Unweit der ukrainisch-polnischen Grenze befindet sich die Stadt Przemysl mit seinen 65.000 Einwohnern. Kaum eine Stadt in Polen ist so genau eingeteilt wie dieser Ort. Nördlich des Flusses San befindet sich die Neustadt mit den Siedlungen und südlich die Altstadt mit dem Schloss und dem Hauptbahnhof. Przemysl hat zwei Fußballklubs. Polonia spielt überregional in der 4. Liga und Czuwaj nur auf Landesebene. Die Sympathie-Gebiete werden ebenfalls vom Fluss San geteilt. Den nördlichen Teil bewohnen viele Fans vom ehemaligen Eisenbahner-Verein „Czuwaj“. Während man sich 2008/09 noch auf Augenhöhe mit Polonia befand, kickt Czuwaj jetzt nur noch in einer Liga mit den umliegenden Ortschaften. Richtige Highlights fehlen. Polonia zieht jetzt die Leute an. Auch mit Wisla Krakow an der Seite sind die Verhältnisse in der Stadt eher Polonia zugeneigt. Czuwaj war auch aktiv in dieser Hinsicht – man hat jetzt eine freundschaftliche Beziehung zu Zaglebie Sosnowiec.
Vom Hexenhaus und Fan-Gebietsaufteilungen an der ukrainischen Grenze
An einem warmen Sommertag trifft man sich im Stadion von Czuwaj zu einer festlichen Veranstaltung. Nun bereits zum 10. Mal gedenkt man des Todestages von Trainer Jacek Bednarz. 150 Leute lockt das an. Hier spielt heute das damalige Czuwaj-Team gegen eine bunte Auswahl von Czuwaj. Die Verbissenheit fehlt logischerweise ein wenig, da hier etwas ganz anderes im Vordergrund steht als der sportliche Erfolg. Skurril wirkt der Anblick des Stadions. Die Tribüne des Stadions ist einzigartig. Während man die modernen Bauten kaum noch voneinander unterscheiden kann, findet man hier ein Musterbeispiel der traditionellen Stadionbau- Ästhetik. Der Vergleich ist so banal wie passend – wir haben es hier mit einer Tribüne zu tun, die aus einem russischen Märchenfilm stammen könnte. Im Hintergrund bilden die Fassaden der Wohnblöcke eine große graue Wand.
Während das Spiel (Sieger Czuwaj neu) vor sich hin plätschert, sammeln sich doch noch ein paar Leute auf der gegenüberliegenden Seite. Die Ruhe des Sommertages wird plötzlich durch ein „Es war, wird sein und existiert: Czuwaj KKS“. Danach folgen einige weitere Lieder. Die Lautstärke ist für diese Anzahl von 47 Leuten enorm. Wer meint, dass die aktuellen WM-Spiele das Maß aller Dinge sind, wird bei Czuwaj eines Besseren belehrt. Die liebevoll vorgetragenen Lieder drücken Verbundenheit und Hingabe aus, während die Lieder bei der WM begrenzt und doch niederen Niveaus sind. Das Alternativ-Programm zur Weltmeisterschaft glückte somit wieder einmal, da hier die Züge in so einem Takt fuhren, sodass ein Schauen des WM-Finals nicht mehr möglich war. Und mal ehrlich: Auch wenn man es nicht gesehen hat, verpasst hat man auch nichts! Auch von den Karnevals-Leuten, die sich Deutschland-Fans nennen und doch (in vielen Fällen) keine sind, fehlt hier an der Grenze zur Ukraine zum Glück jede Spur.
Danke Czuwaj für einen niveauvollen WM-Abend!
Fotos: Michael
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Polen fetzt wie Sau.