Hansa Amateure auf Kaperfahrt am Hölzchen: 10:0-Sieg bei Lok Stendal

Hansa Amateure auf Kaperfahrt am Hölzchen: 10:0-Sieg bei Lok Stendal

Boah ey, der Tach jing mal wieder richtig jut los … Die allzu oft zitierte „Störung im Betriebsablauf“ ließ den Regionalexpress nach Rathenow später kommen und uns zu viert am Bahnhof Berlin-Jungfernheide auf heißen Kohlen sitzen. Auf nach Stendal! Doch würden wir den Anschlusszug in Rathenow nach Stendal verpassen, müssten wir zwei Stunden in Optik-City warten und später in Stendal ein Taxi nehmen, um überhaupt pünktlich den Anpfiff der Oberligapartie der Hansa Rostock Amateure im Stadion am Hölzchen sehen zu können. Mal wieder Abkotzfaktor hoch zehn. Plus zehn, plus 15, plus zehn, plus 20, doch wieder plus 15. Letztendlich ging es mit einer Viertelstunde Verspätung in den Zug nach Rathenow. Gemeinsam mit drei Optik-Fans, die zum Heimspiel gegen Union Fürstenwalde wollten.

Würden wir den Anschlusszug nach Stendal verpassen, müssten wir zu Optik und dort alles kaputt machen, meinten wir im Scherz. Dort sei jedoch nix mehr zum Kaputtmachen, erklärten die drei Optik-Fans. Allerdings erfolgte dort am gestrigen Nachmittag eine sportliche Wiederbelebung, denn Dank des 2:0-Sieges gegen Fürstenwalde wurde sich plötzlich ganz unverhofft vorbeigeschoben. Ingo Kahlisch, dieser alte Fuchs! Aber das nur so am Rande.

 

In Rathenow wartete der Zug der Hanseatischen Eisenbahn auf uns, und somit trudelten wir doch pünktlich in der Hansestadt Stendal ein. Stendal, das seit dem 1. Januar 2010 wieder offiziell als Hansestadt daherkommt, zeigte sich wieder einmal von seiner überaus verschlafenen Seite. Und dabei hätte die Altstadt enormes Potential. Auf dem Markplatz könnte wie auf einem polnischen „Rynek“ durchaus mehr Leben herrschen. So aber „erfreuten“ wir uns ein Stück weiter an den „Nach-Corona-Preisen“ in einem griechischen Restaurant. Alter Schalter, die Kohle muss wohl wieder reinkommen. Knapp 4 Euro für ne 0,3er Cola sind schon fett.  

Zu Fuß ging es zum wiederholten Male den recht langen Weg zur am Stadtrand gelegenen Spielstätte des 1. FC Lok Stendal. Meine letzten beiden Sausen mit den Amateuren des F.C. Hansa Rostock hatten sich gelohnt. Beim letzten Mal gab es im recht gut gefüllten Gästeblock sogar eine Pyro-Einlage zu sehen, an der sich vor allem mein größerer Sohnemann sehr erfreut hatte. Leuchtende Augen und ein Daumen nach oben. 

 

Dieses Mal sollte es jedoch etwas ruhiger vonstatten gehen. Der eigentliche Gästeblock blieb geschlossen, und die Hansa-Fans durften mit auf der Haupttribüne Platz nehmen. Es habe sich halt niemand vorher angemeldet, erklärte der Ordner an der Kasse. Macht ja nix, auf der Heimseite herrschte eh Untergangsstimmung. Die sportliche Situation ist derzeit katastrophal, und der 1. FC Lok Stendal steht längst als Absteiger in die Verbandsliga Sachsen-Anhalt fest. Ein trauriger Umstand, denn zeigte sich der Verein bei meinen Besuchen (nicht nur gegen Hansa Rostock II) stets gastfreundlich und ist das Stadion sowieso immer eine Reise wert.

 

Meine Güte, was wurde im Stadion am Hölzchen für Geschichte geschrieben! Von 1949 bis 1954, von 1956 bis 1957, 1959, 1961/62 sowie von 1963 bis 1968 spielte die BSG Lok Stendal in der DDR-Oberliga, und in der Kalenderjahr-Saison 1956 war Lok Stendal am Ende auf Rang vier zu finden! In jener Spielzeit wurde der SC Wismut Karl-Marx-Stadt (Aue) Meister, der SC Aktivist Brieske-Senftenberg wurde Zweiter, und der SC Dynamo Berlin und der SC Empor Rostock mussten in die DDR-Liga absteigen. Verkehrte Welt! Torschützenkönig wurde Ernst Lindner von Lok Stendal, und zu jener Zeit pilgerten im Schnitt über 8.000 Zuschauer zur damaligen Wilhelm-Helfers-Kampfbahn (seit 2005 wieder Stadion am Hölzchen). 

Von 1994 bis 2000 wurde als Lok Altmark Stendal immerhin in der Regionalliga Nordost gespielt, anschließend folgte eine lange Durststrecke in der Verbandsliga, ehe 2017 der Sprung in die NOFV-Oberliga gelang. Die laufende Oberliga-Saison wurde ein einziges Desaster. Gerade einmal drei Sieg gelang den Stendalern, vor der gestrigen Partie lautete das Torverhältnis 23:65. 90 Minuten später war in der Tabelle indes ein 23:75 zu lesen. Konnte man zuletzt auswärts beim Rostocker FC 1895 noch halbwegs mithalten (0:2), so geriet man gestern komplett unter die Räder.

 

Mit sage und schreibe 0:10 verlor der 1. FC Lok Stendal gegen die Hansa Amateure, bereits nach vier Minuten stand es 0:2. Vor insgesamt 229 Zuschauern (schätzungsweise rund 70 Gästefans) eröffneten Sascha Schünemann und Nick Stepantsev das Torreigen. In der 18. Minute konnte Mahir Huber auf 3:0 erhöhen, vor der Pause legten Oliver Zajac und Bill Willms nach. Das Ganze wurde hübsch aufgeteilt. Fünf Buden in Halbzeit eins, zwei Buden in Halbzeit zwei. Ein schmeichelhafter Elfmeter wurde verschossen (ob mit Absicht oder nicht - keine Ahnung), wenig später wurde jedoch nicht lange gefackelt und nachgelegt. Tore aus allen Lagen. Freistoß, hübsch von schräg links. Es war einiges dabei. Mike Bachmann (2x), Til Kozelnik, Sascha Schünemann und Oliver Zajac schossen die Tore im zweiten Spielabschnitt. Logisch, dass der Jubel zum 10:0 beim Anhang besonders doll gefeiert wurde.

 

Wann wurde bei turus das letzte Mal über einen 10:0-Sieg berichtet? Eine gute Frage. Die Suchfunktion gibt Aufschluss: Am 18. November 2018 konnte Tennis Borussia Berlin das Landespokalspiel beim FC Polonia Berlin auf dem Sportplatz Borsigpark mit 10:0 für sich entscheiden. Kurze Zeit vorher gewann der BFC Dynamo sein Pokalspiel bei SF Charlottenburg-Wilmersdorf ebenfalls mit 10:0. Ebenso mit 10:0 gewann der Chemnitzer FC ein Testspiel beim SV Tirol Dittmannsdorf. Testspiele und Landespokalspiele sind aber etwas anderes. Somit taucht die Frage auf: Wann gab es zuletzt in der NOFV-Oberliga Nord solch ein hohes Ergebnis zu sehen? Die Antwort lautet: Am 25. Mai 2003 gewannen der FC Schönberg 95 bei Eintracht Schwerin und am 8. Dezember 2013 die Hansa Amateure gegen den BSV Hürtürkel jeweils mit 10:0. Getoppt wurde das Ganze in der Historie nur von Hertha BSC II, das am 11. Mai 2003 mit 11:0 beim Oranienburger FC Eintracht siegen konnte.

 

Da am Tag zuvor die Auswärtssause nach Ingolstadt auf dem Programm stand und es in Stendal irgendwie nur noch um die Goldene Ananas ging, war der Support der anwesenden Hansa-Fans nicht zu vergleichen mit dem vom letzten Auftritt inmitten der Corona-Pandemie am 20. September 2020, als Fackeln, Rauchtöpfe und Gesang im Gästeblock für eine geile Atmosphäre gesorgt hatten. Anständig gefeiert wurde der gestrige 10:0-Sieg trotzdem. Der Sohnemann stürmte nach Abpfiff den Platz un klatschte jeden Spieler ab, und wenig später wurde sich zu einem Gruppenfoto vor der Haupttribüne eingefunden. 

 

Den Stendalern, die sich trotz der überaus derben Klatsche auch am Ende der Partie gastfreundlich gezeigt und einem sogar noch eine gute Heimreise gewünscht hatten, kann man für die kommende Saison nur die Daumen drücken. Kommt möglichst rasch wieder zurück in die NOFV-Oberliga! Schließlich könnte in naher Zukunft auch mal die SG Dynamo Schwerin zu Gast sein! :-)

Fotos: Jens, Michael Stoffl, Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

Artikel wurde veröffentlicht am
09 Mai 2022
Spielergebnis:
0:10
Zuschauerzahl:
229
Gästefans
70

Ligen

Inhalt über Liga
Oberliga

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