VfL Osnabrück vs. SC Preußen Münster: Fan-Demonstration statt gefüllter Gästeblock

MünsterKeine Gästefans beim Duell VfL Osnabrück vs. SC Preußen Münster sowie beim Rückspiel! Las man am vergangenen Freitag die Berichte in der Osnabrücker Zeitung, so hätte man meinen können, Vereine, Politik und Polizei hatten sich auf Augenhöhe an einen Tisch gesetzt und einstimmig beschlossen, das brisante Duell ohne Gästefans auszutragen. „Das haben die Vereine entschieden und am Mittwochabend bekanntgegeben“, war in der Neuen OZ zu lesen. Nach intensiven Gesprächen wurde keine Alternativlösung gefunden, um die Derbys mit Gästefans austragen zu können, wurde der Geschäftsführer des VfL Osnabrück, Jürgen Wehlend, zitiert. Als sinnvoll betrachtete Alfons Batke in seinem Kommentar den Ausschluss der Gästefans, der zwei Stunden nach dem eigentlichen Bericht bei der Osnabrücker Zeitung online ging.

VfLDer Entscheidung, das Derby in beiden Fällen ohne Gästefans auszutragen, sei der Beifall der Vernünftigen sicher, so Batke in seinem Kommentar. Mit markigen Worten wurde wieder alles herangezogen, was in den letzten vier Jahren alles im Rahmen der brisanten Duelle passiert ist. Fliegende Mülltonnen, Böller und jeweils über 1.000 eingesetzte Polizeibeamte. Herr Batke sieht es als notwendig an, ein Zeichen zu setzen und jene einzubremsen, die ihre Hasskappe einfach nicht absetzen können. Fragezeichen. Stirnrunzeln beim Lesen. Was soll uns gesagt werden? Immerhin darf man mit einem Satz des Kommentares einer Meinung sein - und zwar dem Letzten: "Leider kommt sie (die Entscheidung) auch einer Kapitulation gleich." Aber genau da haben wir es doch. Kapitulieren vor Gewalttätern? Kapitulieren vor der Politik? Vor den Polizeibehörden? Ein Fußballspiel ohne Gästefans - das soll eine kluge Entscheidung sein? Wohl kaum! Und vor allem: Welchen Beifall der Vernünftigen meint er? 

Anders las sich das Ganze in der Erklärung des Fanprojektes Preußen Münster e.V. Unter dem Titel „Hände weg vom Fußball! Gegen Gästeverbote und Repressionen!“ wurden erstaunlich deutliche Worte gefunden. Gleich zu Beginn wird informiert: „Das Bestreben beider Vereine (VfL Osnabrück / SC Preußen Münster) war es, das Derby trotz der Vorfälle aus der Vergangenheit im üblichen Rahmen durchzuführen. Dies wurde von Polizei und der Politik abgelehnt, die Vereine wurden vor folgende Varianten zur Durchführung des Spiels gestellt.“ Diese beiden Varianten hießen: Kompletter Ausschluss der Gästefans. Auf 800 Tickets reduziertes Kontingent. Bei der zweiten Variante hätte es wieder den ganzen Rattenschwanz gegeben: Personalisierte Voucher, die vor Ort gegen die Eintrittskarte getauscht werden können. Eine Kombination mit einer verpflichteten Anreise mit vom Verein organisierten Bussen. 

MünsterDiese Variante hatte den SC Preußen Münster laut Fanprojekt vor ein großes Dilemma gestellt. Bei Gesprächen mit Vertretern der Fanszene, den Fanbetreuern und dem Fanprojekt als Dachverband war schnell klar, dass die Variante mit personalisiertem Voucher und Buspflicht keine Alternative sei. Der Grund: Dieser Zwang schränke die Fans und Bürger des Rechtsstaates in ihrer Bewegungsfreiheit und dem Recht auf Datenschutz maßgeblich ein. So heißt es in der Erklärung des Fanprojektes Münster: „Ein Kritikpunkt ist die Personalisierung, weil einem einerseits die Selbstbestimmung über seine Daten genommen wird, die womöglich an Behörden und andere Stellen weitergegeben werden müssen. Andererseits stellt es für uns auch einen Schritt in die Kriminalisierung dar, wenn man für ein Fußballspiel seine vollständige Identität offenlegen muss. Zudem ist fragwürdig, welcher Zweck eine Personalisierung von Stehplatzkarten bewirken soll, da man sich im Block frei bewegen kann.“ Und was die Bewegungsfreiheit betrifft, heißt es: „Die Bewegungsfreiheit ist ein hohes Gut in einem demokratischen Staat. Mit welchem Recht will der Staat tausenden friedlichen Fußballfans vorschreiben, mit welchem Verkehrsmittel ein Bürger von Stadt A in Stadt B fahren darf?“

Zum Thema Gewalt erklärt das Fanprojekt: „Im Verhältnis zu den hunderttausenden Menschen, die Wochenende für Wochenende Fußballstadien besuchen, ist die relative Anzahl der Verletzten sehr gering. Wir sehen die öffentliche Sicherheit in keiner Weise gefährdet. Als Grund für ein komplettes Verbot von Gästefans wurden erhebliche Verletztenzahlen der Derbys in den letzten vier Jahren angeführt. Von Seiten der Polizei wird von 114 Verletzten gesprochen, wobei die Herkunft der Verletztenzahl sowie deren Ursachen nicht differenziert werden. … Jeder Verletzte ist einer zu viel. Wir verurteilen jede Form von Gewalt. In diesem Zusammenhang sind auch die unverhältnismäßigen Einsätze von Ordnungspersonal und Polizei zu kritisieren, z. B. bei der Einlasssituation im Gästebereich 2013 in Osnabrück, die beinahe in einer Massenpanik geendet wäre. Dennoch gab es viele verletzte Preußenfans mit Quetschungen und Kreislaufproblemen. Das Niedersächsische Innenministerium hat die Vereine vor zwei nicht akzeptable sowie unverhandelbare Varianten gestellt. Den Gästeausschluss durch Politik und Polizei halten wir für unverhältnismäßig und nicht hinnehmbar. Jedes Fußballspiel lebt von seinen Fans und Emotionen!“

MünsterErstaunlich klar auf den Punkt gebracht wird das Ganze unter dem Punkt „Fußball ist Kulturgut. Fußball verbindet Menschen.“ Hier heißt es: „Wir haben das Gefühl, dass mit unserem Derby seitens der Politik ein Präzedenzfall geschaffen werden soll. Für uns ist es der Anfang vom Ende der Fußballfankultur. Wie werden zukünftig Politik und Sicherheitsbehörden bei ähnlich gelagerten Spielen zwischen Köln und Mönchengladbach, Schalke und Dortmund oder Darmstadt und Frankfurt reagieren? … Diese Kultur ist in Gefahr, denn wir haben zunehmend mit immer stärkeren Repressionen bis hin zum kompletten Verbot von Gästefans zu kämpfen. Alle Stadionbesucher sind von diesen Maßnahmen betroffen und werden in Sippenhaft genommen. … In unseren Augen ist es ein Armutszeugnis, wenn die Politik keine anderen Lösungen für das gesellschaftliche Problem der Gewalt findet. Sämtliche Fans werden für das Vergehen einiger weniger bestraft, da ihnen das Stadionerlebnis genommen wird. … Fußball verbindet die verschiedensten Menschen und hat eine integrative Funktion. Das Problem der Gewalt wird durch Verbote von Gästefans nicht behoben, sondern nur in andere Bereiche des Lebens verlagert.“

Am Ende der Erklärung steht geschrieben: „Ein jedes Fußballspiel – und ganz besonders ein Derby – lebt von den Emotionen auf den Rängen, wir wollen laute und bunte Fankurven. Was wir nicht wollen sind Ausschreitungen und Gewalt, aber genauso wenig Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Meldeauflagen für Fans, Großaufgebote von Polizisten in Kampfmontur und noch schlimmer: den kompletten Ausschluss von Gästefans. Hier wird ein falsches Signal an alle Fußballfans vermittelt. Wir fordern Politik und Polizei auf, lösungsorientierte Ansätze zu verfolgen und eine ehrliche Kommunikation mit Fans zu führen, damit Fußballspiele wieder so stattfinden können wie wir es uns alle wünschen: Ohne Gewalt, aber mit Fans, mit Emotionen, mit Fahnen!“

Einen Ausschluss der Gästefans könne und werde man nicht akzeptieren. So wolle man am Tag des Derbys (23. September 2015) gemeinsam mit allen Preußenfans ein entschlossenes Zeichen setzen. Die konkrete Planung einer Demonstration ließ nicht lange auf sich warten. Mit demokratischen Mitteln soll in Form einer friedlichen Demonstration der Niedersächsischen Landesregierung, den Polizeibehörden und der Öffentlichkeit gezeigt werden, was die Anhänger des SC Preußen Münster von den übertriebenen Repressionen gegen Fußballfans halten: Und zwar gar nichts! Hierbei wird betont, dass man nicht nur für die Fanszene von Preußen Münster, sondern auch stellvertretend für sämtliche Fußballfans in Deutschland auf die Straße gehen wird. Angemeldet wurde vom Fanprojekt Preußen Münster e.V. eine Demonstration in der Osnabrücker Innenstadt, die am 23. September 2015 um 17 Uhr starten soll. Das Motto dieser Demonstration: „Innenministerium Hände weg vom Fußball! Gegen Gästeverbote & Repressionen.“

HansaNun darf man gespannt sein. Wird die Demonstration genehmigt? Wird es ein Hickhack um die Demonstrationsroute geben wie einst bei der Rostocker Fandemo in Hamburg-Altona im Jahr 2012? Oder wird das Ganze eine Farce werden wie bei der Demo der Fans von Hannover 96 in Braunschweig? Ein hässlicher, völlig abgeriegelter Käfig direkt in Nähe des Hauptbahnhofes? Das Beschneiden der Demonstrationsrechte?! Oder wird es gar einen Rückzieher geben - wie zuletzt beim Duell SG Dynamo Dresden vs. F.C. Hansa Rostock im Mai dieses Jahres, als eine Rostocker Demo in der Dresdener Innenstadt bereits beantragt war und am Ende doch ein Mittelweg gefunden wurde und 1.700 Hansa-Fans ein nicht personalisiertes Tickets ohne gezwungene Busanreise erhielten. Letztere Variante wäre wünschenswert, allerdings stehen die Zeichen eher auf hitzige Diskussion in Sachen Demo-Route. Kurzum: Das eigentliche Problem wird wieder einmal nur verlagert. Wie so manches in Deutschland dieser Tage …

Fotos: Karsten Höft, Marcus Hengst, Marco Bertram

> zur kompletten Erklärung des Fanprojektes Preußen Münster

> zur turus-Fotostrecke: VfL Osnabrück

> zur turus-Fotostrecke: SC Preußen Münster

Artikel wurde veröffentlicht am
08 September 2015

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G
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Die Jüngeren werden sich vielleicht noch erinnern. Damals, 2008, als es begann ... "War der Versuch des Berliner Polizeipräsidenten, generell allen Anhängern von Dynamo Dresden den Zutritt zum Regionalliga-Spiel bei Union Berlin zu untersagen, ein nur vorerst geplatzter Testballon für zukünftige Szenarien?" - http://meyview.com/der-fussball-fan-als-persona-non-grata/
OM
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K
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G
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Nur der SCP!
S
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G
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