50 Jahre 1. FC Magdeburg: Wenn das ganze Stadion feiert, singt und lacht

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FCM FotoKurz vor der mitternächtlichen Geisterstunde klingelte überraschend das Mobiltelefon. Anruf aus Magdeburg. Bierseelig wurde ein Vorschlag unterbreitet. Wie wäre es, wenn man mal nicht auf den Zug der Begeisterung aufspringen würde? Wenn man inmitten des berauschenden Trubels das Haar in der Suppe finden würde? Persönliche Vorschusslorbeeren gab es schließlich genug vor und während der Hinrunde. Jetzt einfach mal zur Überraschung aller einen raushauen. In Ordnung, die Sache wird über Nacht mal durch den Kopf gehen gelassen. Allerdings, ja ich gebe es zu, fällt mir einfach nichts Negatives ein. Die Rolle als Spaßbremse kann ich nicht einnehmen. Ich muss doch mit einstimmen in den Chor der Begeisterten. Man braucht gar nicht großartig drumherum reden, das Heimspiel gegen den 1. FSV Mainz 05 II war einfach ein Hammer. Ja, sagen wir es doch einfach mal passend: Es war emotional, es war großartig, es war einem 50. Geburtstag eines Vereins absolut würdig. Dass das Ganze vor allem von der Fanszene geplant, koordiniert und umgesetzt wurde, macht es sowieso authentischer und sympathischer.

FCMAm Ende eines langen Fußballjahres können gewisse Ermüdungserscheinungen auftreten. Zahlreiche Spiele gesehen, tausende Kilometer durch die Lande gefahren, zehntausende Fotos auf den externen Festplatten abgelegt. Brachiale Gesänge, Aufwändige Choreographien, diverse Pyro-Einsätze, emotionale Ausbrüche, spannende Spiele. Vor allem die 3. Liga hatte in der Hinrunde so ziemlich alle Erwartungen erfüllt. Okay, vielleicht ist die Hauer-Fraktion der Meinung, dass es nicht genug gescheppert hatte (im Großen und Ganzen ging es erfreulicherweise bei brisanten Spielen eher friedlich zu), doch ansonsten wurde so ziemlich alles geboten, was das Fußballherz begehrt. Und der Aufsteiger 1. FC Magdeburg nahm als fehlendes Puzzlestück in der Tat sein Plätzchen ein. Und das nicht nur fantechnisch, sondern auch spielerisch. Die Mannschaft begeisterte durch schnörkellosen Offensivfußball. 31 Tore in 21 Partien - das ist für einen Liga-Neuling keine schlechte Quote. 

FCMÜber 23.000 Zuschauer strömten am Samstagnachmittag bei sehr angenehmer Witterung zum Magdeburger Stadion. Die wenigen Anhänger der U23 des 1. FSV Mainz 05 durften dieses Mal im eigentlichen Gästeblock ihre Plätze einnehmen. Pufferzonen gab es nicht - somit konnte das gesamte Stadion nahtlos bis an den Gästebereich heran in die Farben Blau und Weiß gehüllt werden. Ausgelegt wurde in den einzelnen Blöcken Überzieher, welche die Zuschauer das gesamte Spiel über anlassen sollten. Dies tat die Meisten auch, und auch in den VIP-Bereichen waren sich die Zuschauer nicht zu fein dazu. Einfaches Mittel, tolle Wirkung. Zu Spielbeginn wurden auf den einzelnen Tribünen die größten sportlichen Erfolge des 1. FC Magdeburg präsentiert. Dreimal DDR-Meister (1972, 1974 und 1975) und siebenmal FDGB-Pokalsieger (1964, 1965, 1969, 1973, 1978, 1979 und 1983). Der Pokalsieg im Frühjahr 1964 wurde noch als SC Aufbau Magdeburg gefeiert. Im Zuge der Umstrukturierungen 1965/66 wurde am 22. Dezember 1965 der 1. FC Magdeburg ausgegliedert / gegründet. Den größten Erfolg der Vereinsgeschichte durfte der Block U präsentieren. Mit Trainer Heinz Krügel wurde am 08. Mai 1974 in Rotterdam der Europapokal der Pokalsieger geholt. Mit 2:0 wurde damals kein Geringerer als der AC Mailand geschlagen. 

BeckAuf der Haupttribüne wurde indes ein großer Schal aus Folie hochgehalten. Zudem war auf einem riesigen Spruchband Gold auf Blau zu lesen: „Unsere blau-weiße Macht - die besiegt ab heute keiner mehr!“ Den von vielen erwarteten Einsatz von Pyrotechnik gab es zu Beginn der zweiten Halbzeit, als im Block U zahlreiche Bengalische Fackeln angezündet wurden. Zu Spielbeginn beließ man es indes bei der Choreo, dem Singen des „Magdeburger Kind“ und „50 Jahre 1. FCM …“ . Mit Schwung ging es in die Partie. Beide Mannschaften legten sich mächtig ins Zeug und zeigten eine prima Leistung. Allen voran FCM-Stürmer Christian Beck, der an diesem Nachmittag alle drei Magdeburger Treffer erzielte. Bereits nach nicht einmal 12 Minuten traf er nach Vorarbeit von Brandt zum ersten Mal ins Schwarze. Nach sattem Volleyschuss aus rund 15 Metern schlug der Ball links unten. Jubelparty an der Eckfahne und auf den Rängen.

FCMWiederum Grund zum Jubeln hatten die Magdeburger in der 37. Minute. Nach langer Hereingabe köpfte Beck platziert ein. Der Mainzer Keeper streckte sich sehenswert, konnte den Gegentreffer jedoch nicht verhindern. Die FCM-Fans waren aus dem Häuschen. In der Jubelorgie bekam manch einer gar nicht mit, dass quasi eine Minute später nach einer Mainzer Ecke der Anschlusstreffer der Gäste fiel. Nach der besagten großen Pyro-Einlage zu Beginn des zweiten Spielabschnittes drängte der Gastgeber zur Entscheidung, doch auch die Mainzer spielten prima mit. In der 68. Minute stand Christian Beck jedoch wieder goldrichtig und machte wiederum mit dem Kopf das 3:1 klar. Die drei Punkte zum Jubiläumsspiel waren in trockenen Tücher. Hier würde an diesem Nachmittag nichts mehr anbrennen!

PyroDas Publikum hüpfte und sang sich in einen Rausch. Allzu oft wird der Begriff der hundertprozentigen Mitmachquote überstrapaziert, wenn man von einem klasse Support in einer Fankurve spricht. Allerdings darf in diesem Fall in der Tat von vollen 100 Prozent gesprochen werden. Und zwar nicht nur im Block U, sondern im ganzen Stadion. Sämtliche vier Tribünen wurden zu einem Fanblock. Ein Vorsänger hatte sich auf die andere Seite begeben und koordinierte dort am Zaun den Gesang und die Hüpfeinlagen. „Vorwärts Magdeburger Jungs!“ ertönte es immer wieder. Mal nur von den Zuschauern mit den weißen oder blauen Überziehern, mal tribünenweise. Es flutschte, als sei es das Normalste der Welt, dass sämtliche Zuschauer von Jung bis Alt in den minutenlangen Support einsteigen. 

FCMUnd wieder wurde einem klar. Der Aufstieg des 1. FC Magdeburg war Maßarbeit. Zum 50. Geburtstag. Zu einem Zeitpunkt, an dem die 3. Liga brummt und für Furore sorgt. Nach Abpfiff stiegen hinter dem Block U zahlreiche Raketen hoch, auf den Rängen wurde noch lange gefeiert und gesungen. Am eigentlichen Geburtstag (22. Dezember) folgen noch ein Marsch und eine große von den Fans organisierte Party. Nach der Winterpause darf man indes gespannt sein, wie es bei den Blau-Weißen sportlich weitergehen wird. Während die SG Dynamo Dresden an der Spitze einsam seine Kreise zieht, ist es dahinter verdammt eng. Alles ist offen. Gestern ließ Erzgebirge Aue mit seinem Sieg gegen die SG Sonnenhof Großaspach noch alles enger zusammenrücken. Der Rückstand der Magdeburger auf Rang beträgt derzeit drei schlappe Punkte. Alles offen somit im Aufstiegsrennen. Wer nicht will, der hat schon. Wer weiß, vielleicht nimmt der 1. FCM ja Verfolgung auf und bleibt der Sportgemeinschaft aus Elbflorenz auf den Fersen. So wie einst in den 70ern, als beide Vereine in der DDR-Oberliga für Furore sorgten…

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Magdeburg

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
20 Dezember 2015
Spielergebnis:
3:1
Zuschauerzahl:
23.043
Gästefans
20

Ligen

Inhalt über Liga
3. Liga

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Richtig gut wieder.
J
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G
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Respekt und weiß blau rote Grüße von der Küste ... sowas ist eines 50. Geburtstag würdig !!!
Leider scheint man das bei uns nicht hinzubekommen :(

PS: Freu mich schon auf Anfang März bei euch im HKS
G
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G
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G
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Ganz starker bericht wieder von dir marco, ergänz aber mal bitte noch den tabellenrang im unteren textabschnitt :D
F
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G
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Man kann den Club scheiße finden. Aber was die Atmosphäre im Stadion betrifft, kann denen kaum jemand was vormachen. Die Pokalspiele gegen Augsburg und Leverkusen ließen es erahnen. Ich verneige mich. Wenn auch widerwillig. :-P
R
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G
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