Old-School-Tour vom Feinsten: Bayer 04 Leverkusen siegt beim 1. FC Lok Leipzig

Old-School-Tour vom Feinsten: Bayer 04 Leverkusen siegt beim 1. FC Lok Leipzig

Für ältere Leverkusener Fußballfreunde, die sowohl damals am 7. Mai 1994 als auch kürzlich am 7. August 2021 zu Gast in der Messestadt Leipzig waren, dürfte der Erlebnisfaktor bei beiden Auswärtstouren ähnlich gewesen sein. Damals das alte marode Zentralstadion - heute das altehrwürdige Bruno-Plache-Stadion, das mit seiner Holztribüne den Charme der ganz, ganz alten Zeiten versprüht.

Was war das im Mai 1994 für die rund 700 Zugfahrer ein Kulturschock, als sie vom Leipziger Hauptbahnhof aus von der Polizei durch die Straßen gen Zentralstadion geleitet wurden! Willkommen im tiefsten Osten! Fregestraße, Hinrichsenstraße und Waldstraße waren damals noch nicht durch saniert, und demzufolge hafteten die Blicke zahlreicher Bayer-Fans an den grauen, teils übel heruntergekommenen Fassaden. An anderer Stelle hatten ein paar Lev-Hools ein Stelldichein mit einigen Leipzigern und spielten mit der Polizei Katz und Maus.



Der Verein hatte damals zum Saisonabschluss den Fans einen Sonderzug spendiert, sodass rund 700 Bayer-Fans das Angebot angenommen hatten und gen Sachsen düsten. Sportlich ging es für den einen nur noch um die Goldene Ananas und für den anderen um den Einzug ins internationale Geschäft. Der damalige VfB Leipzig war bereits abgestiegen, für Leverkusen ging es indes darum, Rang drei zu sichern. Vor insgesamt 5.100 Zuschauern im weiten beeindruckenden Rund gingen die Rheinländer mit Hilfe des Eigentores von Dieter Hecking nach einer Viertelstunde mit 1:0 in Führung. Der VfB Leipzig wollte sich allerdings mit Anstand aus dem Fußballoberhaus verabschieden und konnte nur fünf Minuten später ausgleichen. Alexander Opoku hatte den Ball im Gehäuse unterbringen können.



Nach etwa mehr als einer halben Stunde war es Paulo Sérgio, der nach Vorarbeit von Christian Wörns die Leverkusener mit 2:1 in Front bringen konnte. Eine Minute zuvor musste der VfB-Spieler Helmut Gabriel mit Gelb-Rot vom Platz. Da sollte doch wohl nix mehr anbrennen. Denkste! Bei bestem Sommerwetter legte Dirk Anders für Frank Edmond in der 77. Minute auf, und plötzlich hieß es 2:2. Die wenigen Leipziger Fans hinter den aufgehängten Zaunfahnen wurden noch einmal laut. In der 89. Minute war es dann jedoch Ulf Kirsten, der mit seinem Treffer die Erlösung für die zahlreich angereisten Bayer-Fans brachte. Abklatschen am Zaun, die Tour nach Leipzig wurde eine runde Sache.



27 Jahre später kam es nun im Rahmen des DFB-Pokals zum Wiedersehen. Bekanntlich wurde nach der Insolvenz des VfB Leipzig im Jahr 2003 der 1. FC Lokomotive wieder neu ins Leben gerufen. Traditionslinie bleibt Traditionslinie. Von daher darf sicherlich gern von einem Wiedersehen gesprochen werden. Nicht so recht erfreut zeigten sich die Lok-Fans der Fankurve 1966 über den Gast aus dem Rheinland. „Leverkusen, das wahrscheinlich langweiligste Los der Welt“, stand während der Partie auf einem Spruchband geschrieben. Vielleicht hätte man sich mehr über Paderborn, Fürth, Wolfsburg, Hoffenheim oder Heidenheim gefreut. Ich weiß es nicht. Fakt ist, fantechnisch gibt es in Deutschland wahrlich schlechtere Nummern. Und somit waren es gar nicht mal sooo wenige, die sich auf den Weg in die Messestadt gemacht hatten. Und das trotz der derzeitigen Umstände und Regeln, auf die aktuell nicht jeder Fußballfreund Lust hat.



Wer von Leverkusen aus den Weg nach Leipzig Probstheida auf sich genommen hatte, wird es ganz gewiss nicht bereut haben. Mal wieder richtig Old School. In einer langgezogenen klassischen Stehkurve stehen, vor dem Spiel ein bisschen die Muffe haben (die Loksche hat ja ihren Ruf *Zwinkersmilie*), und dazu der sensationelle Blick auf die Haupttribüne. Apropos, kürzlich feierte das Bruno-Plache-Stadion seinen 99. Geburtstag! Am 5. August 1922 wurde es als V.f.B. Stadion zu Leipzig mit dem Spiel V.f.B. Leipzig vs. SC Victoria Hamburg (2:3) feierlich eingeweiht. „Enkel mögen kraftvoll walten, schwer Errungenes zu erhalten!“, sprach der Vereinsvorsitzende Erich Chemnitz bei seiner Festrede. Einen Tag nach der Einweihung wurde diese Spielstätte Schauplatz für eine bedeutende Partie, die in die Geschichte eingehen sollte.



Nachdem am 18. Juni 1922 im Deutschen Stadion in Berlin das Meisterschafts-Finale zwischen dem Hamburger SV und dem 1. FC Nürnberg nach 189 Minuten (!) beim Stand von 2:2 aufgrund einbrechender Dunkelheit abgebrochen werden musste, wurde das Wiederholungsspiel am 6. August 1922 in Leipzig ausgetragen. Vor 40.000 bis 50.000 Zuschauern, manche Quellen sprechen sogar von bis zu 80.000 Zuschauern, wurde die Partie nach 105 Minuten abgebrochen, da der Glubb nach Platzverweisen und Verletzungen nur noch sieben Spieler auf dem Platz hatte. Anfangs wurde dem Hamburger SV der Titel zugesprochen, später jedoch verzichtete der HSV auf diesen. Offiziell gibt es 1922 keinen Deutschen Meister, auf der Meisterschale sind jedoch für die umstrittene Fußballmeisterschaft 1921/22 sowohl der 1. FC Nürnberg als auch der Hamburger SV als Meister eingraviert.



Am vergangenen Samstag waren es 6.800 Zuschauer, die sich im Bruno-Plache-Stadion eingefunden hatten. Mehr also als einst im Mai 1994. Im Gästeblock hatten sich schätzungsweise rund 500 Bayer-Fans eingefunden, die sich über zwei frühe Tore ihrer Mannschaft freuen durften. Der gelbe Rauch war in der Fankurve 1966 gerade verzogen, als Kerim Dimirbay nach fünf Minuten die Gäste vom Elfmeterpunkt aus in Führung bringen konnte. Verdammt bitter für den 1. FC Lokomotive, hatte er doch eine Minute zuvor eine richtig fette Chance zum 1:0. Maik Salewski hatte allein vor Bayer-Keeper Lukas Hradecky den Treffer auf dem Fuß, haute den Ball jedoch über das Gehäuse. Laut hallte das „L-O-K“ durch das Rund, wenig später dann die Ernüchterung.



Lok Leipzig ließ nicht den Kopf hängen, nach einem Freistoß folgte eine weitere gute Möglichkeit. Dieses Mal nach einem hereingebrachten Freistoß mit dem Kopf. Wiederum fast im direkten Gegenzug machte Bayer 04 ein weiteres Tor. Nach einer Ecke war die Lok-Abwehr nicht achtsam genug, Karim Bellarabi brauchte aus kurzer Distanz nur noch reinzuhauen. Bereits nach einer Viertelstunde hatten die Leverkusener das Weiterkommen fast in trockenen Tüchern. Aber gut, man erinnere sich mal an den Lerverkusener Auftritt vor zehn Jahren bei Dynamo Dresden, als nach 3:0-Führung noch 3:4 verloren wurde. Und ja, Lok Leipzig spielte prima mit, hielt das Ganze noch halbwegs offen und kam zu Möglichkeiten. Hätte es womöglich den Handelfmeter für die Loksche gegeben, dann aber richtig Fahrradkette!



Einen Hammer gab es noch in der 87. Minute zu sehen, und zwar auf Seiten der Rheinländer. Kerem Demirbay haute von schräg rechts einen Freistoß prall unter die Latte. Voilà - das war echt nen Pfund! 3:0 für Bayer 04 - der Lok-Lolli war gelutscht. Oder Drops, oder was auch immer. Die Gästefans feierten nach Abpfiff das Weiterkommen, auf Heimseite durfte man stolz sein auf die blau-gelbe Mannschaft, die gut Paroli bieten konnte.

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Fotos: Schädel Lev, Marco Bertram, K. Hoeft

Vielen Dank an das NETZwerk „Blau-Gelb“ für die historischen Infos!

> zur turus-Fotostrecke: Bayer 04 Leverkusen

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Lokomotive Leipzig

Artikel wurde veröffentlicht am
10 August 2021
Spielergebnis:
0:3
Zuschauerzahl:
6.800
Gästefans
500

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DFB-Pokal

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G
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G
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Klasse!!
G
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C
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G
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