Moin moin! Norddeutscher Klönsnack vom Feinsten: Flensburg 08 verpackt in der Fibel

Moin moin! Norddeutscher Klönsnack vom Feinsten: Flensburg 08 verpackt in der Fibel

 
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„Flensdörp. Wat för ne scheune, lütte Stadt an dat groote, pustige Meer …“ Flensburg! Woran denken wir, wenn wir diesen Namen hören? Lasset mich raten. An die bösen Punkte in Flensburg. An das herb-leckere Getränk, das so hübsch „flenzt“. Und selbstverständlich an die Handballer der SG Flensburg-Handewitt, die bislang dreimal Deutscher Meister und 13-mal (!) Deutscher Vizemeister wurden. Sonst noch wat? Der eine oder andere wird womöglich schon mal dort oben gesegelt und im nahen Hafen von Glücksburg abgelegt sein. Und wat is mit Fußball? Keine Frage, in Schleswig-Holstein gaben und geben meist die beiden Platzhirsche VfB Lübeck und Holstein Kiel den Ton an. Zuletzt in den Fokus geriet der Flensburger Fußball, als im Mai 2018 der FC Energie Cottbus auf den SC Weiche Flensburg 08 traf, sich am Ende durchsetzen und den Aufstieg in die 3. Liga feiern konnte.

Wat für ne Weiche? Noch nie gehört! So dachte man damals im Frühjahr 2018. Kein Wunder, ist Weiche Flensburg ja auch erst im Jahr zuvor im Zuge der Auflösung von Flensburg 08 und des Beitritts der Mitglieder ins Leben gerufen worden. Zuvor ließ man als ETSV Weiche den Ball rollen und dürfte außerhalb von Schleswig-Holstein nicht wirklich großartig bekannt gewesen sein. Nun ist die Frage, ob es bei Flensburg 08 der Fall war.

Als sich der allgemeine Fußballfreund im Zuge der Aufstiegsrunde 2018 das erste Mal mit dem SC Weiche Flensburg 08 beschäftigt hatte, fielen gewiss die Vereinsfarben ins Auge. Auf dem Papier steht Blau-Weiß-Rot, doch erinnern das Hellblau und das leicht Weinrote ein wenig an Aston Villa oder West Ham United. Eine coole, modische Kombination möge man denken, doch sind wir gleich beim Punkt. Das Flensburger Urgestein Frank-Peter Hansen, das bereits zahlreiche Bücher geschrieben hat, nahm sich jüngst der Sache an und verpackte die Historie von Flensburg in eine Fußballfibel, die als Band 41 beim Verlag CULTURCON medien erschienen ist. Nix Weiche! Flensburg 08! Die traditionellen Farben Blau und Gelb schmücken das Cover des Buches, und was die aktuellen Vereinsfarben von Weiche Flensburg betrifft, so findet der bekannte Philosoph und Schriftsteller sehr deutliche Worte:

„Aber bei Vereinsfarben und in der Spielstättenfrage (siehe unten) kenne ich denn doch keinen Spaß. Heißt, da führt kein Weg vorbei an den Gründungs-Farben des Clubs. Und die sind bei Flensburg 08 immer schon das Blau-Gelb von Goethes Werther gewesen. Die Farben der Fahne des Vereins, an dem unser Herz hängt, um- schlingen das Cover dieses Buches, alles andere zählt nicht. Die schönsten Komplementärfarben überhaupt, neben den weiß-rot-blauen natürlich, auch wenn die keine Komplementärfarben sind. Blaues Trikot, gelbe Büchs, blaue Stutzen bei Auswärtsspielen; gelbes Trikot, blaue Büchs, blaue Stutzen bei Spielen zu Hause im Mürwiker Stadion. So hat der Spieler unseres Vereins aufzulaufen. Wie annodunnemals in den Seventies und auch schon davor. Da lass ich nicht mit mir reden, auch und gerade, weil nach der Flensburg-Weiche-Fusion im Frühjahr 2017 eine wie auch immer im Laufe der letzten Jährchen abgewandelte Horrorfarbenkombination jeweils an der Tagesordnung ist. Das sind doch keine Farben, das ist ein den Augen Schmerz zufügendes pastellfarbenes Streifenhörnchenmuster mit Null Identifikationspotenzial. Und außerdem: Die Klamotten scheinen, wenn ich mir’s recht überlege, abgekupfert zu sein. Die Fly Emirates-Trikots des FC Arsenal müssen in den Hinterköpfen der Designer rumgegeistert sein, als sie sich an die Verhohnepipelung des Flensburger Originals gemacht haben.“

Wenngleich auf der Fußballfibel die alten Farben und der alte Name zu sehen sind, geht es in dem Buch sehr wohl auch um das aktuelle Geschehen bei Weiche Flensburg. So geht Frank-Peter Hansen auf die aktuelle Corona-Problematik ein und verfasste während der eigentlichen Schreibarbeit immer wieder Anschreiben, die er an die DFB-Zentrale in Frankfurt am Main schickte. Wie es denn nun weiter gehen würde, lautete die große Frage. Nach gewisser Zeit bekam er von einem Referenten eine ausführliche Antwort. Die aktuellen Fakten: Das letzte Spiel in der laufenden Saison trug der SC Weiche Flensburg 08 am 18. Oktober 2020 beim Lüneburger Sport-Klub Hansa aus. Im Jahn-Stadion in Neetze konnten die Flensburger vor 323 Zuschauern mit 2:1 gewinnen und die Tabellenführung in der Gruppe Nord der Regionalliga Nord festigen. In der Gruppe Süd führt oh Graus der SV Werder Bremen II die Tabelle vor dem TSV Havelse an. Doch halt! Sowohl Weiche Flensburg, als auch die Amateure von Werder Bremen hatten nicht für die 3. Liga gemeldet, somit stünde der TSV Havelse (trotz Protest der Oldenburger) für das Aufstiegsduell gegen den Vertreter aus Bayern bereit.

Fakt ist, der SC Weiche Flensburg 08 wird auch in der Saison 2021/22 in der Regionalliga Nord spielen. Die Heimspiele werden im an der Bahnstrecke Hamburg-Flensburg gelegenen Manfred-Werner-Stadion ausgetragen. Ein Idyll geht anders, schreibt Frank-Peter Hansen, der wohl zurecht dem alten lauschigen Flensburger Volksparkstadion (Stadion Flensburg-Mürwik / Flensburger Stadion) nachtrauert. Eingeweiht wurde diese Spielstätte einst im Jahre 1927, und demzufolge schnuppert es dort an jeder Ecke nach Fußballhistorie. Am 17. Mai 1981 fand dort sogar vor 14.000 Zuschauern das das sogenannte WM-Comeback-Spiel Deutschland-England statt. Da aktuell in diesem Stadion keine sogenannten Sicherheitsspiele ausgetragen werden dürfen, müssen die Heimspiele von Weiche Flensburg im besagten Manfred-Werner-Stadion stattfinden. Und der Blick auf google maps besagt: Diese Spielstätte befindet sich zwischen einem Wohngebiet und einem Gewerbepark unmittelbar an der Bahntrasse im Stadtteil Weiche, südwestlich des Stadtzentrums. Vom Flensburger Volksparkstadion ist es indes nur ein Sprung bis zur Förde.

Apropos Förde. Die Fußballfibel von Frank-Peter Hansen hebt sich sehr von den anderen Bänden ab. Und wie es sich für einen Philosophen und Schriftsteller gehört, wird reichlich mit der Sprache hantiert. So stellt er in einem eigenen Kapitel seine Heimatstadt, in der er im März 1956 das Licht der norddeutschen Welt erblickte, vor. Moin moin! Und wie so oft in diesem Werk findet er teils überaus liebevolle und teils sehr deutliche Worte. So heißt es unter anderen im Kapitel über seine Heimatstadt Flensburg: „Der hohe Norden. Flensdörp. Ich bin, mein Nachname lässt ganz tief blicken, gebürtiger Flensburger. Hansen. Alter Flensburger Adel. Noch blaublütiger als beispielsweise Petersen oder Jensen. Genauer, ich bin am südlichen Stadtrand der Grenzmetropole aufgewachsen, in Sünderup. Als es sich dort zu leben noch gelohnt hat. Hügelige Angeliter Knicklandschaft. Muss ich noch mehr sagen? Seit aber, glücklicherweise Jahre nach meiner eigentlichen Kindheit, Sünderup trabantenstadtmäßig eingekreist worden ist, ist das ganze dörfliche Ambiente und das Aroma von strohdachbehauster Kuscheligkeit futsch. Vernichtet durch einen Verhau von lieblos dicht an dicht stehenden Einfamilien- und Rei-henhäusern. Richtung Norden zunächst. Dann Richtung Westen. Anschließend wurde der Süden zubetoniert. Und gerade jetzt sind sie unentwegt dabei, in den Osten eine Schneise der Verwüstung zu schlagen. Gemäß dem Motto: Tarup, wir kommen oder sind bereits da. Eingekreist von der städtebaulichen Zukunft, die längst Gegenwart geworden ist und weiterhin täglich, stündlich, minütlich ... wird. Lediglich das im Süden gelegene Dörp Tastrup ist sich annähernd treu geblieben, bis auf die Tatsache, dass auch dort in Richtung Hürup eine Neubausiedlung entstanden und bis heute im Entstehen begriffen ist.“

Ab Kapitel 5 auf Seite 49 geht es schließlich los mit der Historie von Flensburg 08, die wie es sich leicht erahnen lässt im Jahre 1908 - genauer gesagt am 14. April 1908 ihren Anfang hatte. 0815 wird in den folgenden Kapitels nix herunter geschrieben, vielmehr wird auch hier mit der vollen Sprachpalette gearbeitet. Wird es jedoch sportlich spannend, so wird das Ganze auch mal fix auf den Punkt gebracht: „Volle Hütte. 8.000 Zuschauer! Bombenstimmung. Der Bär war los. Angstschweiß nicht bloß in den Handflächen, das Ding könnte in die falsche Richtung laufen. Was es dann ja auch, Gott 51 sei’s geklagt, getan hat. Zittrige Knie. Immer wieder den Torschrei auf den Lippen.“ 

Viele gaaaaaanz große Momente hatte der Verein nicht, doch war Flensburg 03 in den Jahren 1973 und 1974 als Schleswig-Holsteinischer Meister jeweils kurz vor dem Sprung in die Regionalliga. In der Aufstiegsrunde 1973 strömten 8.000 Zuschauer in das Flensburger Stadion, um das Heimspiel gegen Concordia Hamburg (2:4) zu sehen. Im Jahr darauf scheiterten die Flensburger bei der Deutschen Amateurmeisterschaft in der ersten Runde am TSV Bayer 04 Leverkusen. SHFV-Pokalsieger wurde Flensburg 08 im Jahre 1957, in der folgenden ersten Runde des Norddeutschen Pokals schied man jedoch gegen den VfR Neumünster aus. Und klar doch, die Meisterstücke von 1973 und 1974 nehmen im Buch zurecht sehr viel Platz ein. Das Gute: Frank-Peter Hansen war als Jugendlicher damals vor Ort. Wie der Zufall es wollte, bestand er genau zu jenem Zeitpunkt sein Abitur und zog 1974 nach West-Berlin, um dort Germanistik und Philosophie zu studieren. Neben etlichen wissenschaftlichen Büchern veröffentlichte er drei Romane (Schlütt, Verlorenort, Solutio) und bislang fünf in Flensburg, im Harz und/oder auf der Nordsee-Halbinsel Nordstrand spielende Regionalkrimis. 

Fazit: Wer sich für die Historie eines nicht so bekannten Nordlicht-Vereins interessiert und auch wenig Wortspielereien mag, der sollte unbedingt diese Fußballfibel lesen. Und ja, im hinteren Bereich des Buches kommt auch das Fantechnische in den Kapiteln „Küstenlümmel – die Stimme beim SC Weiche 08“ und „Fangeflüster“ nicht zu kurz. Was es mit „De witte Fruu“ und der „Beate Uhse-Arena“ auf sich hat, soll an dieser Stelle noch nicht verraten werden…

Fotos: Frank-Peter Hansen, Marco Bertram, Los Misenas

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Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
11 Mai 2021

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