Glück Auf zum Nachbarschaftsderby zwischen Wismut und Empor / Hansa

Glück Auf zum Nachbarschaftsderby zwischen Wismut und Empor / Hansa

Schon in tiefsten DDR Oberligazeiten bin ich gerne nach Aue gefahren. Es war, mit Motor Suhl, die längste mögliche Auswärtszugfahrt. Wir waren tatsächlich drei Tage für 90 Minuten Fußball unterwegs. Am Abend um 23.11 Uhr ging es mit dem D 729 "Chemnitzer" ab Rostock bis Karl-Marx-Stadt. Für 6,50 Mark besorgte ich uns Liegeabteile, so dass wir von Ordnern und Trapo unbehelligt waren. Ankunft war in "Kalle Malle" um 7.29 Uhr. Der nächste mögliche Personenzug fuhr als P 18616 erst um 10.04 Uhr, so dass die Wartezeit in der Mitropa bei Bockbier und "Elfmeterschnaps" überbrückt wurde. 

Erst um 11.44 Uhr war unser Zug in Aue. Unterwegs wurden den Schafen, Bauern und Bergarbeitern freundlich aus dem Zug zugewunken, allerdings wurde auch etwas Leergut verschenkt. In Aue wartete dann ein kleines Polizeiaufgebot auf unseren 150 bis 200-köpfigen Trupp. Wir konnten uns auf ein Bergmannsbier noch schnell entfernen, während ein Teil der Hansafans verhaftet wurde oder gleich zum Gästeblock gebracht wurde. Die Rückreise verlief dann ähnlich wie die Hinfahrt, allerdings über Leipzig und Berlin, und mit dem Ostseeexpress D 328 hatte uns Rostock am Sonntag um 2.42 Uhr wieder.

 

Zur Reise in die Vergangenheit fuhr diesmal sogar ein Sonderzug von Rostock nach Aue, allerdings brauchte man dafür nur den kompletten Sonntag. Ich selbst war bereits ein paar Tage vorher im Erzgebirge, so dass ich noch etliche Eintrittskarten in Zwickau und Annaberg Buchholz kaufen konnte. Leider waren die 1.700 Gästekarten sofort ausverkauft, daher wollten viele Hansafans sich direkt Karten kaufen. Aue machte nur einen Onlineverkauf an Mitglieder und Dauerkarten-Inhaber. Auch die offiziellen Kartenverkaufsstellen sollten nicht an Rostocker verkaufen.

 

Im schönen Brauereihotel Zwönitz machte ich mit weiteren Hansafans Quartier. Neben dem hervorragenden Bier und zwei langen Abenden mit dem Stadt- und Kneipenführer Werner besuchten wir auch ein Schaubergwerk. Die Einheimischen waren sehr freundlich zu uns, so dass ich immer wieder gerne im Erzgebirge bin.

 

Am Spieltag fuhren wir auf einen der ungepflasterten Parkplätze, wobei uns hier "Honsa" ein Parkticket für drei Euro ins Auto reichte. Bissel viel Chaos, aber so viele Gästefans sind auch nur zweimal im Jahr. Das einstige Otto-Grotewohl-Stadion war mit seinem Fassungsvermögen von 25.000 Zuschauern bereits zu DDR-Zeiten eine der schönsten Anlagen. Früher gab es eine überdachte Tribüne, welche eine langgezogene Überdachung in die Kurven auswies. Dazu die tolle Lage im Lößnitztal, welches von vielen Bäumen umgeben ist. In diesen Hängen gab es damals immer zirka 100 "Schwarzgucker", welche sich die 80 Pfennige Eintrittsgeld sparten. 

 

Auch diesmal konnte ich einen Aue-Fan entdecken, welcher sich sogar eine überdachte Fanhütte gebaut hatte. Auf dieser überdachten Tribüne versammelten sich in DDR-Zeiten viele Aue-Fans, welche mir mit ihren Aue-Rufen in Erinnerung geblieben sind.

 

Beim Spiel am vergangenen Sonntag hatten wir Karten für den Nebenblock des Gästeblocks. Dank der freundlichen Ordner wurde uns ein langer Umweg erspart, so dass extra zwei Tore vom Gästeblock aufgeschlossen wurden. Hier hatten sich 50 Hansafans verteilt, meist Kinder und ältere Fans. Im gleichen Block befand sich auch die örtliche Hool-Szene, welche uns natürlich "ableuchtete". Beim Rausgehen wurde einem 62-jährigen Hansafan sein Hansa-Schal geruppt. Der "Held" hatte ihn bestimmt noch mit Ketschup beschmiert, so dass er von einer Schlacht mit Rostockern berichten konnte.

 

Der Aue-Block war auch gut gefüllt und das Steigerlied kam wirklich beeindruckend rüber. Fast 11.000 Zuschauer sind ja in Aue auch nicht so oft mit von der Partie. Rund 2.500 Zuschauer, davon wohl 2.000 im völlig überfüllten Gästeblock, sorgten für Stimmung und Dampf. Mein Auer Nachbar meinte zu seinem Kumpel: "Die Rostocker grillen wieder". Ich antworte ihm:"Ja, aber Möwen.". 

 

Hansa schenkte Aue schnell ein Eigentor, aber ein Elfmeter wurde durch John Verhoek zum 1:1 verwandelt und ließ uns weiter auf den ersten Auswärtssieg seit 55 Jahren hoffen. Noch vor der Halbzeit gelang Aue die 2:1-Führung. Die Fans aus Aue brüllten nochmals lautstark ihr "Wismut Aue!". In der zweiten Hälfte gelang uns in der 52. Minute der 2:2 Ausgleich durch Hanno, aber der mögliche Auswärtssieg wurde etwas unnütz verschenkt.

 

Irgendwie passend zur Mottofahrt "80er & 90er", denn Auswärtssiege von Hansa gab damals so oft wie Schnee zu Weihnachten im Norden. Toll anzusehen war das Fahnenmeer am Gästezaun. Tolle Schmuckstücke wurden aus dem Keller und diversen Koffer ausgegraben. So erblickte unter anderen auch die Zaunfahne vom Hansa-Fanclub "Udopia Zwickau" mal wieder das Tageslicht. Ebenso schön anzusehen waren die alten Stoffe der Suptras, von "Vier Tore Power Neubrandenburg", der "Durstigen Schweriner", der "Viecher" und der Wolgastä. 

 

Ich brauchte nach Abpfiff noch nicht mit dem Zug zurück nach Rostock fahren, daher konnten wir im Ursprungsland von Hansa bzw. Empor noch unsere "Aufstiegsfeier" veranstalten. Glück Auf an Wismut Aue, dann sehen wir uns vielleicht in 55 Jahren zum Auswärtssieg wieder!   

Nachtrag: Man munkelt, dass bereits alte Fotos gesichtet, in alten Heften gestöbert und erste Interviews geführt werden. Band II vom Hansa-Wälzer "Kaperfahrten" ist bereits in Arbeit. Wer sich noch Band I zulegen möchte: "Kaperfahrten - Mit der Kogge durch stürmische See" auf www.marco-bertram.de

Bericht: Heiko Neubert

Fotos: Heiko Neubert, Christopher, Aumi

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

Artikel wurde veröffentlicht am
26 April 2022
Spielergebnis:
2:2
Zuschauerzahl:
11.000
Gästefans
2500

Ligen

Inhalt über Liga
2. Bundesliga

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