Man hätte meinen können, Rot-Weiss Essen hat sein erstes Spiel in der dritten Liga gewonnen, so lautstark feuerten die Fans von den Rängen ihr Team in den Schlussminuten der Partie gegen den FC Viktoria Köln und auch noch weit nach Abpfiff an: „Allez Rot Weiss allez, nur der RWE, unser ganzes Leben stehen wir für dich ein“, hallte es tausendfach von den Rängen. Fast bis zum Abpfiff leerte sich das Stadion an der Hafenstraße am Dienstagabend nicht, obwohl eine erneute Klatsche längst in Sicht war. Erst mit dem Kunstschuss als Schlusspunkt von Simon Handle für Viktoria Köln in der Nachspielzeit begaben sich die RWE-Fans auf den Weg nach Hause.
Rot-Weiss Essen vs. Viktoria Köln: RWE sportlich noch nicht angekommen in Liga 3
15.006 begeisternde Zuschauer (100 Gästefans) und trotz der 1:4 Klatsche nur wenige Pfiffe von den Rängen. Die Fans sind längst im Profifußball angekommen, die Mannschaft um Trainer Christoph Dabrowski noch nicht. Zwar waren die ersten 20 Minuten gegen Viktoria Köln recht ansehnlich und RWE machte mit einem komplett umgestellten Team da weiter, wo sie in Duisburg (2:2) aufgehört haben, aber es reichte nicht gegen „abgezockte“ Kölner, die mit Verzögerungen versuchten den Essenern die Druckphase zu nehmen und so das eigene Spiel aufzuzwingen.
Essen machte es den Gästen dann aber auch wieder viel zu leicht. Anstatt im Strafraum beherzter einzugreifen, lud man sie zum Dribbeln ein und zack war der Ball im Tor (25. Spielminute). Als man dann doch mal im Strafraum zupackte, gab es direkt den berechtigten Elfmeter (0:2). Essen hatte in der ersten Halbzeit mehr vom Spiel, aber Köln machte die Tore (5:4 Torschüsse, 6:0 Ecken). RWE versuchte in der zweiten Hälfte das eigene Spiel zurückzuholen, aber Viktoria blockte erfolgreich und spielte insgesamt trickreicher. Zwar kamen die Kölner nicht zu überzeugenden Chancen, hatten aber das Glück auf ihrer Seite wie in der 62. Spielminute, als Felix Bastians den Ball ins eigene Netz köpfte. „Da hat man kein Glück und dann kommt auch noch Pech dazu“, dafür einen Fünfer ins Phrasenschwein. Am Ende reichte es noch zu einem Anschlusstreffer von Simon Engelmann, bevor Handle die zwar verdiente aber etwas zu hohe Niederlage markierte.
Fazit: Rot-Weiss Essen ist sportlich noch nicht in Liga 3 angekommen. Es fehlt einiges, um mitzuhalten. Der Wille ist da, was man an Ron Berlinski sieht. Der Neuzugang vom SC Verl rennt sich die Lunge aus dem Leib, um den Ball zu ergattern. Was vielleicht schön für die Fans zum Ansehen ist, hat aber leider bisher kaum einen Effekt. Ein Isaiah Young, der unter großem Jubel seinen Vertrag verlängert hat braucht scheinbar auch noch seine Zeit in Liga 3, um sich an diese Art des Spielens zu gewöhnen und genauso den Bällen nachzurennen wie in Liga 4. Es ist müßig einzelne Spieler herauszupicken. Zwar kämpft jeder für den Einsatz auf seiner Position, trotzdem ist es eine Teamleistung. Alle sind gefordert für den Erfolg. Es ist allen klar, dass 50 Minuten guter Fußball von 270 Minuten in Liga 3 einfach nicht reichen. Über die gesamte Spiellänge muss mehr Robustheit rein, bessere Pässe, besseres Ballstoppen und vor allem bessere Flanken und Standards.
Es gibt viel zu mäkeln und meckern, aber es bringt auch nichts direkt nach dem dritten Spieltag Köpfe zu fordern vor allem in der Anonymität der Foren und sozialen Netzwerke. Im Stadion zujubeln und im Internet motzen und die starke Arbeit der letzten Jahre komplett in Frage zu stellen, das ist auch RWE. Manch einer muss einfach mal ruhiger werden. Es sind noch 35 Spieltage zu gehen und RWE ist vor allem im Hintergrund mehr als professionell aufgestellt. Einfach mal machen lassen und den Blick nach vorne richten (#immeRWEiter). Am Ende des Regenbogens wartet vielleicht nicht der Topf mit Gold, aber vielleicht der erste Sieg: Der 4. Spieltag der 3. Liga steigt am kommenden Samstag um 14 Uhr im Dortmunder Signal Iduna Park. Trotz des Fehlstarts wird Rot-Weiss Essen von über 5.000 Fans zum Nachbarschaftsduell gegen die U23 des BVB begleitet. Die Fans sind da und die Mannschaft dann hoffentlich auch, denn es ist noch die eine oder andere Rechnung aus Regionalligazeiten mit den Schwarz-Gelben offen.
Fotos: Alle Fotos bereitgestellt von der Sport-Bildagentur frontalvision.com
- Stadion an der Hafenstraße