Sch**ß Relegation! Meister müssen aufsteigen! Der BFC im Tal der (Pfeffer-)Tränen

Sch**ß Relegation! Meister müssen aufsteigen! Der BFC im Tal der (Pfeffer-)Tränen

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Werte Sportsfreunde, was soll ich sagen? Womit soll ich beginnen? Wir drehen gedanklich die Zeit zurück. Es ist Freitag.  Ein Blick auf die "ein Stück Blech, eine Schnur, fertig ist die Ruhla-Uhr": 17 Uhr Uhr. Nix besonderes eigentlich, aber das Relegationsrückspiel zwischen dem Nord-Meister VfB Oldenburg und dem Nordost-Meister BFC Dynamo steht an. Es sind zwar noch 21 Stunden Zeit bis zum Anpfiff - wir fahren aber trotzdem schon in dieses Städtchen und schauen, was dort so abgeht.

Gefühlt 1.000 Kilometer trennen beide Städte von einander, und somit wird es wohl die längste Auswärtssause der Saison werden. Notgedrungen, ungewollt von allen - außer von den gewissen Herren aus Frankfurt am Main. Es ist nahezu unbeschreiblich,  wie hohl diese gesamte Konstellation eigentlich aussieht. Fünf Regionalligen - vier Aufsteiger. Herzlichen Glückwunsch. 

 

Ja, es ist schon klar, dass der NOFV und die meisten nordostdeutschen Regionalligisten die Verschmelzung bzw. Teilung des Teilnehmerfeldes im Zuge der möglichen Reduzierung auf vier Staffeln ablehnten. Allerdings stand kurioserweise auch nicht mehr das Modell im Raum, das es in den 90ern mal gab. Vier Staffeln, die wie folgt aussahen: Nord, Nordost, Süd und West/Südwest. Bereits damals mussten Nord und Nordost in die Relegation (wir erinnern uns an Oldenburg vs. TeBe und Energie Cottbus vs. Hannover 96), allerdings gab es damals nur drei Aufsteiger in die 2. Bundesliga. Nun haben wir zwar vier Aufsteiger, aber nun mal fünf Staffeln. „Schön", dass Bayern auf seine eigene Staffel besteht und keinen Bock auf eine Staffel Süd hat. Kein Wunder, dass es nix wurde mit der Reduzierung auf vier Staffeln und wir nun durch diese unsägliche rotierende Relegation müssen.

 

Wie dem auch sei, gespielt werden musste jetzt nun mal. Da hilft auch kein Motzen und kein Meckern. Leider. Die Ausgangsposition konnte schlechter nicht sein für den BFC Dynamo. Nach der 0:2-Hinspielniederlage waren die Chancen zwar gering, aber das Ganze war nicht unmöglich. Oldenburg war nicht super stark, der BFC nur arg zerfahren in Halbzeit eins. In der zweiten Halbzeit machte der BFC ordentlich Dampf. Letztlich der eigene Torerfolg fehlte. Frenetisch gefeiert wurde das Team aus Oldenburg von den knapp 600 mitgereisten Fans. Darunter schätzungsweise 80 Ultras und 90 Hools. Optisch sah es nach einer Mischung aus Oldenburg/Kiel aus. 

 

Zum Rückspiel nach Oldenburg reiste der BFC mit voller Kapelle gen Norden. Knapp 2.500 glaubten an ihr Team und unterstützen den BFC Dynamo im Stadion am Marschweg. Verteilt auf den Gästeblock, den Nachbarblöcken und auf der Haupttribüne. Dies schmeckte den anwesenden Heimfans zwar nicht wirklich, aber der Ultra-Block seitens Oldenburg nahm im A Block platz bzw. auf der Gegengrade und war somit reichlich entfernt. Vorab wurde kommuniziert, dass alle in Fankleidung anwesenden BFC-Fans direkt in den Gästeblock gebracht werden sollten. Dieser platzte jedoch aus allen Nähten und aufgestellt wurden ein Bierstand, ein Stand mit alkoholfreien Getränken und ein Grillstand sowie ein WC. Das versprach also in jeder Hinsicht eine enge Angelegenheit zu werden.

Am Abend zuvor, als wir in Oldenburg strandeten, gab es bereits die wildesten Gerüchte. Oldenburg/Kiel/Bremen würden auf uns – sprich den BFC - warten und zeigen, wer Herr in der Stadt ist. Obacht war also angebracht. Auf dem Weg in die Innenstadt, den ich zusammen mit einem Kollegen per Fuß bewältigte, sehen wir viele Fahrräder. Die Späher waren also in alter Manier mit dem Zweirad unterwegs. Bei einer Fastfood-Kette angekommen, wurden wir auch gleich in Empfang genommen und von etlichen Oldenburger Fans begrüßt.

Die Polizei aus Cuxhaven, Wilhelmshaven und Oldenburg war bereits massiv am Start. Welch ein enormer Aufwand für solch ein Relegationsspiel der vierten Liga. Am Marktplatz versammelte sich zum Abend hin dennoch eine beachtliche Gruppe von jungen und alten Oldenburger Hools, auf Blickfang zu einer Bar, in der BFC-Fans saßen. 

 

Die Gruppe wuchs schnell auf knapp 100 Personen an, in der Bar selbst verweilten jedoch nur ca. 20 Personen. Die Polizei bekam schnell Wind davon und unterbrach den Dauerlauf der Oldenburger, die wirklich systematisch in jeder Gasse Ausschau hielten. Nun ja. Nach Identitätsfeststellung und der Aussage, dass wir aus Berlin kämen, wurde uns geraten das Hotel aufzusuchen oder eben in irgendeine Bar zu gehen, jedoch nicht in dieser Straße. Keinesfalls bitte in dieser Straße!! Zu groß war die Angst vor eventuellen Zusammenstößen bereits einen Abend vor dem Spiel. 

Wir nahmen unser Essen und liefen die 1,5 Kilometer quer durch die Stadt und nahmen Platz im Hotel. Nach einer kurzen Nacht wurde der eigentliche Spieltag erst einmal mit einem ausgiebigen Frühstück eröffnet, ehe die Polizei dann den Parkplatz und das Klosett des Hotels aufsuchte. In aller Frühe waren die Beamten bereits auf der Suche nach den BFC-Fans – und dies wie gesagt auch auf den stillen Örtchen. Respekt.

Gegen 10:15 Uhr machten wir uns auf den Weg gen Stadion. Eine Stunde später sollte die erste Sicherheitskonferenz stattfinden,  um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren. Hierzu möchte ich anfügen, dass die Verantwortlichen des VfB Oldenburg stets bemüht waren, alles in beste Ordnung zu bringen. Sicherlich gibt es auch hier noch Nachholbedarf, aber sie bemühten sich wirklich sehr. Der einzige Spielverderber an diesem Tag war die Polizei, die einfach das Zepter übernahm, wann es ihr passte - und das teils mit einer völlig falschen Herangehensweise. 

 

Fast zeitgleich fand am Waffenplatz der Fanmarsch des VfB Oldenburg statt. Zu diesem waren schätzungsweise 500 Fußballfreunde gekommen, welche sich lautstark in Richtung Stadion auf den Weg machten. Ebenso zeitgleich wurden fast alle Busse mit BFC-Inhalt systematisch abgefangen, durchsucht und mit Begleitschutz zum Stadion gebracht. Unterschiedlicher können Fan-Anreisen nicht aussehen. Das erschien teils schon grenzwertig.

Vermutete man hinter jedem Fan einen gewaltbereiten und mit Mundschutz ausgestatteten Hooligan? Ist es wirklich so, dass die BFCer auch gern kleine Kinder zum Frühstück fressen und gegen Mittag die halbe Stadt in Schutt und Asche legen? Im Regionalliga-Alltag war davon nix zu sehen.

Direkt unter der Autobahn durften die PKW-Besatzungen parken und den kurzen Weg zum Gästeblock laufen. Dies ergab ein schönes Gesamtbild zwischen Alt-Fans und Jung-Ultras, welche den Weg gemeinsam bestritten. Die Polizei sah wohl Gefahr in Verzug und zog ihre Helme auf und hielt das Pfefferspray stets griffbereit. Geholfen hat dabei noch die Pferdestaffel aus Hannover, welche in englischer Manier den Tross begleitete. 

 

Der Anpfiff des Spiels näherte sich, und mittlerweile war das Stadion gut gefüllt und mit 12.000 Fans ausverkauft. Im Gästeblock zierte ein 30-Meter-Banner mit der Aufschrift: "ALLES FÜR DYNAMO" die schöne Kurvenansicht. In der Mitte waren der Berliner Bär und das alte Logo des BFC Dynamo zu sehen. 

Im Ultra-Block der Oldenburger wurde eine große Blockfahne hochgezogen, untermalt wurde diese mit ein paar Bengalos. Im Gegenzug rauchte es im Gästeblock weinrot-weiß. Dazu wurden etliche Schals in weinrot-weiß gehalten mit der Aufschrift: ALLES FÜR DYNAMO.

Das Spiel selbst begann ähnlich wie eine Woche zuvor in Berlin. Der BFC wirkte etwas gehemmt, aber suchte sofort den Weg zum Tor. Es mussten ja erstmal zwei Tore wettgemacht werden, um die mögliche Verlängerung zu erreichen. Aber auch Oldenburg suchte schnellstmöglich die Entscheidung, und so waren sie es auch, die nach einem langen Abschlag des Torwarts durch Wegener in Führung gingen. Verdammte Axt!

Der Gästeblock verstummte nicht und sorgte weiterhin für gute Stimmung und gute Laune. Einzig die Polizei zog plötzlich etliche Beamte zusammen und positionierte sich am oberen Abteil des Pufferblocks. Just in diesem Moment erfolgte eine Festnahme - vermutlich hatten Fans eine Holzlatte aus einem provisorischen Gerüst gezogen -, was die BFC-Fans mit Unmut quittierten. 

Plötzlich marschierte in den ohnehin schon engen Gästeeingang eine Hundertschaft Polizisten hinein. Das Ganze wurde begleitet mit einer ordentlichen Portion Pfeffer. Es steht außer Frage, dass kurzzeitig die Nerven blank lagen und es zu kurzen heftigen Auseinandersetzungen kam.

Zwischen den Fans, die bereits am Grillstand standen und den Leuten, die aus dem Block wollten, um auf die Toilette zu gehen, standen sie nun,  die Polizisten. Just in diesem Moment fiel das 1:1 durch Niklas Brandt. Die Polizei verließ schnell das Gehege, und somit konnten die Fans dann doch noch auf die Toilette. Aufgrund des unsachgemäßen Einsatzes von Gewürzen aus der Flasche flohen die Mitarbeiter des Grillstands samt Kasse. Es gab somit ungewollt Freiwurst zur Halbzeit. Die Lage beruhigte sich erst, als Verantwortliche des BFC dafür sorgten, dass die Polizei sich von den Zäunen verabschiedete und zurück in die Pufferblöcke marschierte.

Die zweite Halbzeit begann druckvoll seitens der Weinroten, und somit lag das 2:1 in der Luft. Oldenburg hatte nur noch wenig entgegenzusetzen, aber das Tor wollte einfach nicht fallen. "Beckus" köpft erst gegen den Pfosten, 60 Sekunden später war es dann die Latte, die sich im Weg befand. Abermals 60 Sekunden später probierte es Beck mit einem Kopfballheber. Die BFC-Fans hatten den Jubelschrei schon auf den Lippen. Es war zum Haare raufen.

 

Mittlerweile positionieren sich vor dem Gästeblock drei Reihen Polizei, um den möglichen Platzsturm seitens der Oldenburger abzufangen. Im Gegenzug erwartete man anscheinend, dass die BFC Fans aus Frust ebenso den Innenraum betreten könnten. Die Fanbetreuung des BFC Dynamo hatte aber alles unter Kontrolle. Lediglich das Abbrennen von Pyrotechnik wurde vernommen, was aber heutzutage kaum noch verhindert werden kann. 

 

Plötzlich versperrten die Einsatzkräfte den Durchgang der BFC-Verantwortlichen, um an Zaun zu gelangen. Dies sorgte nicht nur für Unmut, sondern auch für absolutes Unverständnis. Durchweg probierte man von Seiten des BFC Dynamo während des Spiels alles friedlich zu halten - und plötzlich war man nicht mehr gut genug?! Die Polizei wollte nun alles auf ihre Art und Weise regeln?! Nach einem verbalen Austausch kam es dann auch kurzzeitig zu Handgreiflichkeiten im Innenraum. Mehr als angefressen führten die Verantwortlichen des BFC dennoch ihren Job aus, um die letzten Minuten des Spiels zu Ende zu bringen. Mir fehlten nach dieser polizeilichen Aktion schlichtweg die Worte!

Was das Sportliche betrifft: Die Zeit verging wie im Fluge, und erst in der sechsten Minute der Nachspielzeit traf Andor Bolyki zum 2:1. Es waren noch zwei Minuten Zeit, doch noch das Unmögliche zu schaffen. Wenigstens die Verlängerung! In den 120 Sekunden probierte der BFC noch mal alles, doch es half nichts. Der BFC gewinnt zwar das Spiel, steigt aber aufgrund des Hinspielergebnisses nicht in Liga 3 auf. Christian Beck sorgte im Anschluss des Spiels mit einer Ansage in Richtung DFB für eine klare Ansage.

Zehn Spiele wurden mehr absolviert als in der Regionalliga Nord, und am Ende steigt man dennoch nicht auf. Es ist und bleibt unfassbar ungerecht. 15 Minuten nach Spielende kam Zeugwart und Publikumsliebling Stefan "Malle" Malchow in die Kurve. Auch er konnte seine Tränen nicht zurückhalten. Ihm folgten die Spieler und das Trainerteam. Auch diese hatten Tränen in den Augen. Alles umsonst. Alles für die Katz. Eine super Saison trägt nun keine Früchte. Das Gold des Meistertitels wirkt nun wie Blech. Alles auf Anfang! 

 

Egal, wen es getroffen hätte. Lok Leipzig, Weiche Flensburg, Carl Zeiss Jena oder Oldenburg. Solch ein Anblick muss doch echt nicht sein! Dies kann einfach nicht der Dauerzustand werden. Wie die Aufteilung von vier Staffeln aussehen könnte, hat man doch in den 90ern gesehen. Aber scheinbar sind in Bayern dermaßen mächtige Kräfte zugange, die eine Staffel Süd mit aller Macht verhindern wollen. Für den Nordosten, der bis 1990 einen ganzen (!) Staat darstellte, ist der jetzige Zustand ein reines Desaster. Es bleibt der wahrlich üble, bittere Beigeschmack, dass diese Region seit 32 Jahren vom DFB benachteiligt wird. Danke für nichts!

Fotos: Abteilung Utzki

Bericht: Abteilung Utzki in Zusammenarbeit mit Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: BFC Dynamo

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
06 Juni 2022
Spielergebnis:
1:2
Zuschauerzahl:
12.000
Gästefans
2500

Ligen

Inhalt über Liga
Relegation

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Und nun ist der Trainer weg. Ich möchte nicht wissen, was hinter den Kulissen passierte.
G
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G
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G
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Ich noch einmal. Ich hoffe, nicht zu stoeren, aber vermutlich moechte der User Stasimeister einmal eine gepflegt aufs Maul bekommen. Er soll Bescheid geben.

Igor aus Rzepin
G
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Relegations-Mimimi
Laßt einfach mal dieses Ost-West-Verschwörungs-Gejammere. Der Bayerische Fußballverband steht für 1,6 Mio. Mitglieder, 4.500 Vereine und 26.000 Mannschaften. 0,7 Mio. Mitglieder, 4.200 Vereine und 24.000 Mannschaften. Wer ernsthaft glaubt, vor diesem Hintergrund eine eigene Ost-Liga zu fordern und dann genauso einen Meister als Aufsteiger zu reklamieren wie eine Süd-Staffel mit Bayern und Baden-Württemberg, die dann 2,3 Mio. Mitglieder, knapp 10.000 Vereine und 43.500 Mannschaften vertreten würde, hat ja wohl den Bezug zur Realität verloren. Solange man im Osten auf eine eigene "DDR-Oberliga" mit ihren Derbys beharrt, sollte man sich als kleiner Verband sparen, den anderen zu erklären, was sie zu tun haben. Übrigens stellte Bayern auch mal "einen ganzen Staat" dar. Was für ein Argument...
A
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Meister müssen aufsteigen!
G
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