Polnische Knallerbsen & VIP: Groundhopping in Cluj und bei Rapid 1923

Polnische Knallerbsen & VIP: Groundhopping in Cluj und bei Rapid 1923

Es wird mal wieder Zeit Tacheles zu reden. In Zeiten von Klimawandel und Flugshaming gibt es angebrachte und auch völlig unnötige Flugreisen und natürlich gibt es auch noch unsere Reise nach Rumänien, die sich in beide Sparten einreihen lassen könnte. Selbstverständlich und da müssen wir gar nicht lange um den heißen Brei herumreden, entstand diese Idee während der Verköstigung einiger Flaschen Pils. Weil acht Tage Italien eventuell zu eintönig werden könnten, entschieden wir uns also in aller Frühe für einen Flug nach Cluj.

Gegen 1 Uhr ins Mailänder Hostelbett gefallen, um 5 Uhr zum Bahnhof aufgebrochen und gegen 8.30 Uhr die WizzAir-Maschine betreten. Die Übergänge sind fließend und über Jahre hinweg einstudiert. Jahr für Jahr, Reise für Reise, stellt man sich immer wieder die Frage, wofür man sich diese Reisen eigentlich noch antut. Allerdings sind die Erlebnisse und Anekdoten auch nach acht Jahren Groundhopping immer noch erstrebenswerter als ausreichender Schlaf und Luxus.

Tatsächlich bot uns der frühe Donnerstagmorgen auch noch eine positive Nachricht, als unsere Unterkunft einen zeitigeren Check-In bestätigte und wir somit nicht mehr überleben mussten, wie wir am Besten noch drei Stunden in Cluj über die Zeit bringen. Das Zimmer selber sehr gemütlich, wenngleich auch für heterosexuelle Männer auf Langzeitreise nicht zwingend geeinigt. Auf der kleinen Terrasse unterhalb des Erdbodens staubten wir auch den ein oder anderen Blick der einheimischen Bevölkerung ab, die es wohl nicht zwingend gewohnt waren dort auf biertrinkende Deutsche zu treffen.

In den Abendstunden brachte Taxifahrer Vlad uns sicher zum "Radulescu-Stadion", der Heimstätte des CFR Cluj. Wir probierten im Vorfeld unser Glück und sicherten uns eines der wenigen übrig gebliebenen Tickets im VIP-Sektor und wurden vor Ort, wie hätte es auch anders sein sollen, maßlos enttäuscht. Ranzige aussortierte Kinositze mit Getränkehaltern, in denen wir uns ausschließlich alkoholfreie Getränke einklemmen konnten, die wir außerdem auch noch bezahlen mussten. In Rumänien hat man wohl ein anderes Grundverständnis für einen "VIP-Gast", denn wir haben auch bis heute noch keinerlei Schimmer, weshalb wir nun 25 Euro mehr zahlen müssten als der Rest des Stadions.

Angekündigt wurde ein ausverkauftes Haus. Ähnlich wie in Perugia blieb aber auch in Cluj einer der Blöcke komplett und zwar der Oberrang in der Kurve. Eine Kurve in welcher sich die heimischen und gegnerischen Ultras die Hand reichen können. In eben jener Kurve fanden sich rund 500 Anhänger der Laziali ein, die ebenso nichts besseres mit ihrer Zeit anzufangen wussten wie wir. Vom Support der Römer hat man auf unserer Position jetzt nicht ganz so viel wahrgenommen, aber zumindest in der letzten Viertelstunde gaben die Jungs mit den fehlenden Oberteilen reichlich Gas.

Die "Peluza" aus Cluj überraschte supporttechnisch auch ein wenig und zwar quantitativ sowie auch qualitativ. Immer wieder konnte das Stadion mitgerissen werden und sorgte damit zumindest für ein wenig Unterhaltung. Über das Spiel benötigt man nicht viele Worte, das Spiel endete torlos, Lazio zog in das Achtelfinale der Conference-League ein.

Nach einem Ruhetag in Bukarest und einer etwas größeren Sightseeing-Tour erwartete uns noch ein würdiger Abschluss der Reise. Der Staffelleiter der ersten rumänischen Liga hatte ein Einsehen mit unseren Gelüsten und präsentierte uns zum Samstagabend noch ein Heimspiel von Rapid 1923 Bukarest. Bereits während der völlig überteuerten Taxifahrt vom Otopeni-Airport in die rumänische Hauptstadt (63 Euro für 35 Minuten Fahrt, zusätzlich 40 Minuten Fußmarsch zur Unterkunft, weil er uns in der falschen Straße abgesetzt hat), wurde ein wenig vom fußballerischen Stil Rapids geschwärmt. Rumäniens Spielerlegende Adrian Mutu soll seinen Anteil daran haben, denn er steht nun mittlerweile seit einigen Jahren als Trainer an der Seitenlinie.

Auch bei Rapid erwartete uns ein sehr gut gefülltes Stadion und ein etwas gruseliger Weg zum Stadion. Innerhalb von 30 Minuten durchquerten wir mehrere dunkle und verlassene Gassen und zu guter letzt auch noch ein paar übel riechende Brückenunterführungen. Das extrem moderne Stadion inmitten dieses Viertels passte nun nicht ganz so optimal ins Bild.

Nach 67 vergeblichen Anläufen das Ticket zu entwerten und einer weiteren alkoholfreien Angelegenheit am Cateringstand wurde das Stadioninnere begutachtet. Knapp 200 Gäste aus Targoviste und fast ebenso viele "Schwenker" in der Heimkurve. Die Atmosphäre über 90 Minuten hinweg fantastisch und durchgehend lautstark mit hoher Mitmachquote. Zu Beginn der zweiten Hälfte wurden auch mehrere kleinere Knaller auf das Feld geworfen, die wir liebevoll als "polnische Knallerbsen" betitelten. Auch unser Taxifahrer wurde in sauberer Meinung bestätigt, denn von all den Spielen in den vergangenen zehn Tagen war dies eines sehr ansehnlichsten, wenngleich wir dennoch extrem lange auf einen Treffer warten mussten.

Ein Foulelfmeter und ein erzwungenes Eigentor ließen die Massen schlussendlich aber zufrieden nach Hause pilgern und erwecken zumindest weiterhin die Hoffnung auf einen Platz in den internationalen Rängen. Nach dem gestrigen Auftritt würde ich es dem Verein tatsächlich von Herzen gönnen.

Und das war es dann auch schon wieder. Zehn Tage Vollgas in drei verschiedenen Ländern. Zehn Tage bestes Wetter, ohne Regen und ohne Schnee. Und warum wähle ich diese Worte zum Schluss? Genau, weil unser Pilot gerade eine Wetterprognose für unseren deutschen Ankunftsort abgab und diese eher nach dem Gegenteil klangen.

Bericht & Fotos: schwarze_natascha" (externer Link zu Instagram)

Artikel wurde veröffentlicht am
28 Februar 2023

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