Kurs Ost-Nordost! (Persönlicher) Rückblick auf’s Fußballjahr 2025

Kurs Ost-Nordost! (Persönlicher) Rückblick auf’s Fußballjahr 2024

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Zeiten ändern sich. Zu den Hochzeiten - sagen wir mal zwischen 2009 und 2015 - hätte ich mit meinen persönlichen Jahresstatistiken in Sachen Fußball auf den heutigen Hopper-Apps was her machen können. Kreuz und quer ging es durch’s Land, ab und an wurde in den Nachbarländern vorbeigeschaut. Fandemos, Fanmärsche und brisante Spiele waren für mich das A & O, zur Erweiterung des Horizonts wurden in Berlin noch ein paar Demos mitgenommen. Für den Erhalt des Kulturbetriebs, gegen etwaige Polizeigesetze, gegen die Räumung des Gebäudes XY.

Es ist ein Ding, dass die oben erwähnte Jahreszahl 2015 nun bereits satte zehn Jahre her ist. Zehn Jahre! Gestern gerade plauschte ich mit jemanden in einem Café nahe der Leinestraße in Berlin-Neukölln über die von Lok-Fans gezogene Notbremse am alten Bahnhof Leutzsch nach dem Auswärtsspiel in Markranstädt. Alter Schwede! Was für Adrenalin! Die ersten Lokis standen bereits auf den Gleisen, ein paar vermummte Chemiker huschten in einiger Entfernung über verlassene Gleise. „Heute knallt’s!“ Unvergessen die Titelseite des „Express“ vor dem Duell 1. FC Köln vs. Bayer 04 Leverkusen irgendwann Anfang der 90er Jahre. Diese Schlagzeile fiel mir prompt ein, als ich im März 2015 mit im Regio saß, und Lok Bock auf Chemie hatte. Geknallt hatte es nicht, allerdings gab es eine große polizeiliche Kontrolle am Leipziger Bahnhof.

2015 - das war für mich eines der wildesten Fußballjahre. Mal abgesehen von meiner Zeit im Rheinland kurz nach dem Mauerfall. Nur eine Woche nach dem Lok-Spiel gab es volle Kapelle beim Duell 1. FC Union Berlin II vs. BFC Dynamo, und auch die Aufeinandertreffen zwischen Rostock und Magdeburg hatten es in jenem Jahr in sich. Gefühlt war ich jede Woche an einem Schauplatz, an dem es hitzig wurde. Magdeburg gegen Zwickau, Dresden gegen Dortmund, RB II gegen Lok Leipzig, Magdeburg gegen BFC, Halle gegen Rostock, Dresden gegen Rostock. Dazu der Kampf für den Erhalt der Fanrechte / Fankultur, der Kampf gegen Verbände, Polizeiwillkür und die negative Berichterstattung bei manchen Medien.

2015! Mal eben zehn Jahre her! Verrückt hoch 65! Ich glaube, am Ende hatte bei mir der Corona-Wahnsinn sehr viel verändert. Das ganze Hin und Her brachte mich beim Fußball völlig aus dem Tritt. Ein gehöriges Portiönchen Lust am Fußball ging wohl für immer verloren. Und nichts desto trotz gab es auch während Corona ein paar Highlights. Vor allem mit dem F.C. Hansa Rostock! Kiez-Begehung auf St. Pauli, Aufstieg im Frühjahr 2021 gegen den VfB Lübeck, all die in kleiner Runde vor dem Fernseher gesehenen Partien! Der 3:0-Auswärtssieg zum Auftakt bei Hannover 96 im August 2021, die beiden Heimsiege gegen den FC St. Pauli! Herrlich! Hansa ließ das innere Fußballfeuer weiterhin brennen!

Eigentlich schrieb ich die vergangenen Jahre keine Rückblicke mehr. Warum? Ganz einfach! Weil über das Jahr hinweg nicht mehr genug Holz aufgeschichtet wurde. Ich merkte schnell, dass das Level von 2014 oder 2015 nicht mehr gehalten werden konnte. Corona gab dann den Rest. Aber gut, zum Jahreswechsel 2024/25 fragte ich mich dann doch: Was hatte ich eigentlich im vergangenen Jahr mitgenommen? Am Ende ist es ja dann doch mehr, als man auf Anhieb auf dem Schirm hat.

Na dann man tau! Kurz hinein ins Jahr 2024, das unter dem Strich ziemlich anstrengend und beschwerlich war, aber selbstverständlich schöne Augenblicke hatte. War es vor zehn oder 15 Jahren noch die tägliche Berichterstattung für turus.net, das meinen Arbeitsalltag geprägt hatte, so prägte in jüngerer Vergangenheit vor allem das Arbeiten an meinen Büchern das Leben. Sollte „Kaperfahrten II - 65 Grad Kurs Ost-Nordost“ bereits Ende 2023 rauskommen, so gab es noch einmal eine große Planänderung - der Inhalt wurde noch einmal deutlich geändert und der Fokus verschob sich deutlich -, und das gute Stück kam kurz vor Weihnachten 2024 aus dem Druck.

Anfang 2024 dauerte es ein Weilchen, bis ich das erste wirklich relevante Fußballspiel besucht hatte. Die Sonderzugfahrt der Fans der BSG Chemie Leipzig zum RL-Duell bei den Amateuren des F.C. Hansa Rostock lockte zur eigenen Sause gen Küste. Die rund 1.300 Chemie-Fans unter den insgesamt 2.600 Zuschauern sorgten für eine 1a Stimmung im Gästeblock des Ostseestadions und durften am Ende einen 3:2-Auswärtssieg feiern. Schade, dass die Profis des FCH parallel auswärts in Osnabrück spielen mussten.

Nur wenige Tage später sah ich schon wieder die Chemiker - und zwar dieses Mal beim BFC Dynamo. „Der BFC und sein Sportforum: Nur gemeinsam einigermaßen erträglich!“, war auf einem Spruchband im Gästeblock zu lesen. Der Spielbericht bot Anlass, auch über das Mommsenstadion (Stichwort EM 2024) und den Wackerplatz (Stichwort Gemütlichkeit am Freitagabend) zu berichten.

Und wenn wir schon bei den Berliner Fußballschauplätzen sind: Mitte Februar ging es mit den eigenen Kindern und rund 120 anderen Hansa-Fans zum Auswärtsspiel beim ebenso abstiegsbedrohten Berliner AK. Hansa II spielte gut, verlor jedoch mit 1:2. Es deutete sich an, dass die Amateure in der folgenden Saison wieder in der NOFV-Oberliga spielen würden. Zudem drohte ja so oder so der Abstieg der Hansa-Profis von Liga zwei in Liga drei.

Bis auf ein paar Berichten vom Schreibtisch aus geschah nicht allzu viel bis zum 08. April 2024. An jenem Tag wollten über 2.000 Fußballfreunde das Lichtenberger Derby zwischen dem SV Lichtenberg 47 und Sparta Lichtenberg 1911 sehen. Die 47er legten gut los, konnten das Duell mit 3:0 für sich entscheiden und durften sich weiterhin Hoffnungen in Sachen Aufstieg machen. Am Ende war es jedoch Hertha Zehlendorf, das in die Regionalliga aufstieg.

„Alles wie in einem surrealen Traum“, titelte ich nach dem Besuch des mit Spannung erwarteten Zweitligaspiels Hertha BSC vs. F.C. Hansa Rostock Mitte April. Überraschend friedlich ging es rund um das Olympiastadion zu. Wie einst in alten Zeiten belagerten die Gästefans die Lokalitäten und hoben die Tassen. Im Stadion selbst sorgten die rund 25.000 Hansa-Fans für mächtig Rauch und anfangs prima Stimmung. Dass die Stimmung in der genial gefüllten Gästekurve am Ende nicht mega bombastisch wurde, lag an der Tatsache, dass Hertha mal eben mit 4:0 gewinnen konnte. Wer konnte ahnen, dass bei Hansa eine Niederlagen-Serie sondergleichen folgen würde - und das saisonübergreifend!

Als Zuschauer besuchte ich Ende April das Duell SV Babelsberg 03 vs. FC Energie Cottbus (0:3 vor 6.709 Zuschauern) und das irre Spiel FC Energie Cottbus vs. 1. FC Lokomotive Leipzig (4:3 vor 11.500 Zuschauern), als Pressevertreter nahm ich das Aufstiegsspiel der Lausitzer bei Hertha BSC II mit. 10.500 Zuschauer (rund 9.000 Energie-Fans) hatten sich im Berliner Jahn-Sportpark eingefunden. Es hieß auch für mich Abschied nehmen vom altehrwürdigen JSP. Noch einmal war ich im Innenraum und fotografierte und filmte die Aufstiegsfeier von Energie Cottbus. Auf ein späteres Abschrauben von den grünen, roten oder gelben Plastiksitzen verzichtete. Ich wollte das Stadion in Erinnerung behalten, als dort Feste gefeiert wurden.

Kiek mal an! Zur Europameisterschaft 2024 erfasste mich dann doch auch mal wieder das einstige Fußballfiber zu großen Veranstaltungen. Den Fanmärschen sei Dank! Zweimal begleitete ich in Berlin die niederländischen Fans gen Olympiastadion, zudem schaute ich in Leipzig beim Duell Österreich vs. Türkei vorbei.

Die österreichischen Fans liefen schließlich die gleich Route ab wie einst die Hansa-Fans vor dem Drittligaspiel bei RB Leipzig im Herbst 2013. Schöne Sache! Das hatte definitiv Spaß gemacht. Beim EM-Finale schaute ich schließlich auf dem Berliner Breitscheidplatz vor Anpfiff bei den englischen Fußballfreunden vorbei, wurde recht fix warm und ließ es kräftig laufen. Auf die alten Zeiten in den 90ern, als ich mit dem schneeweißen Trikot mit den Three Lions mal gern zur Ausbildung und ins VHS-Kolleg stiefelte.

Die Saison 2024/25 läutete ich mit einem Besuch beim DFB-Pokal-Duell Hansa Rostock vs. Hertha BSC ein. Viel Bier mit Alexander am Haltepunkt und grasende Meerschweinchen vor der Roten Erde - leider gab es gegen die Alte Dame wieder mächtig Gegentore. 1:5 lautete der Endstand vor 25.600 Zuschauern. Grausig! Der Abend wurde allerdings dann doch noch adrett Dank der Bierrunde auf Heiko Neuberts Datsche.

Der Herbst 2024 stand bei mir ganz klar im Zeichen der Fertigstellung von Kaperfahrten II - 65 Grad Kurs Ost-Nordost“. So stand unter anderen ein last-minute-Interview mit der Trainer-Legende Heinz Werner (89 Jahre alt), der bei mir gleich um die Ecke wohnt, an. Eine Erlösung war zudem der Rostocker 4:1-Sieg gegen die SpVgg Unterhaching. Es war sage und schreibe der erste Sieg seit dem 05. April 2024 in Form eines 3:1 gegen Wehen Wiesbaden! Wenig später schrieb Heiko Neubert nach dem Sieg gegen Osnabrück: „Der schwarze Rabe ist weggeflogen!“ Nach dem Trainerwechsel fand Hansa Rostock mit Bravour in die Erfolgsspur zurück.

„Ohne W-Lan habt Ihr keine Chance!“, riefen indes die BFC-Fans beim Landespokalspiel gegen Delay Sports, das derzeit in der Berliner Kreisliga A am nächsten Aufstieg arbeitet. Ausverkauftes Sportforum und ein 12:0-Sieg des BFC Dynamo - trotz empfindlicher Kälte wurde der Nachmittag durchaus unterhaltsam.

Mein letztes Spiel des Jahres (im Stadion) war die Partie Energie Cottbus vs. Hansa Rostock, die auch einige Erinnerungen im Geiste hervorholte. Hansa zeigte vor allem in der ersten Halbzeit vor ausverkauften Rängen (17.000 Zuschauer) eine klasse Leistung, musste sich jedoch am Ende mit 1:3 geschlagen geben.

Ein happy End im Jahr 2024 gab es allerdings noch für Hansa Rostock! Als letztes Pflichtspiel im deutschen Profifußball des Jahres ging die Drittligapartie gegen Hannover 96 II über die Bühne, und da auch der Gästeblock an Heimfans verkauft werden durfte, fanden sich sage und schreibe 29.000 Hansa-Fans (und vier H96-Fans) im Ostseestadion ein. Da Kaperfahrten II bereits aus dem Druck war, verbrachte ich Nachmittag und Abend bei diversen Pläuschchen in der Vereinsgaststätte Rote Erde.

Eine Viertelstunde vor Abpfiff zog ich dann zur Nordseite des Ostseestadions und bekam dann in der 90. Minute den Jubel zum 1:0-Siegtreffer zu hören! Mega! Mit dem Handy in der Hand filmte ich die brachiale Stimmung - wann hat man dazu schon mal die Gelegenheit?

Euch allen wünsche ich ein gesundes, erfolgreiches und erlebnisreiches (Fußball-)Jahr 2025! Vorgemerkt: Am 31. Januar 2025 um 19 Uhr lese ich aus Kaperfahrten II in der Vereinsgaststätte Rote Erde, am 22. Februar 2025 wird es eine Lesung im Hafenkontor der Weinhandlung Schollenberger geben!

Infos zum neuen 512-seitigen Buch „Kaperfahrten II - 65 Grad Kurs Ost-Nordost“ auf www.marco-bertram.de

Bei Interesse am Buch kann auch einfach eine Mail direkt an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. geschickt werden!

Fotos: Marco Bertram, Heiko Neubert, Udopia Zwickau

Artikel wurde veröffentlicht am
13 Januar 2025

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