Vor 20 Jahren: FC Berlin und 1. FC Dynamo Dresden trennen sich 3:4 vor 2.000 Zuschauern

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FC BerlinHeute vor exakt 20 Jahren im Sportforum Berlin-Hohenschönhausen. Zwei einstige DDR-Oberligisten, die sich in den 1970er und vor allen in den 1980er Jahren erbitterte Kämpfe um Meistertitel und FDGB-Pokal geliefert haben (unvergessen das Pokalfinale 1985 im Stadion der Weltjugend), begegneten sich am 09. September 1995 im Sportforum. Nicht in der ersten Liga. Und auch nicht vor fünfstelliger Kulisse. Inzwischen mussten weitaus kleinere Brötchen gebacken werden. Gegeneinander gespielt hatten der BFC Dynamo und Dynamo Dresden seit dem 10. März 1991 nicht mehr. Damals konnten die Sachsen im Jahn-Sportpark mit 4:1 gewinnen. Die Zuschauerzahl brach bereits zu jenem Zeitpunkt ein, auch wenn es sich noch um die erste Liga (die letzte Saison der DDR- bzw. NOFV-Oberliga) gehandelt hatte. Der BFC lief nun als FC Berlin mit neuem Logo auf. Ein rot-weißer Ball mit dem Brandenburger Tor drauf. Oben drüber fett geschrieben das „FCB“. Noch schräger sah die vorherige Version aus, die kurzzeitig von März bis Mai 1990 genutzt wurde. Weiß auf Rot wurde der Schriftzug „FCB“ symbolisch in das Brandenburger integriert. Zu abstrakt, der Ball mit dem Berliner Wahrzeichen wurde immerhin ein Hingucker, wenngleich die meisten Fans weiterhin das alte BFC-Logo mit dem Ehrenkranz nutzten.

DresdenAuch bei Dynamo Dresden hatte sich einiges geändert, wenn auch nicht so radikal wie beim DDR-Serienmeister. Aus der Sportgemeinschaft wurde ein „1. FC“. Im Vereinsemblem prangte das Dynamo-D nun auf grünem Untergrund statt auf Weinrot. Aus dem hellen goldigen Orange wurde ein Quitschgelb. Schrittweise kehrte man im Neuen Jahrtausend zu altem Namen und Logo zurück. 2002 wurde aus dem Grün wieder das Weinrot, seit 2011 läuft man wieder als SG Dynamo Dresden auf. In Hohenschönhausen erfolgte die Rückbenennung im Jahre 1999, aus dem FC Berlin wurde wieder der BFC Dynamo. Genutzt wurde auch wieder das geliebte alte Logo. Die Verkaufsrechte hatte der Verein jedoch nicht mehr an diesem Logo. Deshalb wurde 2009 das jetzige runde Logo mit den weinroten Querstreifen und dem Berliner Bären entworfen.

FC berlinZurück zum September 1995. Während der 1. FC Dynamo Dresden von August 1991 bis Frühjahr 1995 Bundesliga-Luft schnuppern durfte, verschlug es den FC Berlin 1991 sogleich in die drittklassige NOFV-Oberliga, die zu jenem Zeitpunkt noch in drei Staffeln aufgeteilt war (der FC Berlin spielte in der Staffel Nord, der 1. FC Union Berlin in der Staffel Mitte). Aufgrund der finanziellen Schräglage stürzte der 1. FC Dynamo Dresden ab und erhielt keine Lizenz für die 2. Bundesliga. Der direkte Durchmarsch von der 1. Bundesliga in die im Jahr zuvor neu geschaffene Regionalliga Nordost erfolgte. In dieser gab es für Dresden in der Saison 1995/96 ein Wiedersehen mit alten Bekannten wie dem FC Erzgebirge Aue (zuvor BSG Wismut), dem FC Sachsen Leipzig (zuvor BSG Chemie), dem 1. FC Union Berlin, dem FC Rot-Weiß Erfurt und dem FC Berlin.

Da sich das damalige Wiedersehen der beiden Dynamos zum 20. Mal jährt, gibt es heute einen ausführlichen persönlichen Bericht. Entnommen wurde dieser aus dem Buch „Zwischen den Welten“, das im September 2014 auf den Markt kam:

DresdenDresden rockte. Das wurde drei Wochen zuvor beim Auftritt des 1. FC Dynamo im Stadion der Freundschaft mehr als deutlich. Über 4.000 Dynamo-Fans hatten ihr Team in die Lausitz begleitet, gerade mal 2.000 Fans  konnte der FC Energie Cottbus auf die Beine stellen. Was für eine Gästekurve! Ein Anblick, der Pipi in den Augen erzeugte. Leider fielen an jenem Sommernachmittag keine Treffer. Einen Torjubel der Sachsen hätte ich zu gern gesehen. 

DresdenMit mindestens 500 Dresdenern war auch beim Auftritt im Sportforum Hohenschönhausen zu rechnen. Voller Vorfreude stieg ich an der Tram-Haltestelle Sandinostraße aus und lief gemütlich zum Eingang des Sportforums. Auf der Fläche vor dem Wellblechpalast, in dem damals der EHC Eisbären vor stimmungsvoller Kulisse den Puck über die Spielfläche sausen ließ, standen ein paar Mannschaftswagen der Berliner Einsatzkräfte. Ich achtete zuerst nicht weiter drauf. Warum auch? Dann schaute ich doch einmal leicht zur Seite und erkannte zwei Polizisten, die mir am Tag zuvor auf der Demo gegenüberstanden. Scheiße noch mal, wie klein kann diese Millionenstadt sein?! Auch sie hatten mich sofort wiedererkannt. Aufgrund meiner blond gefärbten Haare war das auch nicht weiter schwer. Die Ansage erfolgte prompt: „Na, dass man dich hier wiedersieht, ist ja kein Wunder. Einer von diesen hier. Das hätten wir uns gleich denken können!“

BFCNicht mehr, nicht weniger. Keine Drohung. Allerdings genügte dieser Spruch. Denn mir wurde schlagartig bewusst, dass man keineswegs anonym auf Achse ist. Auch nicht in dieser weiten Stadt. Fußball, Eishockey, Demonstrationen. Immer wieder könnte ich auf die gleichen Beamten stoßen. Zumal diese berlinweit eingesetzt werden können – und zwar immer dort, wo es mal brennt. Mir machte das nicht Angst, doch ein mulmiges Gefühl erzeugte das plötzliche Wiedersehen am Sportforum auf jeden Fall. Vielleicht war das auch mit der Grund, weshalb ich mich nicht wie zuvor bei den Spielen gegen Stendal und Aue etwas abseits stellte, sondern mir ein Plätzchen mitten im Pulk in der Kurve – später auch Nordwall genannt – suchte und dort das erste Mal mit den BFCern gemeinsam das Spiel verfolgte. 

BFC2.002 zahlende Zuschauer hatten sich im Sportforum eingefunden, von ihnen drückten wie erwartet rund 500 dem 1. FC Dynamo Dresden die Daumen. Und was für ein Beginn! Bereits in der vierten Spielminute machte Heiko Brestrich, der ja bereits beim Derby im Köpenicker Forst der Antreiber war, das 1:0 für den FC Berlin. Der gut gefüllte BFC-Block tobte vor Freude. Neben mir stand ein BFCer mit schnittiger Frisur, seine weinrote Bomberjacke hatte er in seine Jeans gesteckt. Was für ein sportlicher Haufen! Bomberjacken, auf Anschlag hochgezogene Jeans und Kurzhaarfrisuren – soweit das Auge reichte. Einen Support wie bei Bundesligavereinen gab es hier nicht. Kein Vergleich zur damaligen Kölner Südkurve und zum C-Block im Haberland-Stadion. Im Sportforum wurde punktuell das Team unterstützt. Phasenweise war es mucksmäuschenstill, doch wenn das „Dynamo! Dynamo!“ oder das allseits bekannte „Ein Schuss, ein Tor, ein Dynamo!“ angestimmt wurde, schoss Adrenalin ins Blut. Meine Güte, das klang nach einem Männerchor! Ha, scheiße noch mal, hier bin ich richtig! Genauso hatte ich mir das vorgestellt. Die Drecksspiele gegen Stendal und Aue waren vergessen, die Partie gegen Dresden ließ mich frohlocken ohne Ende. 

BFCEs wurde ein bemerkenswerter Nachmittag. Nur zwei Minuten nach dem frühen Führungstreffer von Brestrich machte Thomas Hoßmang den Ausgleich klar. Dresden bekam Oberwasser und bestimmte zunehmend das Spiel. Nach einer halben Stunde schoss Dariusz Pasieka das 2:1 für Dresden, unmittelbar vor der Pause legte Michael Hecht zum 3:1 nach. In der Heimkurve kehrte Stille ein. Vorerst. Nachdem in der 59. Minute Igor Lazic das 4:1 für die Gäste erzielte, dachte wohl jeder im Rund, dass für die Hausherren nichts mehr holen sei. Denkste! Innerhalb von vier Minuten lochte Niels Mackel in der Schlussphase zweimal ein. Sieben Minuten vor Abpfiff stand es plötzlich nur noch 3:4. Da ging noch was! Der weinrote Mob ging ab. Und ich auch! Am Zaun gerüttelt und das Team nach vorn gebrüllt. Die Berliner drückten und hatten Chancen zum Ausgleich. Manch einer riss sich bei vergebenen Chancen die nicht vorhandenen Haare aus. Oh Mann, jetzt das 4:4 und das Sportforum würde beben! Es war jedoch nichts zu machen, der Ausgleich wollte nicht fallen. Gefeiert wurde trotzdem. Noch eine Uffta mit Klasen und dann nichts wie hin zum Ausgang. Den Sachsen sollte draußen noch ein Abschiedsgruß mit auf den Weg gegeben werden. 

BFCDaraus wurde nichts. Die Polizei war gut vorbereitet und hatte etliche grün-weiße Wannen auf dem Gelände des Sportforums postiert und eine Kette gebildet, die nicht ohne weiteres zu durchbrechen war. Innerlich hoffte ich, dass ein Durchbruch erfolgen würde. Nach der Demo am Tag zuvor war ich heiß und stand einem Scharmützel mit der Polizei durchaus offen gegenüber. Mein Adrenalinspiegel war hoch und ich hatte Blut geleckt. Warum so zaghaft? Einfach rauf da! Ich stand auf dem Hang und schaute mir das Szenario von oben an. Ich machte ein paar Fotos und war bereit für den großen Sturm. Die BFCer blieben jedoch entspannt. Eine Auseinandersetzung in der heimischen Stube wollte gewiss niemand und so wartete der Mob, bis die Beamten endlich den Weg freigaben. Die Dresdener waren zu jenem Zeitpunkt bereits längst am S-Bahnhof Landsberger Allee.   …

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: Fußball in den 1990er Jahren

> zur turus-Fotostrecke: BFC Dynamo

> zur turus-Fotostrecke: SG Dynamo Dresden

> Das Buch "Zwischen den Welten" bei nofb-shop.de

Artikel wurde veröffentlicht am
09 September 2015
Spielergebnis:
3:4
Zuschauerzahl:
2.002
Gästefans
500

Ligen

Inhalt über Liga
Regionalliga

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Richtig stark!
A
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Wird höchste Zeit für ein Wiedersehen!
AD
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Wer steht denn da mit Basecap vorn am Zaun? :-D
O
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