Die beeindruckende Stimmung der Magdeburger Anhänger hat sich selbstverständlich auch längst bis in die beschauliche Alpenrepublik herumgesprochen. Grund genug mich nach Unterfranken zu begeben, um mir selbst ein Bild vom viel zitierten "schlafenden Riesen" zu machen, der doch längst erwacht ist. Nachdem beim letzten Auswärtsspiel in Großaspach einige Magdeburger in den Innenraum eindrangen und sich eine kurze Auseinandersetzung mit dem Ordnungsdienst lieferten, sprach das Präsidium von einer "neuen Dimension von Fehlverhalten". Etwas merkwürdig ist es ja schon, dass beispielsweise Schlägereien beim Eishockey, obgleich zwischen Spielern, gesellschaftlich akzeptiert sind, aber bei Fanbelangen sehr schnell der moralische Zeigefinger ausgefahren wird. Auch dass es nicht unbedingt deeskalierend wirkt, wenn die Security eine Zaunfahne abräumt (kurioserweise genau zum Zeitpunkt des Elfmeters), sollte sich doch auch bis zu den den Ordnungskräften herumgesprochen haben. Alles in allem für mich als Außenstehender eher eine logische Schlussfolge als eine neue Dimension von Fehlverhalten.
Würzburger Kickers vs. 1. FC Magdeburg: Überzeugender Auftritt der FCM-Fans
HotEs geht mir auch nicht darum jeden "Fanskandal" automatisch zu legitimieren, sondern vielmehr darum diese Ereignisse in den gesamtgesellschaftlichen Kontext einer Nation mit über 80 Millionen Einwohnern zu setzen. Vielleicht ist das oft beschworene Gewaltproblem beim Fußball wesentlich kleiner als das Problem, dass Inhalte - ob medial oder polizeilich kommuniziert - von der breiten Maße kaum noch hinterfragt werden.
Keine 6.000 Zuschauer waren heute im Stadion am Dallenberg in Würzburg, aber auch bei dieser Drittligapartie war wieder eine proportional betrachtet sehr hohe Dichte an polizeilichen Einsatzkräften vor Ort. Die Frage, ob diese Anzahl der Beamten wirklich fundamental für Leib und Leben war, oder ob sich die leitenden Einsatzkräfte einmal mehr über den Umgang mit Fans profilieren wollten, blieb unbeantwortet.
Und auf den Rängen: Die zu einem großen Teil in "The North Face" gekleideten Gästefans überzeugten beim Gastspiel in Würzburg mit dem bekannten Brachial-Support. Als neutraler Beobachter ertappt man sich schnell dabei die eingängigen Melodien à la "Fußballclub Magdeburg, Magdeburg, Magdeburg …“ oder "Vorwärts Magdeburger Jungs …“ mit zu summen. Egal ob Hüpfeinlagen oder Schalparaden - vieles wurde in beeindruckender Geschlossenheit zum Besten gegeben. Ich möchte hier auch gar nicht über einen "polnischen Stil" schreiben, denn ich denke, dass man den Magdeburgern damit zu viel von der eigenen Art abspricht.
Auf Seiten der Würzburger waren zirka 50 Leute um Stimmung bemüht, hatten aber kaum eine Chance sich verbal gegen die Mädels und Jungs um den Block U zu behaupten. Trotz der klasse Unterstützung von den Rängen fingen sich die Gäste wie bereits gegen Stuttgart II und Großaspach in der Schlussphase des äußerst kampfbetonten Spiels doch noch den entscheidenden Gegentreffer. Nachdem der FCM in der 42. Minute Dank des Kopfballtreffers von Christian Beck in Führung gegangen war, erzielte Royal-Dominique Fennell zwei Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit den verdienten Ausgleich für die Unterfranken. Weckruf für Würzburg war wohl der fast gefallene Treffer zum 2:0 der Magdeburger kurz nach der Pause, als Fuchs nach einem Konter die Vorentscheidung auf dem Fuß hatte, aber abgeblockt werden konnte. In der Folgezeit übten die Würzburger enormen Druck aus, kamen zu guten Möglichkeiten und wurden am Ende für den Einsatz belohnt.
Sowohl für die Magdeburger als auch die Würzburger war es das sechste Unentschieden in den vergangenen zehn Partien. Beide Aufsteiger stehen zudem in der Tabelle der 3. Liga solide dar. Während der 1. FCM auf Rang sieben zu finden ist, stehen die Würzburger Kickers auf dem neunten Platz. Die Hinrunde ist beendet. Weiter geht es zum Auftakt der Rückrunde für Magdeburg am kommenden Freitag in Erfurt, Würzburg empfängt am Samstag den SV Wehen Wiesbaden.
Mein persönliches Fazit: Zu Zeiten, in denen mal wieder hinter verschlossenen Türen über reduzierte Gästetickets debattiert wird, zeigen Spiele wie dieses eindrucksvoll, dass der Fußball - speziell in den unteren Ligen - im Fall erheblich verkleinerter Gästekontingente beträchtlich an Ausstrahlungskraft verlieren würde.
(Anmerkung der Redaktion: Der Autor lebt derzeit in Österreich)
Text & Fotos: Tim Seidenberg
Ligen
Benutzer-Kommentare
Wenn ich da noch an Grossaspach denke, mit ihren Klatschpappen...da ist mir Würzburg 100 mal lieber wie die Nasen...
also Klasse halten kickers...und nächstes Jahr kommen wir wieder... :-)
Euer Weihnachtsmarkt war auch schön... BWG
Beste Grüße
Marco