BSG Stahl Brandenburg vs. BSC Süd 05: Augenpipi, Gänsehaut und Derbysieg!

BSG Stahl Brandenburg vs. BSC Süd 05: Augenpipi, Gänsehaut und Derbysieg!

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„Ob in Dresden oder Rostock, in Leipzig oder beim BFC. In jeder Stadt im Osten, hat man unsere Farben gesehen. In Köln und in Hamburg, selbst in Göteborg und Coleraine brannte das Stahlfeuer, wir werden weiterleben …“ Da war sie wieder die Gänsehaut! Boah, welch ein geiles Gefühl, den legendären Song „Stahl Feuer“ von Fauxpas im Stahl-Stadion (Stadion am Quenz) zu hören! Mein lieber Scholli - das packte wieder ganz gewaltig. 14:30 Uhr - noch waren es 30 Minuten bis zum Anpfiff, und noch füllten sich die Ränge immer mehr. Die Haupttribüne galt bereits vor dem Spiel als ausverkauft, nun galt es, die Kurve zwischen Sprecherturm und Anzeigetafel mit Leben zu erfüllen.

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Und das wurde sie! Schon bald schien es, als sei man plötzlich irgendwie in die Zeit Ende der 1980er zurückgesaust, als die BSG Stahl Brandenburg in der DDR-Oberliga eine gute Rolle gespielt und sogar Auftritte auf europäischem Parkett hatte. Die Zuschauerzahl zu schätzen, war aufgrund fehlender aktueller Vergleichswerte im Stadion am Quenz relativ schwer. Ich vermutete irgendwas um die 3.000, doch spielte die Zahl auf dem Papier auch keine Mandoline. Wichtig war, dass wieder Musike drin war.

 

Anfangs wurde der Anpfiff aufgrund des Andrangs um 15 Minuten nach hinten verschoben, daraus wurden dann sogar 30 Minuten. Die Schlange war einfach zu lang. Die Mannschaft der BSG Stahl machte sich noch einmal warm, putschte sich richtig auf und drehte klatschend eine Runde an der Fankurve vorbei. Heute galt’s. Die Mannschaft in Blau war bis in die Haarspitzen hoch motiviert. Geballte Fäuste, weit geöffnete Augen. Stahl Brandenburg war in Derby-Stimmung. Die Jungs von Brandenburg Süd sollten geschlagen werden. Ohne wenn und aber. 

 

Es knisterte. Die Augen wurden feucht. Meine Güte, dermaßen hatte mich eine Gesamtatmosphäre lange nicht mehr geflasht! Was gibt es Genialeres, als nach so vielen Jahren die Ränge bei einem alten Traditionsverein, der sportlich in der Landesliga Brandenburg versunken ist, wieder zum Leben erwacht erleben zu dürfen. Ich liebe Auferstehungen. Es erfüllt mich mit Glück, wenn Vereine wie die SG Dynamo Schwerin und die BSG Stahl Brandenburg endlich mal wieder was reißen können oder auch der Standort Frankfurt (Oder) wieder - wie am Donnerstag beim Testspiel gegen Hertha BSC - mit Leben erfüllt und die Fußballgeschichte wieder spürbar wird.

 

Bei Stahl Brandenburg kommt noch die Einzigartigkeit des Stadions hinzu. Die markante Haupttribüne, die flache überdachte Gegengerade, der Sprecherturm, die Anzeigetafel, die alten Zäune, die Gebäude im Hintergrund - all dies versprüht einen Charme, der einen an DDR-Oberliga, 90er Jahre, aber auch an polnischen Fußball erinnern lässt. Die Mischung ist der Knaller und ließ die Zunge schnalzen. 

 

Als um 15:30 Uhr die Stahl-Spieler aus den Katakomben kamen, rannten sie nach der Begrüßung am Mittelkreis nochmals kurz zur Fankurve und explodierten quasi vor Adrenalin und Vorfreude. In der Heimkurve wurde eine Blockfahne hochgezogen, im Gästebereich wurden rot-weiße Fähnchen geschwenkt und roter Rauch zum Wabern gebracht. Im Anschluss erfolgte in der Heimkurve eine Zündung nach der anderen. Weißer Rauch, blauer Rauch, rote Fackeln. Mal einzeln, mal alles zusammen. Es qualmte quasi die gesamte Partie immer irgendwas. Hinzu kam, dass die beiden Vorsänger auf dem Zaun es schafften, die Fans zu einem passablen Support zu animieren. 

 

Man bedenke, wir sprechen hier von einem Verein, der in den letzten Jahren in Brandenburg-Liga und Landesliga vor 150 bis 400 Zuschauern kickte und auswärts von 30 bis 100 Fans begleitet wird. Keine Frage, stets klein, aber fein. Aber mal aus dem Stegreif zum Derby eine Fankurve zu schaffen - das hat schon was! Es schien, als seien all die Jahre Unterklassen-Tristesse nie dagewesen. „Stahl! Feuer!“, hallte es immer wieder über den Platz. 

 

Die Chance erschien verdammt günstig, dem eine Liga höher spielenden Rivalen ein Bein zu stellen. Ein rasches Tor für Stahl würde verdammt gut tun - bis in die Haarspitzen motiviert waren die Spieler definitiv. Sie lechzten regelrecht nach dem Erfolgserlebnis. Nun soll den Süd-Spielern keinesfalls der Wille zum Sieg abgesprochen werden, doch solch vor dem Anpfiff dermaßen hochmotivierte Spieler wie im Fall der BSG Stahl habe ich lange nicht mehr gesehen.

 

Und es lief aus Heimsicht voll nach Plan. Nach exakt einer Viertelstunde machte Pascal Karaterzi das 1:0 - und das Stadion explodierte vor Freude. Noch mehr Rauch - noch mehr inneres Feuer. Das Ganze flashte wie Sau, um es mal ganz salopp zu sagen. Nachdem nach knapp einer halben Stunde Erik Sauer zum 2:0 für Stahl Brandenburg nachlegen konnte, schien der Weg zum Sieg bereits passabel geebnet. Stahl hatte die Partie gut im Griff und bestimmte bis zur Pause weiterhin das Spiel. Große Angstmomente gab es auf Heimseite kaum auszustehen.

Allerdings fehlte beim Brandenburger SC Süd 05 verletzungsbedingt der Mannschaftskapitän Konrad Cudny, den ich persönlich beim FC Polonia Berlin kennen und schätzen lernen durfte. Nach einer Zwischenstation bei Spandau 06 wechselte er gemeinsam mit Torhüter Adam Szymczyk, der sich ebenfalls bei Polonia Berlin ein Denkmal schuf, vor der laufenden Saison zum BSC Süd 05. Während Adam Szymczyk als zweiter Torhüter auf der Bank platz nahm, stand Konrad Cudny mit im Gästeblock und schickte mir ein Video vom roten Fahnen-Rauch-Intro. Beide sind auf dem Spandauer Mannschaftsfoto als Dritter und Vierter von rechts zu sehen. Einen lieben Gruß an dieser Stelle!

 

Der aus Heimsicht optimale Spielverlauf nahm auch eine Menge Hass und Brisanz aus der Partie. Hätte es - womöglich „Dank“ eines unberechtigten Elfers - 0:2 gestanden, wäre die Grundstimmung sicherlich eine ganz andere gewesen, und manch eine innere Sicherung wäre kurz vor dem Durchbrennen gewesen. So aber blieb es entspannt, und in der Pause wurde seelenruhig ein Kaltgetränk konsumiert. 

 

Sehr zur Überraschung knüpfte die Stahl-Mannschaft nahtlos an die gute Leistung der ersten Halbzeit an. Der Brandenburger SC Süd 05 fand einfach nicht richtig rein ins Offensivspiel und brachte den eigenen Anhang sicherlich zur Verzweiflung. Erst in der Schlussphase konnten die Gäste ein Schippchen drauflegen und kamen demzufolge auch zu Möglichkeiten. Völlig klar, ein Anschlusstreffer - und das Ganze hätte einen anderen Verlauf nehmen können. So aber warfen sich die Stahl-Spieler weiterhin in die Zweikämpfe und eroberten immer wieder den Ball.

 

Im Gästebereich wollte man eine Viertelstunde vor Schluss doch noch etwas stänkern, und somit zogen sich fünf, sechs Fans eine Larve über den Kopf und präsentierten ein paar Stahl-Utensilien. Zwei, drei Freunde aus Weimar saßen mit auf dem Zaun und zündeten einen blau-weißen Schal an. Auf Heimseite nahm indes kaum einer großartig Notiz von dem Geschehen auf der Gegengerade. Da konnte noch so oft wütend gegen den Zaun und die Werbebande getreten werden - heute lockte es die Stahl-Anhängerschaft nicht aus der Reserve.

 

Warum auch? Der Sieg war zum Greifen nahe und konnte schließlich in trockene Tücher gebracht werden. Gegen 17:20 Uhr pfiff der Schiedsrichter die Partie ab - und wieder waren die Stahl-Spieler kaum zu halten. Ab in die Kurve! Den Emotionen freien Lauf lassen! Welch ein genialer Anblick! Her mit der brennenden Fackel und mit einem Derbysieger-Banner ab zum Gruppenfoto vor dem Zaun der Kurve! 

 

„Stahl-Arbeiter. Auf der Straße spielt die Liga keine Rolle“, stand auf einer Zaunfahne geschrieben. Die Liga spielte auch auf dem Rasen keine Rolle. Der Siebtligist schlug den Sechstligisten völlig verdient mit 2:0. Und was das muntere Treiben auf den Rängen betraf, so bewegte man sich gleich ein paar Etagen höher. Ein sehr gutes (aktuelles) Regionalliga-Niveau wurde sicherlich erreicht, und selbst ein Drittligist würde sich solch einen Trubel wünschen. Also her mit dem FC Energie Cottbus oder den SV Babelsberg 03 in der nächsten oder halt übernächsten Pokalrunde! Wenngleich es dann sportlich verdammt schwer wird, fantechnisch braucht man sich nicht zu verstecken, wenn dermaßen aufgefahren wird wie heute. 

 

Jungs und auch Mädels - das war ein mega Tag! Es war mir - ach, was sage ich - uns (der Sohnemann war auch hellauf begeistert) eine wahre Freude! Egal, wer der Gegner sein wird, in der nächsten Pokalrunde sind wir wieder am Start. Das hat sich die Mannschaft einfach verdient! Stahl Feuer!

 

Stichwort DDR-Oberliga. Fußball im Osten. Tradition und alte Zeiten. Herzblut und Wehmut. Manche werden es bereits wissen, jüngst kam nach meinem Hansa-Wälzer „Kaperfahrten“ ein Fußballroman über den ASK / FC Vorwärts Berlin / Frankfurt (Oder) auf den Markt. Ein Buch, das einen gedanklich zurückführt in den Alltag in Ost-Berlin der 50er und 60er Jahre und in Frankfurt (Oder) der 70er und 80er Jahre. Wer Interesse an einem Exemplar (gern mit persönlicher Widmung) hat, der melde sich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! 

Weitere Infos auf: www.marco-bertram.de

Apropos: In der Reihe der Fußballfibeln suchen wir noch eine Autorin, einen Autor bzw. ein Autorenteam für den Band über die BSG Stahl Brandenburg. Auch diesbezüglich darf sich gern bei mir gemeldet werden. :-)

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: BSG Stahl Brandenburg

Artikel wurde veröffentlicht am
25 September 2022
Spielergebnis:
2:0

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Landespokal

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Stahl muss zwei, drei Ligen höher spielen!
D
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An Maiki: Vom Schreibstil auszugehen, bist du immer der gleiche Troll hier. Du siehst Nazis, Nazis, Nazis. Hier und dort. Lass dich mal untersuchen oder halt einfach die Finger still.

Herzlichst Sepp
S
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Farbenblinder Marco
Dass die personifizierte BSG Rotation Ostdeutschland aka Marco Bertram die Horden an Faschos bei Stahl, die sogar einem Blinden ins Augen springen, nicht erwähnt, spricht mal wieder Bände. Lieber kumpelt man mit den Braunen ab. Die bringen immerhin fleißig Klicks!
M
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G
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Danke für den Bericht!
Wer da nicht in der nächsten Runde wiederkommt, dem ist nicht zu helfen. Ein wahres Fussballfest mit einer ordentlichen Kulisse. Sicher werfen einige die jetzt das erste mal im Stadion waren, beim nächsten Heimspiel wieder dabei sein.
Sport frei!!
AL
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SF
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Und jetzt gegen Cottbus!!!
G
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G
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