Hansa ist groß! 2.10.1991: Sieg gegen Barcelona! 2.10.2021: Sieg in Kiel!

Hansa ist groß! 2.10.1991: Sieg gegen Barcelona! 2.10.2021: Sieg in Kiel!

Im Westen mussten der Meister 1. FC Kaiserslautern und die UEFA-Cup-Teilnehmer SV Werder Bremen und VfB Stuttgart erst einmal die Landkarte bemühen, um ihre jeweiligen Gegner zu verorten. Etar Tarnovo, Bacau und Pecsi Munkas waren nun wirklich nicht der Brüller. Anders beim letzten DDR-Meister (*Zwinkersmiley*) F.C. Hansa Rostock. Trainer Uwe Reinders hatte sich als Los den FC Barcelona gewünscht - und dieser Wunsch wurde prompt erfüllt. Barça - mehr ging damals nicht! Gemeinsam mit dem AC Milan war Barça in Europa schlichtweg das Maß aller Dinge. Kaum jemand sprach damals von PSG oder Manchester City. Die Namen der damaligen Barça-Spieler sind 30 Jahre später noch wie Musik in den Ohren. Zubizarreta, Ronald Koeman, Michael Laudrup, Pep Guardiola, Goikoetxea, Eusebio Sacristán, Hristo Stoichkov. Diese Mannschaft war dermaßen grandios, dass sogar der spanische König Juan Carlos mitspielte. Spaß beiseite, aber Juan Carlos Rodrigez Moreno aus Puente Castro stand in der Tat mit in der Startformation.

„Die Katalanen vom FC Barcelona kommen - keine Angst vor großen Namen! Einsatzwillen, Kampfgeist und Offensive sind entscheidende Grundlagen!“ Mit diesen Worten wurden am 2. Oktober 1991 im Programmheft des F.C. Hansa Rostock die Zuschauer zum Rückspiel im Ostseestadion herzlich begrüßt. Das Heft kam im A4-Format daher, und auf dem Cover war eine Spielszene aus dem Hinspiel im Camp Nou zu sehen.

Hansa mit der ELBO-Werbung auf der Brust, der FC Barcelona noch mit blanken Trikots. Noch zeigte im Hintergrund die Anzeigetafel ein 0:0 an, doch der bulgarische Stürmer Hristo Stoichkov war bereits auf der Lauer. Die Treffer erzielten vor den 65.000 Zuschauern jedoch andere. Michael Laudrup traf in der 25. und 46. Minute, in der 76. Minute unterlief Jens Dowe ein Eigentor. 3:0 der Endstand. 

Die Hoffnung war im Rückspiel nicht allzu groß, doch gibt es im Fußball immer wieder Wunder. Jüngst hat dies der FC Sheriff Tiraspol auswärts bei Real Madrid nachdrücklich unter Beweis gestellt, als kurz vor Ende der Hammer rausgeholt und zum 2:1 eingelocht wurde. So oder so freute man sich an der Küste riesig auf das Rückspiel im Ostseestadion. Jedoch überschätzte man die Kaufkraft und den Willen der Hansa-Fans. Alles hat seine Grenzen. Die Eintrittspreise von 40 bis 100 Deutsche Mark waren definitiv zu hoch angesetzt. Solche Preise in einer Zeit, in der viele mit Kurzarbeit, finanzieller Unsicherheit und Arbeitslosigkeit zu kämpfen hatten, waren schlichtweg absurd. Nachdem der Vorverkauf schleppend anlief, wurde die Notbremse gezogen. Die Preise wurden halbiert. Zu spät. Am Abend des 2. Oktober 1991 fanden sich nur 8.500 Zuschauer auf den Rängen ein.

Begrüßt wurden die Zuschauer im Programmheft vom damaligen Oberbürgermeister Dr. Klaus Kilimann. Darunter gab es eine fette grüne Werbung zu sehen. „Kaufhof vorher Centrum Warenhaus“. Rostock im Wandel. Der gesamte Osten im Wandel. „Recht auf Luxus“, hieß es in einer Reklame eines Autohauses. „Nehmen Sie den kürzesten Weg nach Dänemark“ - mit diesem Slogan warb eine Fährlinie für eine spontane Fahrt ins nördliche Nachbarland. Plötzlich war alles möglich. Jeder wollte der Partner sein. Die Versicherungen, ein Modehaus, diverse Autohäuser, ein Händler für Schutzbekleidung, eine Krankenkasse, eine Hausgeräte-Händler und Firmen, die wiederum Werbemaßnahmen anboten. Am Besten kam sicherlich auf Seite 22 die Werbung für Spirituosen aus Rostock an. „Alles aus einem Haus“. Eine Seite weiter konnte die Fanartikel- und Souvenirangebotsliste eingesehen werden. Ein Schal für 15 DM, ein Feuerzeug für 2,50 DM, ein T-Shirt mit großem Emblem für 9,90 DM, ein Sweatshirt mit kleinem Emblem für 39,90 DM.

Damals wie heute aktuell: „Werden Sie Mitglied im F.C. Hansa Rostock e.V.!“. Der Aufnahmeantrag wurde auf Seite 21 oben rechts gleich abgedruckt. Darunter eine dösende Ziege mit dem ELBO-Shirt. „Das Schönste am Fußball sind die Pausen!“ Die Ziege tauchte noch an anderen Stellen des Heftes auf. „Ein Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag!“ - „Ich bin ein Hansa-Fan! Man gönnt sich ja sonst nichts!“

Zum Spiel: Im Ostseestadion waren aus Spanien angereiste Gästefans nicht erkennbar, dafür jedoch einige dänische Fußballfreunde, die allein wegen Michael Laudrup vor Ort waren. Als auch noch einige dänische Stoffe an den Zaun gehängt wurden, kam es zu Boxereien mit den Rostockern. Die Polizei fackelte nicht lange und führte die dänischen Jungs aus dem Stadion, was zu einem lauten Applaus der Rostocker Zuschauer führte. Großartig verpasst hatten die Dänen eh nix, denn Michael Laudrup ging an jenem kühlen Herbstabend leer aus. Nicht leer aus ging indes der F.C. Hansa! Es wurde Geschichte geschrieben! Die Rostocker Mannschaft wurde zunehmend bissiger, kämpfte um jeden Ball - und das mit Erfolg! Nach einer Flanke vom nach der Pause für Juri Schlünz ins Spiel gekommenen Stefan Persigehl köpfte Michael Spies in der 64. Minute freistehend zum 1:0 ein. 

„Und Tor!!!“, hieß es bei der Liveübertragung im ZDF. „Ich hatte es vorausgesagt - das wird jetzt ein anderes Spiel. Zwei Minuten nach der Führung brachte Uwe Reinders den zuvor aus Chemnitz geholten Harald Krämer für Jens Wahl ins Spiel, wenig später schoss Michael Spies einen strammen Freistoß über das spanische Gehäuse. Tja, wenn dieses Ding womöglich im Dreiangel gesessen hätte. Laute Pfiffe ertönten in der 74. Minute. Gezeigt wurde gerade noch, wie der ausgewechselte Hristo Stoichkov ein wenig angefressen in die Katakomben stapfte, da kam Stefan Persigehl nach einem guten Zuspiel von Florian Weichert im gegnerischen Strafraum zu Fall. „Foul! Und? Er lässt weiterspielen ...“, durfte der Zuschauer vor den heimischen Bildschirmen vernehmen. 

Zu grobkörnig sind die damaligen Aufnahmen, um sich festlegen zu können, ob es eine klare Berührung gab oder nicht, jedoch schnupperte es recht kräftig nach einem fälligen Elfmeter. Vielleicht hatte der italienische Schiedsrichter Pierluigi Pairetto aber einfach nur Bammel vor möglichen Wutausbrüchen von Johan Cruyff. Am Ende blieb es beim 1:0. Immerhin! Welche Mannschaft kann schon von sich behaupten, den großen FC Barcelona im Europapokal der Landesmeister besiegt zu haben? Sehr vielen Vereinen gelang dies nicht ... 

Zeitsprung. 30 Jahre später. Der F.C. Hansa Rostock ist selbstverständlich immer noch groß und spielt inzwischen wieder in der 2. Bundesliga. Es steht außer Frage, dass eines Tages auch der FCH mal wieder auf dem europäischen Parkett spielen wird. Der 1. FC Union Berlin hat schließlich gezeigt, wie es funktionieren kann. Aktuell ist jedoch der Klassenerhalt das große Ziel, und nachdem in Nürnberg und daheim gegen den FC Schalke 04 grandios aufgespielt, aber jeweils unglücklich verloren wurde, mussten nun bei Holstein Kiel drei Punkte her.

Exakt auf den Tag genau 30 Jahre nach dem Auftritt im Europapokal der Landesmeister trat der F.C. Hansa am vergangenen Samstag an der Kieler Förde an. Im Schlepptau offiziell 1.300 Hansa-Fans, es werden jedoch ein paar mehr gewesen sein. Passend zum Tag wurde im Gästeblock ein Spruchband präsentiert: „02.10.91: Barcelona geschlagen. Hansa war, ist und bleibt groß.“

Und endlich! In Kiel fielen die sehnlichst erwarteten Tore. „Schalke hat Terodde, wir haben Verhoek!“, erklärte ein Hansa-Fan nach dem Spiel. Als Hansa damals gegen Barça gespielt hatte, war John Verhoek, der in Leidschendam geboren wurde, zwei Jahre alt und trat sicherlich bereits in Hof und Garten gegen den Gummiball. Gerade mal zarte sieben Wochen alt war Julian Riedel, der in Leverkusen das Licht der Welt erblickte. Gut möglich, dass er damals zu meiner Ausbildungszeit am Rhein in der Einkaufsstraße in Leverkusen City im Kinderwagen an mir vorbei kutschiert wurde. Ebenso bereits damals auf der Welt waren Markus Kolke (1990 geboren), Hanno Behrens (1990 geboren) und Ridge Munsy (1989 geboren).

Um aufs Spiel in Kiel zurückzukommen: John Verhoek glückte ein exzellenter Doppelschlag in der 32. und 35. Spielminute und ließ somit die angereisten Fans endlich einmal wieder frenetisch abtitschen. Nach einer Ecke kam Verhoek mit der Fußspitze an den Ball und brachte ihn zum 1:0 für Hansa unter. Nur drei Minuten später spielte Roßbach den Ball zu Neidhart, und dieser bediente mustergültig den vorn bereitstehenden Verhoek. Dieser spielte seinen Gegenspieler Simon Lorenz aus und schloss dann von schräg links mustergültig ab. Bähm! Endlich! 

In der Folge machte zunächst Holstein Kiel Druck, doch hatte Hansa dieses mal das Glück des Tüchtigen - und den wieder stark haltenden Torwart Markus Kolke. Im zweiten Spielabschnitt war wieder Hansa am Drücker und kam zu weiteren Möglichkeiten, doch konnten diese nicht verwertet werden. Sei es drum, die enorm wichtigen drei Punkten waren im Sack. Nachgelegt werden kann nun im Heimspiel gegen den SV Sandhausen, am 24. Oktober geht es dann schließlich nach Hamburg zum FC St. Pauli…

Anmerkung: Beide Spiele gegen den FC Barcelona sind im Buch Kaperfahrten - Mit der Kogge durch stürmische See“ zu finden. Als warm-up für den 24.10. sind auch die Kapitel über die Partien gegen den FC St. Pauli sehr empfehlenswert. Weitere Infos und Bestellmöglichkeit sind auf der privaten Webseite zu finden. Wir sehen uns in Hamburg! 

Fotos: Matthias, Arvid Langschwager, Marco Bertram, Heiko Neubert, Keili

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

Artikel wurde veröffentlicht am
04 Oktober 2021

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