Celuloza Kostrzyn vs. Polonia Slubice: Gästemob, Bengalos, Platzregen und ein Zauberer

PoloniaMobilizacja! Nach längerer Zeit stand mal wieder das Derby Ziemi Lubuskiej an und die Anhänger des MKS Polonia Slubice waren richtig heiß auf den Ausflug ins Stadion MOSiR von TS Celuloza Kostrzyn nad Odra. Die letzten Aufeinandertreffen gab es 1996/97 sowie im Zeitraum 2000 bis 2005. Das letzte Duell konnte Polonia im Rahmen des regionalen Pokals als Außenseiter (eine Liga tiefer) überraschend deutlich mit 6:0 gegen Celuloza gewinnen. Nun hoffte man, dass sich diese Geschichte wiederholen könnte. Beide Städte liegen an der Oder und trennen gerade einmal rund 30 Kilometer. Nachdem beide Vereine als Meister ihrer Staffeln in die Klasa okregowa (grupa Gorzów Wielkopolski) aufgestiegen sind, stand nun in der fünfthöchsten polnischen Spielklasse das mit Spannung erwartete Derby des Lebuser Landes an.

SlubiceDie kurz vor Anpfiff eingetroffene Busladung Gästefans war so heiß auf das Duell, dass sogleich der Heimeingang bedrängt wurde. Nur mit Mühe konnten die paar Ordner und örtlichen Polizisten verhindern, dass mal eben der Mob sich Zutritt verschaffen konnte. Eintritt musste sowieso nicht bezahlt werden, doch für die Jungs aus Slubice stand auf der Gegengerade der für einhundert Mann ausgelegte Gästekäfig zur Verfügung. Nach kurzem Geplänkel, bei dem ein Fan aus Slubice schon halb über das Eingangstor sprang und dem Personal stolz das auf dem Kragen des T-Shirts gedruckte „A.C.A.B“ präsentierte, marschierte die Truppe schließlich die Straße am Bahndamm entlang, um schließlich den bereitstehenden Käfig zu entern. 

SlubiceNicht jeder hatte jedoch Lust auf Käfighaltung. Zwei Jungs aus Slubice stellten sich einfach hinter die Trainerbank der Gäste, andere lieferten sich auf der Wiese vor dem Gästeblock das eine oder andere Wortgefecht. Manch einer wünschte bereits den körperlichen Kontakt mit den postierten Beamten, doch untereinander wurde mitunter aufgepasst, dass man nicht über die Stränge schlug. Personell schien das Ganze recht dünn besetzt, hätte die Heimszene ein bisschen mehr auf die Beine gebracht und mehr provoziert, hätte das Ganze zu jenem Zeitpunkt eskalieren können. Ein geschlossenes Auftreten gab es auf Heimseite jedoch nicht. Traten früher am äußeren Bereich der Haupttribüne ein paar Fans als Ultrà-Gruppierung auf, so gibt es derzeit keinen geordneten Support. Keine Banner, keine Fahnen, kein Gesang. Was nicht heißen soll, dass bei Celuloza überhaupt kein Potential vorhanden war. Geschimpft wurde wie ein Rohrspatz. Die untere Schublade wurde aufgezogen und in Richtung Gästekäfig wurde verbal so einiges geschleudert. Das ganze Repertoire von der Hure über Schlappschwanz bis hin zum vaginalen Ausfluss - es war so ziemlich alles dabei.

SlubiceEin überaus geschlossenes Auftreten gab es indes auf Gästeseite. Angebracht wurde ein Banner mit der Aufschrift „Fanataycy“. Ergänzt wurde dies durch „Wierni i Oddani Slubickiej Polinii - znad zachodniej granici“ (Treue und Ergebenheit - die Fanatischen von der Westgrenze). Fast alle hatten ein schwarzes T-Shirt mit dem Vereinslogo und der Zahl 1945 auf der Brust. Auf der Rückseite wurde unterhalb des Kragens ein blaues „A.C.A.B.“ gesetzt. Mit dabei hatten die Fans des MKS Polonia zudem eine Trommel und eine Portion Pyro, die Mitte der ersten Halbzeit gezündet wurde. Zehn Bengalos, ein paar Böller. Kurz zuvor tuckerte ein alter Regionalzug vorbei und gab ein Signal als Gruß an Celuloza ab. 

KostrzynErstaunlich souverän trat die Mannschaft aus Slubice auf. Celuloza Kostrzyn blieb die ersten drei Saisonspiele ungeschlagen, brachte jedoch am heutigen Tag nur wenig zustande. Vor allem im ersten Spielabschnitt überließen sie das Feld komplett den Gästen. Diese wussten das zu nutzen und gingen bereits in den ersten 45 Minuten in Führung. Jubel im Käfig. Die Schimpfwörter auf der halbwegs ordentlich gefüllten Heimtribüne gingen nun noch tiefer unter die Gürtellinie. Ein paar Jugendliche, sie mögen vielleicht 12 oder 13 gewesen sein, saßen unter dem Dach und schnüffelten an einer Klebstofftüte. Die meisten anderen taten vor allem eins: Sonnenblumenkerne essen. 

PoloniaBewegung kam im Gästeblock Ende der ersten Halbzeit auf. Während strömender, von der Seite kommender Regen einsetzte, rüttelten die Gästefans am Zaun. Der Grund: Auf der Gegengerade wurden die bereits erwähnten Käfig-Boykottierer nun von Polizisten und Ordnern abgeführt. Dass dies zu Unruhe führte, liegt auf der Hand. Einer wurde quer über die Wiese zu einem alten Mannschaftswagen geführt. Und damit an diesem Nachmittag nichts mehr anbrennen würde, rollten in der zweiten Halbzeit drei weitere Mannschaftswagen an. Schilder, Schlagstock und Pfefferspray - alles dabei. Die Polizei stand nun bereit und würde jede weitere Mätzchen unterbinden.

ZaubererSkurril blieb es weiterhin. Ein Zauberer mit schwarzem Anzug, Zylinder, Koffer und Gehstock schaute am Zaun des Gästeblocks vorbei und ließ die etwas verdutzen Polonia-Fans eine Karte ziehen. Später stellte er sich auf die Heimseite und murmelte vor sich hin. Vor dem Stadion rannten vor Abpfiff einige jüngere aufgeputschte Fans quer über die Gleise und stürmten an den überraschten Ordnern vorbei auf das Stadiongelände. Der Regen hatte inzwischen aufgehört und das Spiel auf dem Rasen ging 1:0 zugunsten des MKS Polonia aus. Das zaghafte Aufbäumen der Gastgeber brachte an diesem Nachmittag keine Früchte ein. 

Nach dem Spiel ging es erwartungsgemäß am Gästeblock noch kräftig zur Sache. Die drei extra herangeholten Mannschaftswagen der Polizei sollten sich schließlich nicht umsonst auf den Weg gemacht haben. Überaus rabiat wurden etliche Polonia-Fans festgenommen und in die Wagen gezerrt.

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: Celuloza Kostrzyn vs. Polonia Slubice

Artikel wurde veröffentlicht am
06 September 2015
Spielergebnis:
0:1
Zuschauerzahl:
400
Gästefans
70

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5 Kommentare
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Kommentare
Komisches Schauspiel war das. Rund 50 gestandene Hopper, alle mit der richtigen Nase. Und Slubice enttäuschte nicht. Schade daß es nach Abpfiff wieder Stress gab. Und kacke daß es so derb schiffte. Etliche Heimzuschauer verdrückten sich ja noch vor Halbzeit.
D
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Viele bekamen ein Mandat in Höhe von 1000 zl wegen Pöbelgesängen. Bei einem kommt noch etwas mehr. Spanische Verhältnisse...
E
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G
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Drollig! :-D
G
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G
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