Wenn ein Galão nicht genügt: XXL-Interview mit zwei duften Berliner SV Meppen-Fans

Wenn ein Galão nicht genügt: XXL-Interview mit zwei duften Berliner SV Meppen-Fans

Es geht Schlag auf Schlag beim Culturcon Verlag. Parallel zu den Fußballfibeln über den VfL Wolfsburg und Rot-Weiss Essen geht derzeit auch der Band über den SV Meppen in den Druck. Sich der Sache angenommen hatten Alexander Bosch (1983 geboren) und Michael „Mika“ Reckordt (geboren 1981), die beide vor geraumer Zeit nach Berlin zogen und sich bei einem Auswärtsspiel ihres SV Meppen in Magdeburg kennengelernt hatten. Nach einem ersten Anschnuppern meinerseits bei einem Heimspiel des BFC Dynamo im Sportforum Hohenschönhausen folgte nun das Interview bei einem Käffchen vor der Markthalle in Kreuzberg. Die Beiden hatten so viel zu erzählen, dass ein „Galão“ mit Herzchen auf dem Milchschaum weiß Gott nicht genügte. Gedanklich ging es zurück in die Zweitligazeiten der 90er, in die Zeiten, als der SV Meppen in der Regionalliga und Oberliga teils über die Dörfer tingelte, sowie in die jüngere Vergangenheit. Kurios: Als ihr Buch ins Layout ging, war der SV Meppen sportlich abgestiegen. Am grünen Tisch (KFC Uerdingen 05 musste runter) wurde die Klasse dann doch noch gehalten. Die 3. Liga - da sind sich die Beiden einig - ist für die Emsländer quasi die Champions League. Mehr dazu im folgenden Gespräch.

turus.net: Moin Ihr Beiden. Bevor wir später auf Euer gemeinsames Buch zu sprechen kommen, lasst uns ein wenig über alte Zeiten reden. Könnt Ihr Euch noch an Eure allerersten Spiele beim SV Meppen erinnern? Wann waren die - wer waren die Gegner? 

Mika: Ja, Moin. Mein erstes Meppen-Spiel wäre 1995 gegen Hertha BSC gewesen. Es ist aber wegen einsetzendem Schneetreiben ausgefallen. So habe ich zwei Wochen später (19. März 1995) einen 3:0-Sieg gegen Jürgen Klopps Team gesehen. Er war ja damals Spieler beim 1. FSV Mainz 05. Seitdem bin ich in wechselhafter Beziehung zum Verein.

Alex: Moin Marco. Also ich bin mit 3 oder 4 Jahren nach Meppen gezogen und anschließend dort aufgewachsen. Mein erstes Meppen-Spiel war - da kann ich mich relativ gut dran erinnern - nach einem Besuch bei meiner Oma in Holland. Da sagte mein Papa, so wir müssen jetzt mal los. Im Auto sagte ich zu ihm, ich wolle mit zum Spiel. Das war nen Pokalspiel gegen Hertha BSC (11. Oktober 1992), das Meppen nach Verlängerung leider verlor. Wir hatten 2:1 geführt, und in der 90. Minute unterlief unserem damaligen Torhüter Manfred Kubik ein grandioser Fehler, indem er einen langen Ball vom damals noch eher unbekannten Mario Basler unterschätzte. In der folgenden Saison war ich mit Papa bei jedem Spiel. Das erste Auswärtsspiel, an das ich mich erinnere, war das nach Wuppertal mit meiner Schwester und meinem Papa. Erst zum Zoo, dann zum Fußball. Wir hatten 1:0 gewonnen, und ich kann mich eigentlich nur noch an diese Baustelle im Stadion am Zoo erinnern. Ich weiß gar nicht, ob da überhaupt weitere Meppen-Fans vor Ort waren. 

turus: Ihr habt ja jetzt das Buch zusammen gemacht. Hattet Ihr Euch in Meppen kennengelernt oder erst später hier in Berlin?

Mika: Wir haben uns tatsächlich auswärts in Magdeburg kennengelernt. Da hatte ich Alex auf der Toilette angesprochen. Ich kannte seine Nase von früheren Spielen. Wir haben gemeinsame Freunde aus dem Mommsenstadion von Tennis Borussia, und bei jenem Spiel sind nicht so viele Leute aus Berlin nach Magdeburg gefahren. Zwar viele in Blau-Weiß, aber halt wenige aus Meppen. Später war unsere erste gemeinsame Tour die nach Cottbus, wo wir Wollitz zwei Punkte geklaut haben. Das war zu Liga-3-Zeiten. Ich muss dazu sagen, dass ich nicht direkt aus Meppen, sondern aus Ost-Westfalen komme.

turus: Im Buch wird das Nachmittagsspiel (21. März 2012) beim Berliner AK 07 erwähnt. Wart Ihr damals eigentlich beide vor Ort im Poststadion?

Alex: Also, ich war tatsächlich da. Ich hatte wirklich immer jede Möglichkeit genutzt, zu den Spielen zu fahren. Allerdings waren es zu Oberliga-Zeiten eher die Heimspiele und weniger die Auswärtsspiele. Zu jener Zeit dann mal nach Hamburg, wenn es einen interessanteren Gegner gab. Am platten Mittwoch mal eben auswärts nach Rheden zu fahren, war von Berlin aus dann halt nicht drin. Das angesprochene Spiel beim BAK war ganz schön für mich. Es war so nen Feeling wie damals. Ich bin mit dem Fahrrad hingefahren, von Neukölln aus ins Poststadion. Es waren aus Meppen nicht viele da. Zwei Neuner nur, da das Nachholspiel ja unter der Woche am Nachmittag ausgetragen wurde. Das Spiel war natürlich mau. 1:0 geführt, 1:5 verloren.

Danach wurde die Mannschaft noch zur Rede gestellt. Zwar lief es sportlich nicht gut, aber trotzdem waren diese Regionalliga-Nord-Zeiten, damals gab es ja nur drei Staffeln und Nord und Nordost wurden zusammengelegt, fantechnisch ganz nett. So war ich beispielsweise bei RB im Zentralstadion, wo wir uns gar nicht so schlecht geschlagen hatten. Und in Magdeburg. Apropos, wie haben noch nie in Magdeburg verloren. Damals 2012 hatten wir 0:0 gespielt und quasi ein Heimspiel gehabt, weil Block U das Spiel boykottierte. 

turus: Zu genau jenen Zeiten hätte der BFC Dynamo zu gern in der Regionalliga gespielt, aber der Aufstieg wurde mehrere Male vermasselt. Da wir uns neulich beim BFC im Sportforum getroffen hatten, war jemand von Euch vorher schon mal bei einem Heimspiel des BFC?

Mika: Ja, und tatsächlich auch im Sportforum. Und zwar beim Spiel BFC Dynamo II gegen Tennis Borussia. Die erste Mannschaft des BFC hatte zeitgleich in Magdeburg gespielt, und die hatte sämtliche Ordner und Security-Kräfte mitgenommen. Es war damals ein sehr skurriles Spiel. TeBe konnte noch aufsteigen aus der Berlinliga, aber es wurde 0:1 verloren. Es gab zu jenem Spiel kein Gäste-Catering, es gab keine Heimfans. Es war ein merkwürdiger Nachmittag im Sportforum.

Alex: Ich war bereits paar Mal im Sportforum. Unter anderen beim Saisonvorbereitungsspiel gegen Chemnitz. Vor zwei Jahren war ich noch mal gegen Babelsberg dort. An diesem Tag hatte meine zweite große Liebe - Ajax Amsterdam - das Europapokalrückspiel gegen Tottenham Hotspur bestritten und verkackt. Witzig war aber, im Babelsberg-Block hatte ich noch einen zweiten Meppener getroffen, der mich dann ansprach und fragte, was ich denn hier treibe. Mein Gesicht ist halt in Meppen recht bekannt, da ich auch in sportlich dürftigen Zeiten zu den meisten Spielen fuhr. Er indes war auf Montage in Brandenburg und nutzte die Gelegenheit, mal das Sportforum mitzunehmen. Was Ajax betrifft, so hatten wir in der Familie eine Dauerkarte in Meppen und bei Ajax. Das hatte meist zeitlich gut gepasst, da sie zu unterschiedlichen Zeiten gespielt hatten.

turus: Nun denn, es könnte ja passieren, dass der BFC Dynamo in naher Zukunft mal in Meppen spielt. Aktuell ist er in der Regionalliga Nordost ganz oben dabei. Ich wurde vorhin von zwei BFCern gefragt, was im Falle einer Sause nach Meppen empfehlenswert sei. Wo könnte man prima ein Bier trinken, was müsste man sich anschauen? 

Mika: Prinzipiell würde ich sagen, auf jeden Fall die Stadiongaststätte, doch in die wird man die BFC-Fans sicherlich nicht lassen …

Alex: Woran ich mich immer gern erinnere, sind die alten Zweitligazeiten. Mit Mutti und Vati sind wir erst einmal vormittags auf den Wochenmarkt gegangen. Meppen ist ja quasi wie nen Dorf, auch wenn wir das Stadtrecht haben. In der eigentlichen Stadt wohnen ja auch nur rund 20.000 Leute. Und dann sind wir also einkaufen gegangen, und die ersten Gästefans saßen bereits vor dem Hotel Schmidt am Markt, vor der Gaststätte „Up’n Bült“, vor dem „Köpi“. Im Großen und Ganzen ist alles, was am Marktplatz liegt, sehr beliebt. Auch in der Gaststätte im Rathaus kann man prima einkehren. Es kommt natürlich immer drauf an, wann das Spiel ist. In Frühling und Sommer kann man sich dort schön hinsetzen, paar Pils trinken und dann von dort aus zum Stadion laufen. Fußweg sind das nur 15 bis 20 Minuten.

Was der HFC mal gemacht hat, als er da war, war eine Bootstour mit der „Amisia“. Was sie nicht auf dem Plan hatten, war der Umstand, dass nach dem Abbrennen von Pyro auf dem Boot, die konservativen Emsländer die Polizei gerufen hatten. Die hatten die Hallenser gleich einkassiert und Betretungsverbote ausgesprochen. Was sich jedoch prinzipiell anbietet, ist einfach dort gleich ein ganzes Wochenende zu bleiben und sich auch die umliegende Gegend anzuschauen. Holland ist zudem auch nur nen Sprung entfernt, dort könnte man ja auch hoppen gehen.

turus: Es gibt ja in der 3. Liga immer wieder ein paar Vereine, die den Ruf haben, Old School zu sein. Das Stadion, das Umfeld, die Atmosphäre. So zum Beispiel Fortuna Köln. Als die zwischenzeitlich mal wieder hochkamen, freuten sich nicht wenige, mal wieder ins Südstadion zu fahren. Was in den 90ern manchmal belächelt wurde, wird heute hoch geschätzt. Wie schätzt Ihr beide es ein, wie viel des 90er-Jahre-Charmes blieb bei Euch in Meppen erhalten? 

Mika: Das Stadion selbst hat sich bis auf die Gästetribüne nicht großartig verändert. Die „neue“ Haupttribüne wurde ja auch bereits zu Zweitligazeiten 1993 eingeweiht. Es ist noch einiges da aus der alten Zeit. So zum Beispiel die Anzeigetafel, die auch sehr Old School wirkt. Was es jedoch leider nicht mehr gibt, was ich damals richtig geil fand, ist die Fankapelle. Die gab damals immer das Signal, wenn Gesänge angestimmt wurden oder zur Attacke geblasen wurde. Dadurch, dass die Ultras auf die alte Tribüne gewechselt sind und unter dem Dach stehen, hat sich der Stimmungspol ein wenig verlagert. Zum Positiven, da jetzt an mehreren Orten Lautstärke aufkommt. Es ist einfach ein enges, geiles Stadion. Hoffen wir mal, dass die alte Tribüne noch ein Weile stehenbleibt. Es gibt ja Pläne, diese zu verändern bzw. neu zu bauen. 

Alex: Der Charme ist definitiv geblieben. Was sich aber verändert hat, ist die Nordkurve. Die wurde begradigt und ist jetzt der Gästeblock. Was sich jedoch leider zudem verändert hat, ist das Ding mit den Sicherheitsauflagen. Früher konntest du ähnlich wie im Karl-Liebknecht-Stadion oder im Mommsenstadion im Heimbereich einmal rumgehen. Den Freunden Hallo sagen. Das ist in der Form nicht mehr möglich, da die Blöcke jetzt einzeln eingezäunt sind. Insgesamt betrachtet, ist der Charme aber geblieben. Um jedoch den Sponsoren besser was anbieten zu können, muss in Zukunft die alte Tribüne durch eine Neue ersetzt werden. Wichtig ist, dass die so eng bleibt wie die Jetzige. Rico Schmitt deutet es ja in jedem Interview an, wie geil er die Atmosphäre findet.

Bei uns ist ja so, dass die Zuschauer, die Rentner direkt hinter den Trainerbänken sitzen. Die beschimpfen die Gästetrainer 90 Minuten lang. Da wird auch mal auf die Wellblechüberdachung gehauen, da ist richtig Action. Wollitz hasst Meppen, wir hassen ihn. Zu seiner Zeit bei Bayer 05 Uerdingen hatte er bereits einmal gesagt, dass er Meppen hasst. Seitdem war das Verhältnis klar. Wenn er mit seiner jeweiligen Mannschaft nach Meppen kam, gab es immer volle Banane. Aber auch als Heimtrainer bekommt man sein Fett ab. Ständig geben die Rentner Anweisungen. Ey Trainer, du musst Spieler XY einwechseln! Ich hoffe wirklich, dass nach einem Umbau diese Enge bleibt. Was sich nicht geändert hat, ist die Stadiongaststätte direkt hinter der alten Fankurve. Nach dem Spiel trifft man sich dort und trinkt sein Bier. Du kannst dort auch reingehen und dein Bier in Plastikbechern mit rausnehmen. Früher zu Oberligazeiten, als die Zuschauerzahlen bei 1.800 bis 2.000 lagen, konntest du sogar dein Bierglas mit rausnehmen.

Was natürlich Charme hat, ist der Standort des Stadions. Wir spielen dort, lass mich überlegen, seit 1924 an genau diesem Ort. Es ist zu Fuß und mit dem Auto gut erreichbar. Ich hoffe, dass niemals in Erwägung gezogen wird, den Standort zu wechseln und ein neues Stadion auf dem Feld an der A31 zu errichten. Wir hatten es vorhin schon, diese Nähe zur Stadt ist einfach genial. Du hast dort gleich, wenn man über die Ems geht, das Bermudadreieck mit dem Meppener Nachtleben. Da bist du vom Stadion aus wirklich in zehn Minuten. Wenn Gästefans da sind, ist es auch immer ganz nett. Kommt aber natürlich drauf an, wie das Verhältnis zum jeweiligen Gastverein ist. Unsere Hools und unser schwierigeres Klientel hängt meist im „Jersey“ rum. Und da kommt es natürlich wirklich drauf an, wie die Lage ist. Ich kann mich an ein Gastspiel von Hannover 96 II erinnern. Die hatten sich an einem Mittwochabend bei einem Hallenturnier oder so überlegt, spontan zwei Busse zu organisieren und bereits am Freitagabend nach Meppen zu fahren. Die haben sich in Meppen eingemietet, und dann kam es zu Auseinandersetzungen, sodass eine weitere Hundertschaft der Polizei aus Osnabrück rangekarrt werden musste. Die hatte dann die alte Hubbrücke über die Ems abgesperrt. Die Hannoveraner mussten dann im Bereich des Marktplatzes verweilen, und die Meppener durften im Bermudadreieck bleiben.

Was jedoch die Osnabrücker Polizei nicht wusste, dass es eine Umgehungsstraße gibt. Die Meppener sind dann mit Großraumtaxen in die Altstadt gefahren, und dann gab es mehrere Schlägereien. Fakt ist, früher wurde Meppen belächelt, heute finden es viele geil. Die Nähe, der alte Charme. Für mich ist das Emslandstadion neben der Bremer Brücke in Osnabrück - das sage ich auch als Meppener - eines der geilsten Stadien. Mega ist natürlich auch das Ruhrstadion in Bochum. Was man auch merkt bei uns in Meppen, es ist noch stimmungsvoller jetzt. Alle singen, die Stimmung hat sich verbessert, die Haupttribüne macht auch mal mit. Besser geworden sind auch die Auswärtsfahrerzahlen. Klar, auswärts in Zwickau wirst du im Normalfall nur 200 Leute vor Ort haben, aber nach Dresden würden locker 1.000 Fans mitfahren, weil ältere Nomalo-Fans das Ganze mit einem Altstadtbummel verbinden. In Rostock waren wir auch 500 Leute, in Magdeburg sind es auch meist 500 Leute. In Braunschweig waren wir sogar 800 Leute. Das für eine Kleinstadt schon enorm. 

Mika: Was ich auch geil finde am Emslandstadion sind die Stehplätze vor den Sitzplätzen. An beiden Tribünen lang, hast du vorn die Stehplätze. Das macht das Ganze noch energischer, man ist nah dran. Und natürlich mega, sind die Backsteine bei der alten Tribüne. Sollte der Verein eines Tages eine neue Tribüne errichten, würde ich das geil finden, wenn zumindest wieder Backsteine mit verbaut werden. Ich finde, das hat schon was von einem englischen Stadion. 

Alex: Was bei der Enge los sein kann, hast du ja kürzlich beim Pokalspiel gegen Hertha gesehen, als der unsägliche Davie Selke in der Nachspielzeit das Kopfballtor gemacht hatte, sich vor der Kurve feierte und mit allem beworfen wurde, was nicht niet- und nagelfest war. Ich kann mich noch an eine andere Situation erinnern. Und zwar an einen Dialog mit einem Spieler, der zu uns wiedergekommen ist. Das war Gerdes-Wurpts. Der ging zum Rivalen nach Oldenburg. Er hatte sich sehr unbeliebt gemacht, hatte einmal auf der Haupttribüne ein paar Meppener beleidigt und kam dann wieder zu uns zurück. Als meine Gruppe und ich ihn dann bei einem Spiel beleidigten, rief er nur: „Komm doch rüber übern Zaun!“ Verrückte Zeiten. Ich kann mich noch an ein anderes Spiel erinnern. Da hatten wir mal in Norderstedt gespielt, da sind Papa und ich mit Kumpel Edo hingefahren. Das war damals nen Dorfplatz, und Papa saß auf der Haupttribüne. Edo war so nen kleiner Prollo und hatte nen Gegenspieler bepöbelt. „Reicht es nicht mal zum Stammplatz, oder was?“ Da kam der Spieler prompt über die Bande und fragte: „Wat willste denn jetzt? Links und rechts vor dir Ohren?“ Edo und ich waren damals 15 und haben uns mal gleich lieber verpisst. 

Mika: Man sieht halt bei uns in Meppen, das ist ein gewachsenes Stadion. Nicht viel machen kann man natürlich an der Südtribüne, sonst würde man aus der Kneipe heraus nichts mehr sehen. Das finde ich alles schon sehr schön. Diese Lage im Wohngebiet finde ich auch beim Bochumer Ruhrstadion und der Bremer Brücke so genial.

turus: Osnabrück ist wirklich rekordverdächtig. Dort gibt es sogar einen Hinterhof, der direkt ans Stadion grenzt. Wir waren mal mit Dinamo-Riga-Mützen beim Heimspiel gegen Energie Cottbus dort. Eine legendäre Partie, bei der wir zu viert sehr viel Spaß gehabt hatten …

Alex: Apropos, Osnabrück. Ich hatte dort mal studiert und ging dort oft in den Gästebereich. Die waren immer total irritiert, als ich an der Kasse meinen Studentenausweis vorgelegt hatte. „Sie sind doch aber Osnabrücker?“, wurde ich immer gefragt. Das war im Gästeblock immer nett. Ich bin mal in der Hoffnung hingegangen, dass der VfL Osnabrück absteigt. Und zwar gegen Kickers Offenbach (18. Mai 2008). Am Ende hatte Osnabrück mit 3:0 gewonnen und Offenbach musste runter. Vor mir waren richtig alte Männer am Weinen, und wir - also nen Kumpel und ich - standen einfach nur da. Dann kam die Polizei noch an und hat die Leute rausgeschoben. Die gestandenen Männer um die 50 hatten dann noch die Polizisten angemacht. „Sie Unmenschen, lassen Sie uns hier drin! Wir sind gerade abgestiegen!“

Aber klar, ich kannte das Gefühl. Ich bin am letzten Spieltag mal nach Kiel gefahren, da sind wir zuvor aus der Regionalliga in die Oberliga abgestiegen. Um wieder aufzusteigen, mussten wir eigentlich „nur“ gewinnen. 2.000 Meppener fuhren am 30. Mai 2008 nach Kiel, und ich düste mit dem Auto hoch. Wir hatten 1:0 geführt, und dann hatte ausgerechnet Michael Holt in der 53. Minute den Freistoß geschossen. Ausgerechnet Michael Holt, der zuvor (und auch später) bei uns Meppen gespielt hatte. Mit seinem großen Bruder hatte ich immer Fußball gebolzt, in ner Kleinstadt kenn man sich halt. Michael Holt ließ sich nach seinem Treffer in Kiel paar Wochen nicht in Meppen sehen, später musste er sich dann hier erklären … Aber zurück zum Gästeblock in Osnabrück. Ich war mal dort, als Paderborn aufgestiegen ist. Die hatten damals nicht mal den Block vollgekriegt, das musst du dir auch mal reinziehen …

turus: Gut, kommen wir mal auf Eure Fußballfibel über den SV Meppen zu sprechen. Aber sei zuerst die Frage gestattet, ob Ihr schon andere Bände gelesen habt. Wann seid Ihr das erste Mal auf diese Reihe gestoßen?

Alex: Ich hatte ja eine Zeitlang beim Fanprojekt Babelsberg gearbeitet, und auf diesem Wege bin ich in Kontakt gekommen mit der Babelsberg-Fibel. Das Buch kam damals raus, und dann war die Frage, organisieren wir eine Lesung oder nicht. Später hatte ich dann die Fußballfibeln über First Vienna und den FC St. Pauli gelesen. Reinziehen wollte ich mir jetzt auf jeden Fall die Fußballfibel „In 90 Minuten um die Welt“, die Michael Stoffl geschrieben hatte. 

Mika: Ich hatte tatsächlich noch keine Fußballfibel komplett gelesen, was allerdings nur daran lag, dass mich die Vereine nicht angesprochen hatten. Ich bin aber gespannt auf die Rot-Weiss Essen Fußballfibel, da ich einige Zeit auch in Essen gelebt habe. Dann gibt es ja zwei Fibeln, die in Planung sind. Unter anderen die über Tennis Borussia. Ich würde mich auch freuen, wenn es eines Tages eine Fibel über Tasmania Berlin gibt. Die würde ich sehr gern lesen.

turus: Und wer von Euch beiden hatte als erstes Kontakt mit Frank Willmann?

Alex: Er hatte mich in Babelsberg mal angesprochen bei einem Spiel gegen den FC Carl Zeiss Jena, ob ich Leute in Meppen kenne, die vielleicht ein Buch schreiben wollen. Es gab ein paar Interessenten, die aber das Projekt immer weiter vor sich hinschoben. Alle paar Monate hatte ich sie gefragt, und nachdem immer weitere Ausreden kamen, sagte ich mir, dann mache ich das selber. Da hatte ich auch Mika bereits gefragt, ob er nicht Bock habe. Quasi auf Umwegen kam es dann dazu, dass wir die Sache in die Hand genommen haben, weil wir es schade fanden, dass es womöglich gar kein Buch über Meppen geben würde. Mika und ich haben uns dann dazu entschlossen, diese Fibel gemeinsam herauszubringen. 

Mika: Mir war auch von Anfang an klar, dass wir dieses Buch nicht ganz allein schreiben würden. Wir haben dann erstmal Artikel gesammelt. Ich war ja vorher nicht professionell journalistisch tätig. Ich hatte bis dato ein paar Fanzines herausgebracht. Wichtig war uns, da wir jetzt beide in Berlin wohnen, auch Leute zu Wort kommen, die weiterhin in Meppen vor Ort sind und das dort alles verfolgen. Ich finde es prima, dass aus verschiedenen Perspektiven berichtet wird. Unter der Fragestellung, was bedeutet Euch eigentlich der Verein und was macht diesen Verein aus? 

Alex: Es gibt ja dann auch das Fanprojekt in Meppen, das noch nicht so lange existiert. Die hatten uns dann auch unterstützt, indem sie einen Aufruf gestartet haben. Die haben es geschafft, dass es auch einen Aufruf in der Stadionzeitung gab. Wer Interesse hatte einen Beitrag zu schreiben, sollte sich einfach per E-Mail melden. Das ergab sogar Kontakte, die ich bislang noch gar nicht kannte. Zum Beispiel zu Meppenern, die in Süddeutschland leben, oder zu Meppen-Fans im nördlichen Emsland, wo ich in der Regel auch nicht so häufig bin. Was ja viele Leute nicht wissen, das Emsland ist der zweigrößte Landkreis in Deutschland. Flächenmäßig größer als das Saarland. Um aufs Fanprojekt zurückzukommen, dieses war uns echt eine große Hilfe. Hinzu kommen natürlich noch eine Menge und Freunde und Bekannte, die einiges beisteuern konnten. 

Mika: Was auch wichtig ist, zu erwähnen, ist der Fakt, dass wir dieses Buch während der Corona-Zeit geschrieben haben. In der vergangenen Saison hatten wir sogar zwischenzeitlich am Tor zur zweiten Liga geklopft, und als wir schließlich mit dem Buch fertig waren, waren wir sportlich in die Regionalliga abgestiegen. In dem Moment, als die Fibel ins Layout ging, packten wir den Klassenerhalt am grünen Tisch. Uerdingen musste dann ja runter. Was für uns auch klar war, Fußball ist nichts ohne Fans. Wir haben dann auch mal Fans von unseren Rivalen befragt. Wir haben sowohl in Osnabrück, als auch Oldenburg Leute, die wir kennen, gefragt, ob sie nicht aus ihrer Perspektive über die Rivalität was schreiben wollen. Bei Altona 93 habe ich einen alten Freund, der einen Text verfasste. All diese Text sagen sehr viel aus über den SV Meppen, und dieser Punkt ist wirklich was Besonderes bei dieser Fibel.

Alex: Wir haben das ja unterteilt nach Stadionblöcken. Im im Gästeblock sind dann die angesprochenen Artikel drin. Es ist schön, auch mal den Blick von außen zu haben. Rivalitäten gehören zum Fußball dazu, und Rivalitäten sollten ausgelebt werden. Trotzdem hat man natürlich auch Freundschaften bzw. private Kontakte bei den rivalisierenden Vereinen. Diese Freundschaften ruhen dann aber am Spieltag… 

turus: Eine abschließende Frage an Euch. Wo sieht Ihr den SV Meppen in zehn Jahren stehen? Was würdet Ihr Euch wünschen? Und was ist realistisch?

Mika: Tatsächlich ist die 3. Liga meine Lieblingsliga. Es gibt einige Traditionsvereine, es gibt einige enge ältere Stadien. Die Spielzeiten sind geil, die Übertragungen in den dritten Programmen sind super. Magenta macht es auch ziemlich gut. Ich würde mir einfach wünschen, dass wir wie früher, als wir ein Synonym für Zweitklassigkeit waren, nun eine feste Größe der 3. Liga werden und eher mal oben an der Tabellenspitze schnuppern. Meine große Angst wäre, wieder in die Regionalliga zu fallen. Für mich hier aus Berliner Perspektive ist es fast unmöglich, dann das Geschehen so intensiv zu verfolgen wie ich es zuletzt getan habe. Mein Wunsch und auch ein realistisches Szenario ist es, dass wir auch in zehn Jahren in der 3. Liga spielen. Ganz klar, lieber mal zwischen zweiter und dritter Liga pendeln als unten in Abstiegsgefahr geraten. Aber es muss auch klar sein, die 3. Liga ist unsere Champions League. Das passt schon gut.

Alex: Da stimme ich dir zu. Auch mein Wunschtraum wäre, dass wir noch immer in der 3. Liga spielen. Ich wünsche mir aber auch, dass wir in der Jugendarbeit besser aufgestellt sind, sodass auch Eigengewächse die Chance haben sich hier zu behaupten und eines Tages in der ersten Mannschaft zu spielen. Schön wäre auch, dass wieder das Grenz-Potential ausgenutzt wird und man den einen oder anderen Spieler aus den Niederlanden holt. Ein echter Standortvorteil von Meppen ist nun mal die Nähe der Niederlande. Das Gehaltsniveau in der zweiten holländischen Liga ist nicht so hoch, da kann man ruhig mal gucken. Wichtig ist mir zudem, dass der SV Meppen ein eingetragener Verein bleibt, man in der Breite gut aufgestellt ist und man sich nicht abhängig macht von einer einzigen Person. Was wirklich nicht passieren darf, ist der Abstieg in die Regionalliga. Nicht, dass ich den Viertligafußball scheiße finde, den schaue ich hier in Berlin auch an. Wir müssten allerdings zurück in die übelste Regionalligastaffel. Du hast dort kaum Traditionsvereine. Mal abgesehen von Oldenburg, Kickers Emden und Arminia Hannover. Ansonsten spielst du dort wieder auf dem Dorf. Und das wäre tödlich. Ich hoffe einfach nur, dass wir auch in zehn Jahren drittklassig spielen. Vielleicht ja zwischendurch mal ein, zwei Jahre in der 2. Bundesliga. 

Mika: Mir ist es auch sehr wichtig, dass wir weiterhin ein eingetragener Verein bleiben und wir auf lokale Sponsoren, auf lokale Unterstützung setzen. Wichtig ist mir auch das zivilgesellschaftliche Engagement des Vereins. Das ist halt ein wirklich großer Unterschied zu den 90ern. Über social media äußert man sich nun ganz klar gegen rechte Umtriebe im Stadion. Man setzt auf Vielfalt und zeigt, dass das Emslandstadion vielfältiger ist als man vielleicht denken mag. Ich würde mir auch wünschen, dass die Frauenmannschaft wieder in der ersten Liga spielt und in dieser etablieren kann. Ich würde es großartig finden, den SV Meppen im Fernsehen zu schauen, wenn die Frauen in der 1. Bundesliga gegen den FC Bayern München spielen. Es wäre natürlich toll, wenn aus der Stadt bzw. aus der Region mehr Leute zu den Spielen der Frauen gehen…

turus: Das ist doch ein prima Abschluss eines wirklich langen Interviews. Ich danke Euch beiden für das Gespräch, wünsche Euch viel Erfolg mit der SV Meppen Fußballfibel, und wir sehen uns dann im Herbst ganz sicher bei einer der ins Auge gefassten Lesungen.

Fotos: Arne Amberg, Marco Hensel, Marco Bertram, Sachseninformer, Matthias Backhoff, Los Misenas, Claude Rapp

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Artikel wurde veröffentlicht am
07 September 2021

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Kommentare
Einmal mit dem Regionalzug nach Meppen bitte!
Sehr sympathisch! Klasse statt Masse und Charakterstärke zeichnen Fans von Vereinen wie Meppen aus.
Was würden wir dafür geben, mal wieder in Meppen zu spielen.
Am 4.5.1988 hatte ich leider keine Zeit, so lang ist es her...
http://ssv-archiv.de/archiv/ergebnisdatenbank/vereine/meppen_sv.htm
Hoffentlich nächstes Jahr dann!
SU
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G
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G
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