57, 58, 59, 60 - Sechzig! 1860! Die spinadn Fuaßballgigerl

57, 58, 59, 60 - Sechzig! 1860! Die spinadn Fuaßballgigerl

 
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Voll wie eine Haubitze legte mir der neben mir stehende Kuttenträger seinen Arm auf meine Schultern und grölte mir ein kraftvolles „57, 58, 59, 60 - Sechzig! 1860!“ ins Ohr. Wobei das nicht auf Anhieb gelang. Mehrmals verzählte er sich und lallte plötzlich was von „16, 17, 1860“. Wir befanden uns im Herbst 1991, und es muss irgendwo auf einer Auswärtsfahrt mit dem TSV Bayer 04 Leverkusen gewesen sein. In Bochum, in Bremen, in Gladbach. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall hatte nicht der TSV 1860 München gespielt, denn dieser kickte zu jener Zeit - gerade auferstanden aus der Bayernliga - in der 2. Bundesliga. Keine Ahnung, weshalb der Leverkusener mit seiner arg ranzigen Kutte mir damals diesen Schlachtruf ins Ohr gegrölt hatte. Vielleicht war es das „TSV“, das ihn an die Sechziger erinnert hatte. In jedem Fall war es das erste Mal, dass mir dieses markante „57, 58, 59, 60 …“ ins Hirn eingehämmert wurde.

Der TSV 1860 München war ein Mythos. Klar, das ist er auch heute noch. Jedoch hörte sich das damals - in der Zeit vor dem Internet und der täglichen medialen Überflutung - alles noch viel geheimnisvoller an. Münchener Löwen. Städtisches Stadion an der Grünwalder Straße. Das klang gruselig gefährlich schön. Dazu das Wappen. Eine echte Ansage. Hatte jemand diesen stehenden Löwen hinten auf der Kutte - dann machte das wirklich was her. Ganze neun Jahre am Stück - von 1982 bis 1991 spielte der TSV 1860 München in der Bayernliga (damals dritthöchste Spielklasse) und zog über die bayrischen Dörfer. Zu Gast beim SC Lohhof, dem TSV Eching und der SpVgg Weiden. Nachdem endlich der Meistertitel gefeiert werden durfte, setzten sich die Münchner Löwen in der Aufstiegsrunde gegen Hessen Kassel, den 1. FC Pforzheim und Borussia Neunkirchen durch. 

In der Folge rückte in meiner ersten aktiv besuchten Fußball-Saison 1991/92 auch der TSV 1860 München ein wenig in den Fokus. Es sprach sich rum, dass der TSV 1860 meist mit voller Fan-Kapelle antrat und häufig für Furore sorgte. In der Zeitschrift FanTreff konnte dann schwarz auf weiß nachgelesen werden, was alles beim Duell VfB Leipzig vs. TSV 1860 München geschah. Leider waren auch die Fotos in Schwarz-Weiß, denn im Stadion und vor den Toren ging es kräftig zur Sache. Leider packten die Löwen am Ende nicht den Klassenerhalt und mussten wieder den bitteren Weg in die Bayernliga antreten. Starnberg, Passau und Vestenbergsgreuth statt Waldhof Mannheim, Hansa Rostock, Hannover 96 und MSV Duisburg. Allerdings wurde im Grünwalder Straße zum Angriff geblasen. Unter Trainerlegende Werner Lorant marschierten die Münchner Löwen mal eben durch und spielten in der Saison 1994/95 nach einer gefühlten Ewigkeit wieder in der 1. Bundesliga. So ließ ich es mir nicht nehmen, noch eimal fix an die Grünwalder Straße zu fahren, um ein dortiges Heimspiel mitzunehmen. In der zweiten Hauptrunde des DFB-Pokals durfte ich am 10. September 1994 bewundern, wie der Aufsteiger die Werkself aus Leverkusen mit 4:1 im Elfmeterschießen (1:1 n.V.) schlagen konnte. 

Auf die alten Zeiten! Und wer diese mag, der ist bei der 2019 erschienenen TSV 1860 München Fußballfibel goldrichtig. Die Autorin Stephanie Dilba, die 1976 geboren wurde und seit über 30 Jahren Löwenfan ist, füllte 180 Seiten und räumt der Historie des Vereins einen wirklich angemessenen Raum ein. So wurde unter anderen ausführlich über die Löwen in der Zeit des Nationalsozialismus geschrieben. Im Kapitel davor geht es um das Finale um die Deutsche Meisterschaft am 14. Juni 1931, das im Müngersdorfer Stadion in Köln ausgetragen wurde. „Der wahre Deutsche Meister wäre München 1860“, schrieb damals die Berliner Zeitung nach jener packenden Partie. Der Kicker sprach von einem „prachtvollen Fußballspiel“ der Blau-Weißen, doch am Ende konnte sich der Favorit aus Berlin durchsetzen. Hertha BSC gewann das Finale nach zweimaligem Rückstand mit 3:2. Der Siegtreffer durch Kirsei fiel in der 89. Minute. 

Zeitlich noch weiter zurück geht es im Kapitel „ Die spinadn Fuaßballgigerl“, in dem die Anfänge der Fußballabteilung des TSV 1860 München beleuchtet werden. Spannend und hochinteressant! Auch für Nicht-Löwenfans. Mit in die Fußballfibel reingepackt wurden Anekdoten von anderen Sechzigern. So zum Beispiel von Herbert Schröger, der am 11. Juni 1977 zum Relegationsspiel gegen Arminia Bielefeld fuhr. Der Tabellenzweite der Staffel Nord musste gegen den Tabellenzweiten der Staffel Süd antreten. Der Gewinner aus Hin- und Rückspiel stand als dritter Aufsteiger in die 1. Bundesliga fest. Nun kommt’s aber! Das Hinspiel in Bielefeld wurde mit 0:4 verloren - das Rückspiel im Münchener Olympiastadion gewannen die Löwen mit 4:0. Ein Entscheidungsspiel musste her - und dieses wurde im Frankfurter Waldstadion ausgetragen. Tausende 1860-Fans hatten sich auf den Weg gemacht, überall ertönte das „Heja, heja! T!!! S!!! V!!!“ Vor 60.000 Zuschauern schossen William „Jimmy“ Hartwig und Gerorg Metzger die späten Tore. Die Münchner Löwen hatten das Wunder eingetütet! 

Was soll man sagen? Die Fußballfibel vom Stephanie Dilba ist gespickt mit zahlreichen tollen Anekdoten. Wer kann sich denn noch an die Europapokal-Teilnahme 1995/96 erinnern? Der TSV 1860 spielte damals im UI-Cup gegen LKS Lodz, Kaucuk Opava und Kamas Tschelny, und da diese Partien im geliebten Grünwalder Stadion ausgetragen wurden, kamen mal eben 10.000 bzw. 12.000 Zuschauer zu den Heimspielen. 

Und was gibt es im Gastbeitrag „Der pure Wahnsinn“ von Tommy zu lesen? Die Relegation um den Aufstieg in die 3. Liga! Gegner am 24. und 27. Mai 2018 war der 1. FC Saarbrücken - und das Ganze wurde hochdramatisch. Es wurde nix für schwache Nerven. Nach dem 3:2-Auswärtssieg genügte im Rückspiel ein 2:2. Aber was heißt „genügte“?! Die Löwen lagen einer Stunde mit 0:2 hinten, dann machten Sascha Mölders und Simon Seferings die beiden Buden und ließen die Heimfans so richtig abgehen vor Freude. 0815 war und ist beim TSV 1860 München eine klare Fehlanzeige. 0815 ist auch nicht die vorliegende Fußballfibel. Klare Lese- / Kaufempfehlung!

Fotos: Marco Bertram, Claude Rapp

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Artikel wurde veröffentlicht am
16 April 2021

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