Statt "Ein Kessel Buntes" oder "Rauchende Colts" in der hundertsten Wiederholung gab es für die Fernsehkieker am Sonnabendabend wieder eine viel bessere Alternative, denn Hansa wurde kostenlos im TV übertragen. 2.500 Hansafans haben keinen Fernseher zu Hause, sodass sie extra nach Braunschweig reisen mussten. Viele waren mit Zug, Auto oder Bussen angereist. Am Parkplatz vor dem Gästeblock parkten sogar zwei Busse mit polnischen Kennzeichen. Das erinnerte mich an unsere ersten Busreisen ab 1990, wo einige Busunternehmen nur "Einfahrtsfliegen" blieben. Wir waren jung, laut und durstig.
Braunschweig vs. Hansa Rostock: Unsere Heimat ist der Ostseestrand
Der Eingang zum Gästeblock war in Braunschweig echt ein Witz, denn er bestand aus zwei abgeteilten Eingängen, welche einen Durchgang von einem halben Meter ließen. Enge und Fülle führten dann schnell zum Drängeln und Schubsen. Vermeidbar! Das Stadion der Eintracht gefiel mir nicht, denn eine sichtbehindernde Laufbahn ist nicht fanfreundlich. Das gegenüberliegende Tor war gefühlt 200 Meter entfernt.
Hinter diesem Tor hatten sich auch die Ultras des BTSV platziert. Hier gab es wohl einen vorgezogenen Stimmungsboykott zum WM "Kater". Dem schloss sich auch der Rest des Heimpublikums an. Ich dachte, in Braunschweig brennt die "Hamburger Straße", aber hier war so viel Alarm der Zuschauer wie bei Aldi am Montagmorgen in aller Frühe.
Das ganze Gegenteil stellte der Gästeblock dar. Unsere drei Capos dienten als Animateure (mein Nachbar Frank fragte mich, ob die von Hansa bezahlt werden), und wirklich alle machten durchgehend Stimmung. Besonders der Song "Unsere Heimat ist der Ostseestrand" wurde gefühlt die ganze zweite Hälfte gesungen.
Zum Anpfiff wurden wir alle etwas geräuchert, aber für die Fernsekieker sah es bestimmt toll aus. Im Gästeblock auch viele "alte" Fans. "Alte" bedeutet hier für mich Oberligafahrer. Auch wir waren ja alle mal Capo, Einpeitscher und Allesfahrer. Damals in der Fanmasse unvergleichlich kleiner. Mit 100 Hansafans in Jena oder nur 20 in Mainz! Auch als über 50-jähriger kann man sich wieder in die eigene Jugendzeit zurückversetzen. Da störten mich dann der Qualm und die Bierdusche nicht.
Zum Spiel auf dem Rasen oder passend zum Song am Ostseestrand. Hansa traf heute Abend auf Braunschweig am Ostseestrand. Die Niedersachsen tobten sich die ersten 45 Minuten im Ostseesand aus, während die Hansaspieler bei Bockwurst und einer Flasche Hafenbräu die Niedersachsen beobachteten und spielen ließen.
Nach der Pause war es aber bei uns vorbei mit dem Bau von Kleckerburgen, denn Kapitän Patrick hatte genug von der Faulenzerei und hatte ein paar Ideen für seine Crew. Wir zeigten den Braunschweigern 20 Minuten lang, wer von der Ostsee kommt und wurden mit dem 1:0 durch Matrose Svante belohnt. Danach setze sich unsere Kogge wieder in den Strandkorb und beobachtete und verhinderte die Ausgleichsbemühungen der Niedersachsen.
Am Gästeblock wurde mit unserer Mannschaft ausgiebig der Auswärtssieg gefeiert. Eigentlich könnte es doch gleich so weiter gehen, aber wir müssen uns bekanntlich bis Ende Januar gedulden. Dazwischen freuen sich sicherlich unsere Amateure über einen Besuch und heimlich (wie früher Westfernsehen) schauen wir ja dann alle auch noch die WM.
Bericht: Heiko Neubert (Fankogge)
Fotos: Heiko Neubert, Torsten Völker, Jens
> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock
Anmerkung: Im Frühjahr 2023 wird Band II von "Kaperfahrten" auf den Markt kommen. Gleiches Format - gleiche Dicke. Zeitlich wird es teilweise weiter zurückgehen und es wird mehr Interviews geben. Mit drin sein werden auch die Aufstiegssaison und die besten Spiele der beiden zurückliegenden Zweitliga-Spielzeiten. Noch liegen ein paar Wälzer von Band I "Kaperfahrten - Mit der Kogge durch stürmische See" auf Lager. Greift zu! Weihnachten kommt ja bald...
> Infos & Kaufmöglichkeit des Hansa-Wälzers "Kaperfahrten - Mit der Kogge durch stürmische See"