Union Berlin II vs. BFC Dynamo: Weinroter Derbysieg und wilde Szenen auf den Rängen

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Im Vorfeld des Ostberliner Derbys zwitscherten es die Spatzen von den Dächern. Konkretes war nicht zu vernehmen, doch die Vermutung lag nahe, dass es beim Duell der Erzrivalen 1. FC Union Berlin (allerdings die U23) und BFC Dynamo mächtig scheppern könnte. Zum einen hätte man sich vorstellen können, dass die älteren Kaliber aus Berlin-Hohenschönhausen eine Art Abschiedsparty feiern könnten - mit einer klaren Ansage im Stadion An der Alten Försterei. Zum anderen - und das schien eher wahrscheinlich - könnte die „sportlich motivierte“ Fraktion der Eisernen einen Angriff planen. Beim Marsch, im Stadion, nach dem Spiel. Die Unioner seien heiß, war bereits paar Tage vor dem Duell zu hören. Das zeigte sich zum einem beim gut anlaufenden Ticketvorverkauf, das zeigte sich zum anderen bei der Art des Buschfunks. Kurzum: Der Derbytag war eine Überraschungstüte. Das einzige, was wirklich klar war: Es lag etwas in der Luft. 

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2.010 Tickets wurden offiziell an die Anhänger des BFC Dynamo verkauft. Insgesamt strömten am heutigen Nachmittag 8.196 Fußballfreunde ins Stadion An der Alten Försterei - ein tolle Kulisse für ein Viertligaduell. Nach all dem Hickhack bei den vergangenen Aufeinandertreffen der U23 der Eisernen und den Hohenschönhausenern (parallele Ansetzungen, keine Gästefans, etc.), war es seit der Saison 2005/06 das erste Mal, dass die Erzrivalen vor gefüllten Fanblöcken aufeinander trafen. Dass es heute „nur“ die Amateure der Köpenicker waren, konnte man bei der stimmungsvollen Kulisse glatt vergessen. 

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Treffpunkt zahlreicher BFC-Fans war vor dem Spiel der S-Bahnhof Spindlersfeld. Nachdem mit drei, vier S-Bahn-Zügen rund 900 bis 1.000 Fans auf dem Vorplatz eingetroffen waren, setzte sich der Marsch kurz nach 11 Uhr in Bewegung. In erster Reihe wurden weiße Shirts mit der Aufschrift „RUN FCU“ (Unten als Ergänzung: U.N.V.S.U.) in Anlehnung an das „RUN BAK“ präsentiert, weitere optische Akzente blieben indes eher Mangelware. Ein wenig Rauch, ansonsten wurde ganz klar auf Gesangseinlagen gesetzt. Zeit für supporttechnische Aktionen war genügend vorhanden, denn noch waren die Tore des Gästeblocks verschlossen. Nach dem Überqueren der Spree konnte man auf dem Gelände des Mellowparks etliche behelmte Polizisten beobachten, die die dortigen Zäune und Ruinen absicherten. Und auch Beamte in Zivil kundschaften die dortige Gegend aus. Später ließ der Sicherheitsbeauftragte verlauten, dass dort wohl eine Gruppe Fans festgehalten wurde. Ebenso gingen die Blicke auf den auf der anderen Straßenseite befindlichen Wald. Allerdings kam es auch von dort aus zu keinem Angriff auf die heran marschierenden BFCer. Stattdessen hatte ein Union-Fan an einem Stromkasten eine kleine Begrüßung in Form einer Mini-Pyroshow auf Lager.

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Da es kurz vor 12 rings um das Stadion noch ziemlich ruhig war, verlief auch das Überqueren der Straßenbahngleise und das letzte Stück zum Eingang des Gästebereichs ziemlich problemlos. Während an der dortigen Tankstelle ein paar mit dem Auto angereiste Gästefans noch ein Bier tranken und ein Pläuschchen hielten, traf gegen 12:15 Uhr ein weiterer Marsch ein. Die old-school-Fraktion des BFC Dynamo traf von der Polizei begleitet von der Lindenstraße aus kommend an der dortigen Tankstelle ein. Keine Probleme, alles ganz entspannt. Ob das auch später so bleiben würde, war zu jenem Zeitpunkt natürlich noch völlig offen. Immerhin: So ziemlich jeder Gästefans hatte das Stadion erreichen können. Allerdings gab es auf sämtlichen Seiten Personen, die Pech hatten und vor Absperrungen standen. Auf einer Straße soll wohl massig Glas gelegen haben, so dass zuerst die BSR diesen Abschnitt reinigen musste.

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Im Stadion gab es auf beiden Seiten einen ähnlichen Anblick. Die Kleidungsfarbe Schwarz bestimmte das Bild und an den jeweiligen Zäunen wurde jeweils ein großes Banner aufgehängt. Auf der Waldseite wurde das lange „1. Fußballclub Union Berlin“ befestigt, im Gästebereich wurde das weinrote „Unioner kniet nieder, wir seh´n uns immer wieder!!!“ hervorgeholt und dem Heimpublikum präsentiert. Mit dabei war auch das alte legendäre Banner „Berliner Fußballclub“, dessen Stoff inzwischen marode ist. Inmitten der Massen wurde es kurzzeitig hochgehalten. Blickfang war in einer oberen Ecke sicherlich der Begriff „Fotz**“, der als Union-Logo eingearbeitet wurde. Auf weitere Provokationen wurde verzichtet. Auf der Waldseite hatte man zwei Spruchband-Aktionen vorbereitet, die bei manch einem im Stadion für ein Schmunzeln sorgte. Zum einen war „Kategorie C-Tarif … wenn der Schummelmeister über die Dörfer tingelt.“ zu lesen, zum anderen hieß es im zweiten Spielabschnitt: „Mythos BFC: Disko-Prolls, McFit-Opfer und Gerüstbauer. Hauptsache mehr Shirts im Schrank als Heimspiele.“ Die Anspielungen dürften klar sein. Zum einen ging es um den C-Tarif des VBB (einstige Oberligaspiele in Strausberg, usw.), zum anderen wurde auf die Tatsache angespielt, dass es gefühlt zig zehntausende BFC-Fans in der Stadt gibt, wenn man all die BFC-Shirt-Träger als Grundlage nimmt.

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Auf dem Rasen entwickelte sich ein offener Schlagabtausch, bei dem bis zur Pause keine Treffer fallen wollten. In der zweiten Halbzeit waren acht Minuten gespielt, als Martin Zurawsky den Ball in den Kasten der Eisernen bugsieren konnte. Freudiges Ausrasten im Gästeblock, das Bier flog literweise in Richtung Spielfeld. Inmitten des Bierregens kletterten etliche Fans auf die Zaunkraune, die Fäuste geballt, die Augen weit aufgerissen. Sollte heute der erste Derbysieg seit ziemlich langer Zeit gelingen? Es blieb spannend, und es wurde noch spannender, nachdem BFC-Kapitän Björn Brunnemann in der 71. Minute mit Gelb-Rot vom Platz musste. Die Union-Spieler witterten nun Morgenluft. Und manch ein halb vermummter Fan auf der Waldseite schien auch etwas zu wittern. Die dort entstehende Bewegung war unübersehbar. Keine Frage, dort braute sich was zusammen. Und richtig! Quer über die Haupttribüne rannten etliche Unioner in Richtung Gästeblock.

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Häufig ist zu hören, dass rund 50 auf der Haupttribüne sitzende siegesfreudige BFC-Fans der Grund für diese Attacke war. Vermutlich war es eher eine der geplanten Aktionen, die von langer Hand geplant wurden. Schaute man sich das Epizentrum an der Ecke der Waldseite an, war unschwer zu erkennen, dass dort ein ordentlicher, motivierter Haufen stand, der sich nun am Rande zwischen den Tribünen Gefechte mit der Polizei lieferte. Von einem versuchten Sturm des Gästeblocks kann indes nicht gesprochen werden. Ja, vielleicht wollte man die weinrote Anhängerschaft aus der Reserve locken und zu einem Platzsturm motivieren, doch ein „Sturm“ des Gästeblocks hätte in einem klaren Fiasko geendet. Der BFC-Anhang hing an den Zäunen, bewahrte jedoch - nicht zuletzt aufgrund der 1:0-Führung - Ruhe und verblieb im Block. Zahlreiche behelmte Einsatzkräfte enterten den Rasen und sorgten für ein spektakuläres Bild. Einige Minuten später zogen sich diese jedoch wieder zurück, und nachdem auch an der Ecke der Waldseite halbwegs Ruhe eingekehrt war, konnte das Spiel glücklicherweise fortgesetzt werden. 

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Der BFC Dynamo brachte in Unterzahl die knappe Führung über die Zeit und startete nach Abpfiff eine große Party. Die grenzenlose Freude stand Spielern und Fans in die Gesichter geschrieben. Mit einem Megaphon in der Hand leitete Björn Brunnemann in durchaus gekonnter Manier die Uffta an, anschließend musste der Gästeanhang noch etliche Minuten im Block verharren. So weit so gut und sicherlich ein übliches Mittel, um draußen vor den Stadiontoren ein wenig Spannung rauszunehmen. Allerdings war es das Ganze nicht wert. Denn nun kam es auf Treppen und Ausgangstoren zu Drängeleien und Schiebereien, bei denen zahlreiche hineinströmende polizeiliche Einsatzkräfte massiv Pfefferspray und Schlagstock zum Einsatz brachten. Als auch noch weißer Rauch den Vorplatz des Gästeblocks vernebelte, drohte das Ganze komplett zu Eskalieren. Die Folge: Zahlreiche Verletzte mussten zu den Sanitätern gebracht werden. Neben den üblichen Augenreizungen (Reizgas-Einsatz) gab es etliche blutende Wunden im Kopfbereich zu beklagen. Ein Fan hatte gleich zwei Verletzungen: Eine klaffende Wunde am Hinterkopf, dazu noch fließendes Blut aus Mund und Nase. Zu recht darf hinterfragt werden, wozu dieser Polizeieinsatz gut war?! (Das wird in den kommenden Tagen genauer aufgearbeitet)

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In der Folge herrschte verständlicherweise eine gewisse Anspannung beim Sammeln zum Abmarsch in Richtung S-Bahnhof Spindlersfeld. Es kam zu Festnahmen, am Rande des Geschehens ließ manch einer seine Wut an Gegenständen und Ordnern aus. Unter dem Strich verhältnismäßig ruhig - trotz einzelner Provokationen von herumstehenden Union-Fans - ging es anschließend nach Spindlersfeld, von wo aus der BFC-Anhang in Richtung Innenstadt abreisen konnte.

Verletzte  

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Union Berlin

> zur turus-Fotostrecke: BFC Dynamo

Artikel wurde veröffentlicht am
16 März 2015
Spielergebnis:
0:1
Zuschauerzahl:
8.196
Gästefans
2010

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Das war ein feiner Tag
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K
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Sehr schön BFC...Glückwunsch zum Sieg gegen den unsympathischen Klub aus Köpenick...grüße aus Schweden...
G
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Uniformiertes Rowdytum in Reinkultur seitens der Staatsmacht, die grundlos ihre Muskeln spielen ließ, in Gesichtshöhe knüppelte und aus 1-2 Metern gezielt in Augen und Mund pfefferte.

Ansonsten ein netter Fußballtag im Kreise von Gerüstbauern, MC Fit-Opfern und Disco-Prolls.

Sport frei!
I
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