Borussia VfB Neunkirchen: Spurensuche beim einstigen Schalke des Südwestens

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MB Updated 23 Februar 2015
Borussia VfB Neunkirchen: Spurensuche beim einstigen Schalke des Südwestens

Garde NoireIn irgendeinem Fanzine stach es mir Anfang der 90er Jahre ins Auge: „Borussia Neunkirchen. Das Schalke des Südwestens.“ Neunkirchen - das klang, in einer Zeit vor Internet bzw. Wikipedia, mysteriös und geheimnisvoll. Wo mag wohl dieses Neunkirchen liegen? Im Saarland! 1. Bundesliga in den 60er Jahren? 1964/65 ein Zuschauerschnitt von über 21.000 im altehrwürdigen Ellenfeldstadion?! Ein Stadion, das als eines der ältesten Schauplätze des deutschen Fußballs gilt. Inzwischen wird dort seit über 100 Jahren Fußball gespielt. Dazu die Stadt: Neunkirchen, das berühmt wurde für seine Eisenindustrie. Kohle, Stahl und Eisen. Dazu ein Fußballverein, dem es einst gelang, eine hohe Identifikation mit der Mannschaft zu schaffen. Keine Frage, in den 60ern entstand dort in Neunkirchen ein Mythos. Kein Wunder, dass Max Klein im Buch „Höllenglut an Himmelfahrt. Die Geschichten der Aufstiegsrunden zur Fußball-Bundesliga 1963- 1974“ vom „Schalke des Südwestens“ sprach.

NeunkirchenSpurensuche rund um das  Ellenfeldstadion. Während unser Fotograf Arne Amberg sich auf den Weg nach Neunkirchen gemacht hatte, um die verschneite Spielstätte abzulichten, wurde parallel dazu im world wide web nach den Spuren des 110 Jahre alten Borussia VfB e.V. Neunkirchen/Saar geforscht. Am 24. Juli 1905 wurde dieser Verein als Fußball-Club Borussia 1905 ins Leben gerufen. Zwei Jahre später wurde mit zwei weiteren Vereinen zur Borussia Verein für Bewegungsspiele e.V. fusioniert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Verein als VfB Neunkirchen neu gegründet, am 26. Juli 1951 nahm dieser wieder seinen alten Namen an.

NeunkirchenIn der 1963 neu gegründeten Bundesliga war noch kein Plätzchen frei für Borussia Neunkirchen. Aus dem Südwesten fanden der 1. FC Saarbrücken und der 1. FC Kaiserslautern den Weg ins Fußballoberhaus. Als Meister der Regionalliga Südwest (damals zweithöchste Spielklasse) durfte Neunkirchen 1964 in der Aufstiegsrunde teilnehmen. In dieser konnte nach eher schwachem Start Dank der Auswärtssiege beim FC Bayern München, beim FC St. Pauli und gegen Tasmania Berlin der Sprung in die Bundesliga gepackt werden. Zu den Heimspielen dieser Aufstiegsrunde kamen im Schnitt sage und schreibe 27.600 Zuschauer! Und das in einer Stadt, die in der Gegenwart gerade einmal rund 46.000 Einwohner hat. Bei den Regionalliga-Spielen zuvor pilgerten im Schnitt 3.657 Fans ins Ellenfeldstadion.

NeunkirchenDie Euphorie konnte mit in die Erstligasaison genommen werden, 21.333 Zuschauer strömten im Schnitt zu den Heimspielen der Bundesliga-Saison 1964/65. Neunkirchen konnte die Klasse halten. Vor heimischer Kulisse konnten unter anderen Eintracht Frankfurt mit 4:0, der MSV Duisburg mit 4:2 und der TSV 1860 München mit 3:0 bezwungen werden. Und das mit einer Mannschaft, deren Spieler hauptsächlich aus der Region stammten. Deutscher Meister wurde damals der SV Werder Bremen, Letzter wurde der FC Schalke 04. Zurück in die Regionalliga musste allerdings Hertha BSC aufgrund des Lizenzentzuges. In der Folgesaison fehlten Neunkirchen am Ende zwei Punkte, um die Klasse zu halten. Gemeinsam mit Tasmania Berlin ging es wieder eine Etage tiefer.

NeunkirchenKein Problem. Wieder wurde Borussia Neunkirchen - unterstützt von im Schnitt 8.200 Zuschauern - Meister der Regionalliga Südwest. Das „Schalke des Südwestens“ zurück in der Bundesliga. Und wieder stärkten im Schnitt über 21.000 Zuschauer der Mannschaft daheim den Rücken. Allerdings nutzte es nichts, der Kader war zu schwach und besonders auswärts war in jener Saison nichts zu holen. Ein einziger Punkt konnte in der Ferne (0:0 beim Hamburger SV) eingefahren werden. Diese eklatante Auswärtsschwäche konnte mit der einen oder anderen guten Heimpartie (3:1 gegen Hannover 96, 3:2 gegen Borussia Dortmund) nicht ausgeglichen werden. Als Tabellensiebzehnter verabschiedete sich Borussia Neunkirchen aus dem Fußballoberhaus. Und das für immer. Zwar gab es in der Folgezeit noch mehrere Anläufe, doch eine Rückkehr in die 1. Bundesliga war nicht mehr geglückt. Immerhin konnte Neunkirchen 1974/75, 1978/79 und 1980/81 in der 2. Bundesliga spielen. In der Staffel Süd der Zweiligasaison 1980/81 wurde Neunkirchen nur Vorletzter, gerade einmal 2.636 Zuschauer wollten im Schnitt die Heimspiele sehen. 

NeunkirchenIn der Folgezeit verschwand Borussia Neunkirchen in den Niederungen des Amateurfußballs. 1991 klopfte der Verein noch einmal am Tor zum Profifußball an. Als Oberligameister nahmen die Neunkirchener an der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga teil. In der Gruppe 1 waren der TSV 1860 München, Hessen Kassel und der 1. FC Pforzheim die Gegner. Noch einmal wehte der alte Geist durch das Ellenfeldstadion. So pilgerten am 02. Juni 1991 immerhin 7.000 Zuschauer zum Heimspiel gegen Hessen Kassel. Frank Süs konnte in der in der 64. Minute für Neunkirchen ausgleichen, am Ende blieb es beim 1:1. Nicht mehr als ein Hoffnungsschimmer. Sieglos beendete Neunkirchen als Letzter diese Aufstiegsrunde. Der Traum von der Rückkehr in den Profifußball war geplatzt.

NeunkirchenImmerhin konnte 1994/95 in der neu geschaffenen Regionalliga Südwest durchgestartet werden. Gegner wie Alemannia Aachen, Arminia Bielefeld, Rot-Weiss Essen und der Wuppertaler SV lockten mitunter 3.500 Fußballfreunde ins Stadion. Mit einem achtbaren achten Platz konnte die Spielzeit abgeschlossen werden. Düster sah es indes in der Folgesaison aus. Rang 18 nach dem 36. Spieltag. Fünf Siege standen 22 Niederlagen gegenüber. Ein letztes Mal gelang der Sprung in die Regionalliga im Frühjahr 2002. Allerdings endete die Saison 2002/03 in der Regionalliga Süd als Katastrophe. Drei Siege aus 36 Partien. Als abgeschlagener Letzter musste der bittere Weg zurück in die Oberliga angetreten werden. Kurios: Damals musste der FC Rot-Weiß Erfurt als einziger Ost-Verein in der Regionalliga Süd spielen. Ebenso kurios: Genau dort konnte Neunkirchen seinen einzigen Auswärtssieg einfahren. 1.255 Zuschauer wurden am 07. Juni 2003 Zeuge dieses unter dem Strich völlig wertlosen Erfolges. Die Erfurter Spieler waren wohl in Gedanken bereits in den Ferien.

NeunkirchenInsolvenz bei Borussia Neunkirchen. Harte Zeiten, die jedoch überstanden werden konnten. Allerdings wurde 2005 aus finanziellen Gründen auf den Aufstieg in die Regionalliga verzichtet. Seitdem ist die Oberliga das sportliche Zuhause. Beim letzten Heimspiel in der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar kamen gegen den SV Röchl. Völklingen am 06. Dezember 2014 exakt 282 zahlende Zuschauer. Diese bekamen ein 2:2 zu sehen. In der Tabelle befindet sich Neunkirchen derzeit im Niemandsland. Keine Abstiegsgefahr, aber auch keine reelle Möglichkeit mehr ganz oben angreifen zu können. Schade, denn zu Beginn der Saison gab es gewisse Hoffnungen. Nach dem Remis zum Auftakt wurden 520 Zuschauer Zeuge des 2:1-Sieges gegen den SC 07 Idar-Oberstein. Die Euphorie war im Herbst jedoch recht schnell verpufft. 

NeunkirchenEinen Hoffnungsschimmer gibt es jedoch noch: Der Saarland-Pokal! Im Viertelfinale muss Borussia Neunkirchen am 25. März 2015 beim SV Saar 05 Saarbrücken antreten. Im Falle eines Sieges könnten der FC Homburg oder gar der 1. FC Saarbrücken der Gegner sein. Gut möglich, dass zu solch einem Duell auch die Älteren der Fanszene mal wieder am Start sein werden. Vorneweg sicherlich die Garde Noire!

Fotos: Arne Amberg, Claude Rapp

> zur turus-Fotostrecke: Borussia Neunkirchen

 

Artikel wurde veröffentlicht am
10 Februar 2015

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G
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Sehr gut geschrieben! Schade dass es beim Verein gerade drunter und drüber geht.
G
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G
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S
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