Awantura wie im „alten Polen“ bei Chrobry Głogów vs. Ruch Chorzów

Awantura und Ambiente wie im „alten Polen“ bei Chrobry Głogów vs. Ruch Chorzów

Alarmstufe Niebieski am / im Stadion Sportowy in der niederschlesischen Stadt Głogów (Groß-Glogau). Ein Old-School-Wasserwerfer stand bereit, die Polizei hatte zudem Gewehre und Reizgas im Anschlag. Das sah arg gefährlich aus! Am Halfter baumelten XL-Schwarzwurzeln, auf dem Rücken saßen gleich zwei Behälter mit Pfefferspray, und die Finger waren teils gefährlich nahe des Abzugs der Knarren. Zu Gast war am vergangenen Samstagabend kein Geringerer als der 14-malige polnische Meister KS Ruch Chorzów, dessen goldene Zeiten prompt mit dem Fall des Eisernen Vorhangs endeten.

Gastgeber war der im Zuge einer Fusion im Jahre 1957 ins Leben gerufene Międzyzakładowy Klub Sportowy Chrobry Głogów. Ganz große Erfolge kann Chrobry Głogów nicht aufweisen, immerhin gelang 1979/80 der Einzug ins polnische Pokalfinale, doch musste man sich Legia Warszawa mit 0:4 geschlagen geben.  

 

Nachdem in der Saison 2002/03 sogar in der IV Liga gespielt werden musste, gelang 2011 der Sprung in die II Liga (dritthöchste Spielklasse). Seit 2014 ist Chrobry Głogów eine feste Größe in der I Liga. In der vergangenen Saison wurde der Sprung in die Ekstraklasa denkbar knapp verpasst. In der Aufstiegsrunde unterlag man Korona Kielce mit 2:3 nach Verlängerung. In der 119. Minute schoss Jacek Kiełb die Jungs aus Kielce ins Glück und Głogów ins Tal der Tränen.

Ruch Chorzów gelang indes der Durchmarsch von der III Liga in die I Liga. Als Tabellendritter setzte sich Ruch am Ende der vergangenen Saison in der Aufstiegsrunde gegen Radunia Stężyca (1:0) und Motor Lublin (4:0) durch. Vor 9.300 Zuschauern brachte Daniel Szczepan mit seinen drei Treffern die Ruch-Fans zum freudigen Ausrasten. 

 

Rund 310 Kilometer musste am Samstag die Anhängerschaft von Ruch Chorzów zurücklegen, um beim Auswärtsspiel in Głogów mit von der Partie zu sein. Nachdem am ersten Spieltag es gegen Skra Częstochowa vor 8.026 ein torloses Remis zu sehen gab, sollte nun ein Auswärtssieg her. Allerdings gab es ein gewaltiges Problem: Ruch Chorzów sollte nur 170 Eintrittskarten erhalten. Definitiv zu wenig, war auch Gastgeber Chrobry Głogów der Meinung. Etwaige Einwände fanden jedoch kein Gehör. Es blieb dabei. 170 Karten für Ruch. Basta!

 

Ruch Chorzów ist allerdings trotzdem mit voller Kapelle gefahren. 120 Ruch-Fans betraten den Gästebereich, der Rest blieb vor den Stadiontoren. Nachdem die Polizei den Gästeblock verschlossen hatte, sodass niemand mehr rein und raus konnte, kam verständlicherweise Unruhe auf. Die Fans von Chrobry Głogów bekamen dies mit und versuchten an den Ort des Geschehens heranzukommen - unterstützt von einer stabilen Truppe von Stilon Gorzów.

 

Drei Parteien hielten nun die Einsatzkräfte der Polizei auf Trab, wobei es zu teils skurrilen Szenen kam. Beim Betrachten der Fotos hätte man meinen können, dass es sich um eine klassische „Awantura“ (verbale Bambule) handelte, doch richtete sich die Wut allein auf die Polizei. Zäune wurden auf ihre Festigkeit getestet, Gegenstände wurden über die Absperrungen geworfen. Mit einem Beutel auf dem Zaun versuchte ein vermummter Chobry-Fan mal eben das Tor 13 aufzutreten. Es störte ihn keinesfalls, dass die Policja bereits das Reizgas im Anschlag hatte. Tatsächliche öffnete sich kurzzeitig das Tor, doch nur, damit die Polizei noch besser das pfeffrige Zeug versprühen konnte.

Nachdem etliche Gegenstände in Richtung Einsatzkräfte gesegelt waren und massig Pfefferspray verteilt wurde, durften die Ruch-Fans dann doch den Gästeblock verlassen. Zu Beginn der Partie, die aufgrund des wabernden Reizgas-Nebels später angepfiffen wurde, blieb der Gästeblock komplett leer. Auf Heimseite betraten die Fans von Chrobry Głogów und Stilon Gorzów zwar die Tribüne, doch wurden aus Solidarität keine Fahnen und Banner angebracht. 

Nach etlichen Gesprächen durften schließlich dann doch noch sämtliche Ruch-Fans geschlossen den Gästeblock betreten. Hinter dem Blue Army-Banner erhoben sich die Arme gen Abendhimmel, es folgte ein richtig starker Support mit genialem Liedgut. Nun brachte auch die Anhängerschaft von Chrobry Głogów ihre Stoffe an und startete mit lauten Gesängen und Schlachtrufen. Gemeinsam mit den Gästefans wurden Anti-Polizei-Gesänge gen Spielfeld geschmettert, die 45 Stilon-Fans legten etwas abseits indes ihre Oberkörper frei und nahmen in feinster Ronaldo-Manier Aufstellung und präsentierten ihre Astralkörper. Unter ihnen befanden sich auch sechs Fanatiker aus Lubniewice und Skwierzyna. Im Gästeblock waren derweil vier hochgehaltene Widzew-Schals ein Blickfang.

 

Verständlicherweise kam es nach dem ganzen Trubel zu keinen Pyro-Aktionen. Immerhin wurden die Gästefans für die Anreise und das ganze Theater mit einem 2:0-Auswärtssieg belohnt. Tomasz Wójtowicz und Artur Pląskowski sorgten in der 75. und 78. Minute für einen Doppelschlag und brachten die Ruch-Kibice zum Jubeln. 

 

Fazit: Manches ist erst auf dem zweiten Blick erkennbar, und von daher musste nach Rücksprache mit dem Fotografen dieser Bericht noch einmal geändert werden. Beim Anblick des Bildmaterials hätte man von einer klassischen Awantura ausgehen können, bei der sich beide Fanlager aufs Übelste bepöbeln. Vielmehr kam es indes zu einer Solidaritäts-Aktion von Seiten der Heimfans (plus Stilon). Aufgrund der Bauart des Stadions erinnerte das ganze Szenario an alte Zeiten. Statt einer modernen Arena gibt es in Głogów noch ein recht klassisches Stadion mit unüberdachtem Gästeblock auf der Gegengerade zu sehen. Wer Interesse hat: Am 6. August ist ŁKS Łódź in Głogów zu Gast. Und wer Ruch Chorzów einmal auswärts sehen möchte, der hat am 8. August dazu die Gelegenheit. Das Ziel der Reise: Stal Rzeszów. Gilt zu hoffen, dass es nicht wieder das leider häufige Theater um die Gästekontingente gibt.

 

 

Fotos: Los Misenas

> weitere Impressionen vom Duell

Artikel wurde veröffentlicht am
26 Juli 2022
Spielergebnis:
0:2
Zuschauerzahl:
1.421

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Polen ...
G
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T
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Herrlich gestörte Polen
was für Honks, höhö
B
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G
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