110 gewählt? Na, weil sie Angst um ihr Smartphone haben mussten. Man kann das im Netz verfügbare Video vor- und zurückspulen und die einzelnen Passagen immer wieder hören. Es nutzt nichts. Man wird nicht schlau draus. Was einem allerdings klar wird: Wie wäre es erst, wenn es wirklich zu einem terroristischen Anschlag gekommen wäre? Sehen so für sämtliche mögliche Fälle gut vorbereitete Behörden aus? Immerhin meinte der Kölner Polizeipräsident Albers, dass die Polizei an jenem Abend ordentlich aufgestellt war. Man hatte die Kräfte gehabt, die man brauchte. Das hätte man daran sehen können, dass zur Jahreswende der komplette Platz geräumt wurde, nachdem es zu den Störungen gekommen war. Allerdings war laut Polizeipräsident Albers das „Phänomen“, das auch in anderen Städten aufgetreten war, neu. Was genau das „Phänomen“ war, wurde nicht erläutert. 

Interessant wird es am Ende der Pressekonferenz, als der leitende Kölner Polizeidirektor Michael Temme erklärt - nachdem er von einem Journalisten gefragt wurde, warum die Beamten in „Bademeisterposition“ nichts von den Vorfällen gesehen hatten -, dass bei einer großen Menschenmenge im Dunkeln es schwer sei diese zu erkennen. Konkret ausgedrückt: Bei einer Menschenmenge von 1.000 Personen punktuell ein strafbares Geschehen zu erkennen - dafür bedarf es ganz, ganz, ganz viel Glück. Bei Dunkelheit mit Ferngläsern sei dies schwierig. Gleiches gilt beim Fußball und bei Demonstrationen. Stop an dieser Stelle. Macht das wirklich Mut für kommende Großveranstaltungen, wie zum Beispiel den Karneval? Warum wurden denn keine Kameras auf dem Vorplatz am Kölner Dom auf erhöhten Positionen aufgebaut? Werden nicht bei jeder Gelegenheit beim Fußball Kameras eingesetzt? Stehen nicht bei Demonstrationen und Fanmärschen auf anliegenden Gebäuden Polizeibeamte mit Kameras, die alles im Blick haben? Ganz egal, ob tagsüber oder am Abend?! Das Ganze konnte doch nur ein Witz sein.

Da gibt es permanente Polizeibegleitung und diverse Einsätze - sogar bei Bagatellen wie das Anbringen von Aufklebern oder das Mitführen von Glasflaschen - bei noch so kleinen Fangruppierungen, die von A nach B fahren?! Und es ist nicht möglich eine Silvesternacht an einem innerstädtischen zentralen Platz trotz allgemeiner Gefahrenlage halbwegs friedlich über die Bühne zu bringen? Bei noch so kleinen Fußballspielen stockt den Behörden sofort der Atem, sobald ein Rauchtöpfchen gezündet wird, doch in Köln war es möglich komplett freizudrehen und in Wild-West-Manier kreuz und quer zu ballern?! Wie lange würde es beim Fußball dauern, bis behelmte Einsatzkräfte sich den Weg bahnen?! Warum gibt es in anderen Bereichen des öffentlichen Raumes diese Konsequenz nicht? Wegen der Menschenmassen? Spielen denn diese bei Fußballspielen eine Rolle? Wen juckte es, als zahlreiche unbeteiligte Fans verletzt wurden, als beim Spiel FC Schalke 04 vs. PAOK Saloniki wegen einer mazedonischen Fahne (Stern von Vergina) gnadenlos in den Heimblock mit Knüppel und Pfefferspray marschiert wurde? Hamburg. München. Hannover. Tausende Fußballfans können ein Lied davon trällern. Es gibt zahlreiche Beispiele. 

Ganz, ganz, ganz großes Glück, bei Dunkelheit in der Menschenmenge eine Straftat zu erkennen? Beim Fußball scheinen die Einsatzkräfte bei Abendspielen das Glück gepachtet zu haben, wenn man dies als Maßstab nimmt. Man weiß nicht, was man vom Geschehen in Köln und all den Statements in der Folge halten soll. Davon ganz abgesehen halte ich persönlich vom freien Laufen lassen in der Silvesternacht sowieso nichts. Jeder sturzbetrunkene Pfeifenhannes kann nach Belieben herumballern, Raketen kreuz und quer schießen, Polenböller von Balkonen aus auf Passanten werfen. Quasi alles legal. Allein in der Silvesternacht gibt es demzufolge mehr Sachbeschädigungen, Brände und schwere Verletzungen als bei sämtlichen Fußballpartien von der Bundesliga bis zu den Oberligen zusammen. Sobald jedoch auf einem Zaun in einem Stadion wieder die erste Bengalische Fackel gezündet wird, ist das Gejammere groß. Der nächste Polizeieinsatz wird nicht lange auf sich warten lassen. Und auch bei der Identifizierung der Täter wird es - anders als in Köln - fixer gehen. Vermummt auf dem Zaun im Rauch? Kein Problem. Irgendein szenekundiger Beamte wird ihn schon erkennen. 

 

Artikel wurde veröffentlicht am
07 Januar 2016

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"Politisch Heikel".....das ist der Unterschied
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