Hertha BSC vs. SC Freiburg: Sonniger Fußballnachmittag mündet in Tristesse

MB Updated 17 Februar 2015
Hertha BSC vs. SC Freiburg: Sonniger Fußballnachmittag mündet in Tristesse

HerthaAus Berliner Sicht fing der Fußballnachmittag bei schönstem Sonnenschein recht vergnügt an, endete jedoch bei Dämmerung in totaler Tristesse. Auflösungserscheinungen auf dem Rasen und den Rängen. Beim Stand von 0:2 hämmerte ein Hertha-Spieler kurz vor Schluss den Ball ins Nirgendwo. Ein Sinnbild für die im „6-Punkte-Spiel“ abgelieferte Leistung. Die Ostkurve hatte längst den Support eingestellt. Etliche Zuschauer hatten sich bereits auf den Weg zu U- und S-Bahn gemacht. Nachdenkliche Gesichter in der U2 nach dem Spiel. Wofür hatte man sich überhaupt in die Schüssel gesetzt? Wofür sein Geld ausgegeben? Hätte ein Spaziergang mit seinen Liebsten irgendwo im Grünen nicht mehr Sinn gemacht? Bei echten „Rotten-Spielen“ kann das Olympiastadion unfassbar viel Kälte und Trostlosigkeit ausstrahlen. Keine Frage, rockt das Spiel, rockt das Publikum - kann auch dieses weite Rund durchaus nett sein. Wenn jedoch alles einknickt, fühlt man sich auf den weit entfernten Rängen ziemlich einsam und irgendwie fehl am Platze. Doch der Reihe nach.

HerthaDie Devise des gestrigen Sonntags: Unters Volk mischen. Mal wieder zu Hertha gehen. Und nicht in den Innenraum, auf die Pressetribüne oder gar in den Gästeblock (um anreisende Fanszenen unter die Lupe zu nehmen), sondern ganz normal in den Heimbereich. So wie ich es früher zu tristen Zweitligazeiten Anfang und Mitte der 90er des Öfteren tat. Um alte Erinnerungen zu wecken, wurde die U-Bahnlinie 2 genommen. Vom Kaiserdamm bis Olympiastadion. Den Verbotsschildern der BVG zum Trotz wurde ein Schluck aus der Bierflasche genommen. In der Tat wird inzwischen in der U-Bahn viel weniger als in der S-Bahn getrunken. Fiel mir zumindest an jenem Nachmittag auf. Am U-Bahnhof Olympiastadion hoch die Treppe und am dortigen Verkaufsstand vorbeigeschaut. Die Zeit schien stehengeblieben zu sein. Blau-weißes Material en masse. Ohne offizielles Vereinsemblem versteht sich. Die Schals wirken teilweise wie der letzte Husten, doch das eine oder andere bedruckte Kapuzenshirt hätte ich mir mit Anfang 20 vielleicht auch gekauft. 

LeergutGanz entspannt ging´s zum Vorplatz des Olympiastadions. Wie im vergangenen Jahr sorgen auch in diesem Februar erste Sonnenstrahlen für gute Frühlingslaune. Die aufgebauten modernen Kioske sind denen aus den schmuddeligen 90ern überhaupt nicht ähnlich, doch das gesellige Beisammensein vor dem Spiel erinnert durchaus an alte Zeiten. Zumal auf dem gegenüberliegenden Parkplatze ganze Bierkästen rausgeholt werden. Kein Wunder, denn die Preise der Büdchen sind nicht ohne. Eine Wurst oder ein Flaschenbier für drei Euro - oha! Leere Schnapsflaschen wiesen daraufhin, dass manch einer sogar eine Druckbetankung vornahm. Und es gab weitere Kuriositäten zu sehen. Ein älterer Mann mit roter Union-Tüte in der linken Hand sammelte Leergut ein und sorgte für den einen oder anderen Lacher. Vor dem Stadion reihten sich zudem zahlreiche Bierbecher vor einem aufgestellten Leergutcontainer. Volle Becher! Manch einem muss es einfach zu gut gehen. 

AFreiburgb an die Kasse und hinein! Für 23 Euro war beim Kellerduell gegen Freiburg ein recht vernünftiges Oberrang-Ticket zu bekommen. Beim Rundgang um das Stadion weckte der Gästezugang das Interesse. Einem angetrunkenen jungen Breisgauer wurde vom Ordnerdienst das Ticket abgenommen. Mit barschen Worten wurde das Hausrecht durchgesetzt. Los komm, wir haben nicht viel Zeit! Ehe sich der Sportclub-Fan versah, wurde er zum Ausgang gebracht. Da konnte auch der Mitarbeiter des Freiburger Fanprojektes nichts ausrichten. Ein herbeigekommener Kumpel schon mal gar nicht. Inzwischen wurde das mitgebrachte Material der Freiburger Ultras inspiziert. Plastikstangen. Fahnen. Folie und Stoffe. Von der Gruppe wurde es anschließend vom Eingang des Stadiongeländes hinüber zum eigentlichen Zugang des Gästeblocks geschleppt. Dort wurde nochmals an den Plastikstangen geschüttelt. Als wenn in der Zwischenzeit eine Ladung Pyro vom Himmel hätte einschweben können. Na ja, kennt man ja. Ist auch nicht weiter viele Worte wert. Als Anfang Vierziger muss ich da sagen: Mir würde als junger aktiver Fußballfan dieses ganze wöchentliche Theater mit den Ordnern und den Einsatzkräften mächtig auf die Ei-ei-ei … ach lassen wir das lieber.

SCZum Spiel: Was die angereisten Fans im away-Winkel des Olympiastadions zauberten, war durchaus annehmbar. Schließlich hat der SC Freiburg bekanntlich nicht die größte Szene des Landes und die Entfernung zwischen Schwarzwald und Berlin ist ja auch nicht ohne. Ganz unten hing ein großes Banner. „Sport Club Freiburg e.V.“ Dazu die Botschaft: „It´s only football, but I like it!“ Dazu wurden rund 70 rot-weiße Fahnen aus Folie geschwenkt. Eine simple Sache, die aber recht gut zur Geltung kam. Auf der Heimseite zeigte anfangs die Ostkurve eine durchschnittliche Leistung. Nicht überragend, aber es handelte sich ja auch nicht um einen Kracher, bei dem man als Fanszene gegen Schalke 04 oder Borussia Dortmund erhöhte optische und akustische Präsenz zeigen muss. Die Ostkurve war wie immer gut gefüllt und die Mitmachquote bei Schal-Einlagen, usw. war durchaus okay. Dass inzwischen das restliche Publikum - im Gegensatz zu alten Zeiten - nicht mehr gewillt ist, sich punktuell am Support zu beteiligen, muss nicht noch einmal betont werden. Ja, etwas Wehmut kommt auf, wenn man an die Zeit Ende der 90er denkt, als auch mal aus anderen Ecken ein kraftvolles „Ha Ho He!“ anschwoll und für Gänsehaut sorgte.

HerthaUnd das Geschehen auf dem Rasen? Aus Berliner Sicht: Eine Katastrophe! Ideenlos wurde das Spiel abgespult. Torchancen waren Mangelware und selbst, als die Mannschaft in Rückstand geriet, war kein wirkliches Aufbäumen zu erkennen. Jammerschade, denn mit Pál Dárdai haben sie an der Linie - was das Menschliche angeht - einen prima Mann. Als Spieler hat man ihn überaus angenehm in Erinnerung. Ein Spieler, der immer ehrliche Arbeit abgeliefert hatte. Kein Wunder, dass er von 1997 bis 2011 der ersten Mannschaft von Hertha BSC treu blieb - und treu bleiben durfte. Umso bitterer, dass sein Heimdebüt als Hertha-Trainer gegen recht munter aufspielende Freiburger völlig in die Hose ging. Der SC Freiburg ging taktisch klug zu Werke und ging nach 14 Minuten nicht unverdient mit 1:0 in Führung. Zwei-, dreimal probierten die Berliner fix über die Flügel was ordentliches auf Beine zu stellen, zu mehr hatte es in der ersten Halbzeit nicht gereicht.

HerthaUnd auch in der zweiten Halbzeit gab es auf Berliner Seite Magerkost. Kein Wunder, dass die Verkäufer mit den bereits dreiviertelvollen Plastikbechern etwas ratlos durch die Reihen liefen. Richtig Durst auf vier Euro teures Bier hatte die meisten nicht mehr. Nachdem in der 52. Minute die Freiburger auf 2:0 erhöhen konnten, wurde es noch stiller auf den Rängen. Lethargische Blicke in Richtung Spielfeld. Manch einer beschäftigte sich lieber mit seinem Smartphone. Gegen Ende hin stellte auch die Ostkurve den Support komplett ein. An einer Stelle gab es noch ein paar Diskussionen mit einigen Ordnern, an anderer Stelle lichtete sich sogar die Kurve der treuesten Anhänger. Saft- und kraftlos ging das Ganze gegen 17:20 Uhr zu Ende. In der U-Bahn saß ein Mann mit 20 Schals an der Hüfte auf seinem Platz und starrte auf die Tabelle. Vorletzter! Nur der VfB Stuttgart steht derzeit noch schlechter da. Als nächstes geht es zum Tabellenzeiten VfL Wolfsburg, danach ist der FC Augsburg zu Gast. Sportlich große Kaliber, fantechnisch eher nicht Rock´n Roll. Hertha BSC wird es nicht leicht haben, aus dieser Talsohle herauszukommen. Allerdings hatte der 2:0-Sieg zuvor in Mainz gezeigt, dass es auch Überraschungen geben kann …

Foto: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: Hertha BSC

> zur turus-Fotostrecke: SC Freiburg

Artikel wurde veröffentlicht am
16 Februar 2015
Spielergebnis:
0:2
Zuschauerzahl:
37.617
Gästefans
1000

Ligen

Inhalt über Liga
1. Bundesliga

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