Da kiekste, wa? Einmal von JWD nach JWD. Einmal von der südwestlichen Stadtgrenze Berlins bis hoch zur nordöstlichen Stadtgrenze. Mehr geht nicht. Eine Stunde und 15 Minuten benötigt man mit der Fahrt mit der S-Bahnlinie 7 von Babelsberg bis Ahrensfelde. Diese schmucke Reise durften gestern die Anhänger des Regionalligisten SV Babelsberg 03 antreten, um ihre arg dezimierte Mannschaft beim Landespokalspiel beim Landesligisten SV 1908 Grün-Weiss Ahrensfelde zu unterstützen. Begrüßt wird man am Bahnhof Ahrensfelde vom allerfeinsten Ost-Charme. Im Großen und Ganzen sieht der Bahnhof noch aus wie zu DDR-Zeiten. Keine Frage, hat was!
Grün-Weiss Ahrensfelde vs. Babelsberg 03: Stelldichein in Plattenbau Ost nach dem S7-Duell
HotZwei Freunde von mir, die sich aufgrund der angenehmen Witterung spontan entschlossen hatten, dieser Partie einen Besuch abzustatten, wagten das Abenteuer, von Mitte aus einmal die komplette Straßenbahnlinie M8 abzufahren. Alter Schwede! Von der Invalidenstraße über die Landsberger Allee, das Industriegebiet in der Herzbergstraße, Springpfuhl, den Helene-Weigel-Platz und die Allee der Kosmonauten bis Ahrensfelde/Stadtgrenze. Sie wollten einfach mal wissen, wie es dort wohl ausschaut an dieser Stadtgrenze. Ich sag es mal so. Zurück wollten sie die S-Bahn nehmen. Die Strecke und Fahrtdauer wurden gnadenlos unterschätzt.
Um es mal vorweg zu nehmen: Eine Sause zur Jahnsportstätte des SV 1908 Grün-Weiss Ahrensfelde lohnt in jedem Fall. Das hatte ich allerdings bereits in der Saison 2012/13 nach dem Heimspiel gegen die damals aufgestiegene TSG Einheit Bernau geschrieben. Die Mischung aus Plattenbau Ost und dörflicher Idylle ist dort der Knaller. Da sich die S-Bahnstation noch auf Berliner Terrain befindet, verorten die meisten Ahrensfelde nach Berlin, allerdings ist Ahrensfelde eine Gemeinde auf Brandenburgischem Boden. Kaum hat man den Bahnhof verlassen und spaziert in Richtung Sportanlage, überquert man die Stadtgrenze und findet sich hinter den Bahnlinien inmitten von Wiesen und Weiden wieder.
Am gestrigen Nachmittag war die Polizei bereits an den wichtigen Punkten postiert, und an einem rot angemalten Findling wies ein Ordner den Weg. Babelsberg? Neutral? Ahrensfelde? Von der Ulmenallee betraten wir zu dritt die Jahnsportstätte und statteten dem Vereinsheim erst einmal einen Besuch ab. Ein halber Liter Bier für drei Euro - das konnte sich sehen lassen. Empfehlenswert waren auch wieder die großen Buletten vom Grill. Feine Sache. Nach meinem letzten Besuch vor acht Jahren hat sich ein wenig getan. Nebenplätze wurden ausgebaut, und neben der Haupttribüne lädt nun eine langgezogene Überdachung zum Verweilen ein. Weniger Verweilen musste man indes an den Bierständen. Die Versorgung funktionierte einwandfrei. Da kann sich manch ein höherklassiger Verein gern eine Scheibe abschneiden. Von den gestrigen 780 Zuschauern kam am gestrigen Nachmittag sicherlich keiner zu kurz.
In der Saison 2012/13 spielten die Ahrensfelder noch in der Barnimliga und schauten ein wenig neidisch auf die Spieler von Einheit Bernau, die damals den Sprung nach oben gepackt hatten. Inzwischen hatte auch Ahrensfelde Fahrt aufgenommen, ungeschlagen konnte am Ende der Saison 2017/18 der Aufstieg in die Landesliga gefeiert werden. Und der nächste Aufstieg dürfte bald folgen. In der aktuellen Spielzeit ist Grün-Weiss Ahrensfelde in der Staffel Nord der Landesliga eine Klasse für sich, und manch einer bescheinigt dem Kader bereits jetzt mindestens Brandenburgliga-Tauglichkeit. Zehn Siege und ein Remis aus elf Spielen sowie das Torverhältnis von 43:7 sprechen eine deutliche Sprache.
Der SV Babelsberg 03, der aufgrund der Dezimierung des Kaders sogar ein paar Nachwuchsspieler mitnehmen mussten, war also gewarnt. Und in der Tat, die Mannschaft von Ahrensfelde kann sich sehen lassen. Manuel Schmiedebach war einst Profi bei Hannover 96 und Union Berlin, Robin Mannsfeld brachte reichlich Regionalliga-Erfahrung mit und Julian Hentschel ließ ebenso in der Regionalliga für Lichtenberg 47 den Ball rollen.
Auf Gästeseite hatten sich schätzungsweise rund 130 Nulldrei-Fans eingefunden, die eigene Imbisswagen hingestellt bekamen. Seitlich wurde das Ganze mit Bauzäunen abgesichert, und für eine Landespokalpartie war überdurchschnittlich viel Polizei am Start. Auf Ahrensfelder Seite gibt es einige Fans, die ihre Mannschaft aktiv unterstützen. So waren in der Runde zuvor einige, teils sportlich stabile Ahrensfelder mit nach Schöneiche gefahren und sorgten dort für zwei sehenswerte Pyro-Einlagen.
Während des gestrigen Pokalspiels kam jedoch weniger Hitze auf als vielleicht gedacht. Was einfach fehlte, war ein Törchen auf der Heimseite. Dieses hätte ganz gewiss noch mehr Würze reingebracht. Und ja, dieses Törchen hätte fallen können. Denkt man nur an die Sturm- und Drangphase vor der Pause. Und inmitten dieser Ahrensfelder Drangphase fiel prompt das 0:2. Wahrlich bitter für die Gastgeber. Bereits in der 22. Minute hatte Nicola Jürgens das 1:0 für die Filmstädter klargemacht. In der 43. Minute war es dann Marcel Rausch, der nach einem Sololauf trocken vollenden konnte.
Ahrensfelde ließ jedoch den Kopf nicht hängen und lieferte im zweiten Spielabschnitt eine prima Partie ab. Der Anschlusstreffer wollte jedoch nicht fallen, am Ende verwalteten die Babelsberger routiniert die 2:0-Führung und brachten den Sieg in trockene Tücher. Auf Gäste- und Heimseite wurden jeweils die Spieler gefeiert, und es durfte bei dem sonnigen Herbstwetter gern noch ein Bierchen sein.
Das dachten sich wohl auch zirka 15 bis 20 Babelsberger Fans, die am Bahnhof Ahrensfelde einfach mal links abbogen und das dortige Plattenbaugebiet ansteuerten. Während der Großteil der Nulldrei-Fans mit der S-Bahn gen Potsdam fuhr, hatte die Truppe wohl einfach und Bierdurst und drehte eine kleine Runde, bis sie in der Klandorfer Straße fündig wurden. Zielstrebig wurde eine Kneipe angesteuert, die in den Abendstunden gern von Union-Fans besucht wird. Ob das nun Zufall war oder nicht, blieb offen.
Aus einem nahen Bistro kam der erste wutschnaubende Ahrensfelder mit dem Bierhumpen in der Hand angestürmt und wollte das Ganze fix klären. Allerdings waren recht schnell ein paar Brandenburger Polizisten herbeigeeilt, welche die Treppe bewachten und die nun besetzte Kneipe abschirmten. Das könne doch nicht sein, fluchte der Ahrensfelder, das sei seine Stammkneipe! In filmreifer Manier wollte er sich ganz allein auf den Weg machen, doch hielten ihn zwei, drei Mitarbeiter aus den nahen Bistros davon ab. Das Handy flog auf den Boden, der Schaum stand vor dem Mund.
Im ganzen Trubel verließen fix vier Fußballfreunde die Union-Kneipe und riefen nur, dass sie nicht zu Babelsberg gehören. Gut möglich, dass diese einfach keinen Bock auf Stress hatten. Es bedurfte nicht allzu viel Phantasie, um zu ahnen, was nun kommen würde. Da die Brandenburger Polizeibeamten auf Berliner Stadtgebiet keine Befugnis hatte, aus Sicherheitsgründen die Kneipe zu räumen und die Babelsberger zur S-Bahn zu bringen, zog man sich einfach nach geraumer Zeit zurück. Die Babelsberger Fans waren nun völlig auf sich allein gestellt. Es wunderte schon ein wenig, wie schmerzfrei man diesem Viertel, das feinsten Ost-Charme versprüht, einfach mal ein Besuch abstattet und in aller Ruhe ein Bierchen in einer Lokalität zischt.
Kaum waren die Polizeibeamten verschwunden, öffnete sich der „Gitarrenkoffer“ (man denke an den Film Desperado) und etliche Ahrensfelder waren nun am Start und eilten zu ihrer geliebten Kneipe. Mit aller Deutlichkeit wurden die Babelsberger gebeten, besser den Weg gen S-Bahnhof anzutreten. Kurze Wortgefechte, ein paar Rempeleien - wenig später erreichten die Babelsberger den Bahnhof, und die Ahrensfelder zogen sich zur Kneipe zurück. Nun konnte das Bier fließen und der Tag wurde noch einmal ausgewertet. Trotz Niederlage war die Laune nicht übel. Die Mannschaft bereitet in der Landesliga große Freude, und das Auswärtsspiel beim FC Stahl Brandenburg im Dezember dürfte das Highlight der Saison werden. Vorausgesetzt, Corona macht keinen Strich durch die Rechnung …
Fotos: Marco Bertram, Tobi
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Benutzer-Kommentare
Schön finde ich ,lieber Marco Betram, die Einschätzung zu unserem Team und glaube mir, nichts lieber als der Aufstieg ist unser Wunsch!
Bevor hier einige Pseudofans Marco als Märchenerzähler hinstellen, kehrt erst einmal vor eurer Tür.
Der Bericht, so wie er oben steht, ist zu 100% geil geschrieben und auch wahrheitsgemäß. Wer Marco als "Biffze" hinstellt, der verfolgt wohl eher weniger seine Berichte und liest nur das, was er lesen will. Den letzten Bericht über den BFC, hat Marco glaube vor Wochen geschrieben, und das gegen Chemie Leipzig...Marco ist eher woanders Stammgast und macht eine mehr als gute Arbeit.
Letztlich schreibt er es so, wie es tatsächlich passiert ist und nicht so, wie es einige gerne hätten.
Von mir gibt's 5 Sterne und wenn es 6 geben würde, dann würde er auch diese erhalten.
Freue mich auf die nächsten Berichte die ich lesen darf.
Grüße, eine Babelsberger Drecksau.