Hose runter, Knüppel raus: Polizeigewalt beim polnischen Fußball

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R Updated 23 November 2020
Polizei in Polen

PolizeiRückblick auf die Vorfälle am Rande des Fußballspiels Vulcan Wólka Mladzka gegen Hutnik Warszawa am 31. August dieses Jahres. Inzwischen ist bereits einige Zeit ins Land gezogen, doch noch immer ist das, was nach der Partie der Landesliga (Warszawa-Gruppe I) passiert ist, bei Hutnik in aller Munde. Zu unfassbar ist das, was sich in einem Waldstück nahe Otwock abgespielt hatte. Wovon sprechen wir eigentlich? Von Weißrussland? Von Polizeiwillkür in einer Militärdiktatur? Nein, von Polizeigewalt in einem EU-Staat. Im Nachbarland Polen! Abseits der großen Bühne. Geschützt und somit von Außenstehenden nicht gesehen in einem Wald.

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An dieser Stelle lassen wir die Betroffenen zu Wort kommen, die der turus-Redaktion einen polnisch-sprachigen Augenzeugenbericht zuschickten. Wir ließen diesen Text von einer Muttersprachlerin übersetzen:
 
PolizeiAm 31. August 2013 nach unserem Treffen haben wir beschlossen, zu unserem geliebten Spiel der Hutnik-Mannschaft aus Bielany zu gehen. Einige fuhren von uns fuhren mit dem Auto, ein Teil nutzte gemeinsam die Busse des öffentlichen Nahverkehrs (zirka 20 Personen). Wir beschlossen, dass wir uns am Stadion in Wolka Mlądzkiej (nahe Otwock) treffen. Auf uns wartete eine Person, die uns zum lokalen Stadion führen sollte (ein Kilometer lange Strecke durch den Wald). Als wir am Stadion ankamen, haben wir uns wieder mit dem Rest der Truppe getroffen. Es war eine sehr fröhliche und angenehme Atmosphäre, so dass auch der Präsident des lokalen Clubs kam, um uns für die gute Stimmung, die wir bei dem Spiel machten, zu bedanken. Das Spiel endete 2:0 für Hutnik Warschau – ein sehr gutes Ergebnis.
 
Auf dem Rückweg fuhren wieder ein paar Leute mit dem Auto und eine Gruppe von 12 Personen (7 Jugendliche und 5 Erwachsene) nahm auf gleiche Weise wie bei der Hintour den Weg durch den Wald nach Hause. Mitten im Wald wurden wir durch bewaffnete Polizisten gestoppt. Vor Ort waren drei große und vier kleinere Polizeiwagen – bis zum Rand gefüllt mit Beamten. Sie befahlen uns anzuhalten. Sofort liefen zirka 25 bis 30 Polizisten auf uns zu. Einer von ihnen schrie uns an: „Besser nicht weglaufen, sonst lassen wir unsere Hunde frei!“
 
Als einer von uns fragte, warum wir angehalten werden, wurde er sogleich vom Kommandanten der Truppe und fünf weiteren Polizeibeamten mit Elektroschocker, Polizei-Schlagstöcken und Teleskop-Schlagstöcken behandelt. Skrupellos wurde unser Freund vor den Augen der Jugendlichen (13 bis 16 Jahre alt) gefoltert bzw. misshandelt. Nach zwei Minuten Non-stop-Schlägerei stellte einer von uns die Frage: „Was tun sie da? Warum tun sie das?“ Auch dieser Freund wurde sofort geschlagen. Alle anderen mussten sich das anschauen. Von den Polizisten wurden wir informiert, dass das bei uns genauso enden könne. Diese Worte waren auch an die Minderjährigen gerichtet. Von den Polizisten wurden wir durchsucht. Dokumente und Telefone wurden kontrolliert. Jugendliche wurden dabei ständig psychisch mit Fragen gequält.
 
Wenn einer von uns schaute, was sie tun, haben die Polizisten uns sofort informiert, dass wir das nicht machen sollen, sonst enden wir genauso" - diese Worte waren auch an Minderjährige gerichtet. Sie haben  unsere Telefone, Unterlagen und Dokumente sowie uns selbst durchsucht. Die Polizei hat ständig Jugendliche psychisch mit Fragen und Beleidigungen gequält. Nach diesen „warmen“ Worten hat sich die Polizei auch auf unseren Jüngsten (13 Jahre alt) zubewegt und ihm Fragen gestellt: „Achtung! Gerade stehen! Warst du noch nie in der Armee? Noch nie beim Militär?“
 
Währenddessen haben Polizisten unsere Freunde, die weiterhin ständig geschlagen wurden, hinter die Fahrzeuge geschleppt, damit wir die weiteren Qualen nicht mehr sehen konnten. Derselbe Polizist, der auch den 13-jährigen angeschrien hatte, näherte sich nun zwei weiteren Jugendlichen (16 Jahre alt). Diese wurden vom Schlagstock im Genitalbereich getroffen. Nach einer Weile befahl er ihnen, sich auszuziehen. Die Jugendlichen haben sich bis zur Unterhose ausgezogen und der Polizist befahl: „Zieht eure Hose runter!“ Den Jungs war die ganze Situation sehr peinlich und der Polizist trat einen von ihnen gegen das Bein. Die völlig Verängstigten zogen die Unterwäsche aus und die Polizisten befahlen ihnen, Kniebeugen zu machen. Die Beamten haben die beiden durchsucht und als sie nichts finden konnten, durften sie sich endlich wieder anziehen.
 
Das Ganze dauerte bereits etwa 15 Minuten und wir haben die Schreie der Freunde gehört, die (hinter den Fahrzeugen) Opfer der Polizeigewalt wurden. Nach zirka 25 Minuten haben die Schreie der Kameraden aufgehört, stattdessen konnten wir folgendes Gespräch hören: „Scheiße, ich bin aber echt müde vom ganzen Schlagen geworden!“, „Und ich habe meinen Stock an diesem Hurensohn beschädigt!“, „Ich bin echt sauer, weil ich bereits den Grill angezündet hatte. Und jetzt komme ich zu spät!“ Ständig erfolgten in unsere Richtungen Beleidigungen  und Drohungen.
 
Zwei unserer Freunde wurden schließlich verhaftet. Einige Zeit blieb unklar, wie lange sie in Haft blieben mussten. Zwei Erwachsene, die Alkohol (drei Bier) getrunken hatten, wurden auch festgenommen, jedoch kurze Zeit später wieder auf freien Fuß gelassen. Ein Erwachsener, der nüchtern war, unterschrieb eine Erklärung, dass er die Verantwortung für die jugendlichen Fans übernimmt. Einer von uns konnte unseren Vorsänger, der nicht zum Spiel gehen konnte, anrufen. Er hatte wiederum mit mehreren Bekannten telefoniert, die Klamotten, Essen und einen Transport organisieren konnten. Glücklicherweise haben wir geschafft, den letzten Bus zu bekommen und so kamen wir (bis auf die Festgenommenen) später zu Hause an. Wir waren völlig schockiert über das, was im Wald geschah. Sind wir Banditen? Nein, wir sind der Meinung, dass die größten Schläger Uniformen anhaben!

Derzeit steht Spółka Sportowa Hutnik Warszawa Spółka z ograniczoną odpowiedzialnością – kurz Hutnik Warszawa – auf Rang eins der Liga okręgowa, grupa Warszawa I. 15-mal ging Hutnik während der 16 Saisonspiele als Sieger vom Platz, einmal wurden die Punkte geteilt. Zuletzt gab es gar einen 10:1-Sieg bei Mazur Radzymin. Nach der Winterpause steht am 22. März 2014 das Heimspiel gegen Dolcan II Ząbki an. Der Aufstieg in die IV Liga dürfte nur noch Formsache sein. Zumindest aus sportlicher Sicht können die Jungs von Hutnik somit wieder lachen...

Fotos: Basti (Archivbilder aus Bobolice)

> zur turus-Fotostrecke: Fußball in Polen

Artikel wurde veröffentlicht am
22 November 2013

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