Aber in ein paar Jahren kommen wieder bessere Zeiten, bestimmt.

Rot-Weiss Essen: Ein guter Tag wieder Pokalgeschichte zu schreiben

Gut geschlafen? Ich dachte die Zeiten sind längst vorbei, dass man Fußballspiele in intensiven Träumen vorher erlebt. Vor allem Fußballspiele, die man nicht im Stadion sondern mit der Fernbedienung in der linken und einer Hopfenkaltschale der lokalen Brauerei in der rechten Hand erleben wird. Es ist schon traurig: Keine Fahrt zu Hafenstraße und kein pickepacke volles Stadion Essen beim DFB Pokal Achtelfinale zwischen Rot-Weiss Essen und Bayer 04 Leverkusen.

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Das war am 4. Oktober 1995 (1,5 Jahren nach der RWE Pokalfinalteilnahme) anders: Dauerregen, ausverkauftes Georg Melches Stadion und wir für 12 Mark mittendrin. Was für eine Atmosphäre. Kurz vor Anpfiff brannte das Stadion an allen Ecken und Enden, Raketen schossen in den Himmel und ZDF-Moderator Rolf Töpperwien leitete seinen Spielbericht mit dem nicht nur unter RWE-Fans legendären Satz ein: „Hafenstraße, Georg-Melches-Stadion, 25.000 Zuschauer, knallvolle Hütte und eine Begrüßung wie ich sie in 23 Berufsjahren außer in Mexiko City, Aztekenstadion, noch nie erlebt habe.“ (Link zu YouTube) Trotz reichlich Pyrotechnik, die anscheinend wohl sogar die Übertragungstechnik beeinträchtigte wurde das Spiel angepfiffen.



Bayer 04 Leverkusen damals (wie heute) hochkarätig besetzt mit wohlklingenden Namen wie Bernd Schuster, Rudi Völler oder Paulo Sèrgio galt natürlich als haushoher Favorit gegen den Regionalligisten (damals 3. Spielklasse) Rot-Weiss Essen. Aber es wurde ein Pokal-Fight der Extraklasse: In der 36. Spielminute ging die Werkself erwartungsgemäß in Führung, aber kurz vor der Pause konnte Dirk (Putsche) Helmig mit einem Kopfball ausgleichen. Das Stadion glich jetzt schon einem Tollhaus. Fast direkt nach Wiederanpfiff ging Leverkusen durch Paulo Sèrgio wieder in Führung, aber auf den Ausgleich mussten die Fans nicht lange warten. In der 57. Spielminute netzte Christian Dondera ein. Essen hatte in der Folge mehrere Riesenmöglichkeiten zur Führung aber schlussendlich traf die abgezockte Werkself zweimal hintereinander durch Holger Fach (63. Spielminute) und Rudi Völler (73. Spielminute).



Essen gab nicht auf („immeRWEiter“) angefeuert von den über 20.000 Fans schockten die „Roten“ die Elf aus der Chemiestadt mit einem Doppelschlag in der 74. (Christian Dondera) und 76. Spielminute (Dirk Helmig). Als der Kopfballtreffer von „Putsche“ Helmig in den Maschen landete gab es auf den Rängen kein Halten mehr. Das Ergebnis hielt bis ins Elfmeterschießen wo dann der Bundesligist die besseren Nerven hatte und ins Viertelfinale einzog. Essen bewies Moral auch in der weiteren Saison 1995/1996 und stieg am Ende in die zweite Bundesliga auf. Am 1. September 2002 trafen sich die beiden Klubs erneut im DFB Pokal. Wieder kamen über 20.000 die die Werkself mit Gesängen wie „Ihr werdet nie deutscher Meister“ versuchten aus dem Stadion zu brüllen. Am Ende wurde es ein knapper 1:0 Sieg für den Favoriten.



Im Pokalvergleich liegt Leverkusen mit zwei Siegen (1995 und 2002) vorne. RWE schaffte 1981 einen 4:1 Sieg. Im Gesamtvergleich (wenn man den frei verfügbaren Statistiken glaubt) hat Rot-Weiss Essen aber die Nase vorn: In 31 Begegnungen holten die Bergeborbecker 18 Siege und fünf Unentschieden. Nur fünfmal ging die Werkself als Sieger vom Platz. Spiele zwischen den beiden Klubs waren immer reich an Toren. Wie beispielsweise am 1. Spieltag der Oberliga West Saison 1952/1953, als Rot-Weiss Essen Leverkusen mit einem 8:1 nach Hause schickte. In der Saison holte RWE dann auch den Pokal. Nicht so ganz objektive filmische Momentaufnahmen aus dieser Zeit zeigt der erste Teil der LEV Doku „Die Pillendreher aus der Farbenstadt“ (Link zu Dailymotion). Mehr als ein halbes Dutzend Tore kriegte Leverkusen dann nochmal in der Regionalliga West Saison 1965/1966 (6:0 am 10. Spieltag) und 1971/1972 (7:0 am 30. Spieltag).



Zurück ins Heute: Die Klubs trennen inzwischen vier Ligen. Während Leverkusen um die Championsleague Plätze der Bundesliga kämpft, spielt Rot-Weiss Essen eine herausragende Saison in der Regionalliga West (4.). Aktuell gibt es nur einen ärgsten Konkurrenten um den Aufstieg in die dritte Liga, die unsägliche zweite Mannschaft von Borussia Dortmund. Zum Spitzenspiel zwischen den beiden kommt es am kommenden Samstag. Aber zuerst steht das heutige Pokalspiel an. Nachdem Essen mit Arminia Bielefeld und Fortuna Düsseldorf schon zwei Klubs aus dem Profiregal rauswarf, wartet nun heute ab 18:30 Uhr ein härteres Kaliber.





Aber Essen seit einem Jahr wettbewerbsübergreifend ungeschlagen kann Pokal und alles ist hergerichtet: Dauerregen, schlammiger Boden und sicherlich eine gut eingestellte Mannschaft (noch ohne den gestern verpflichteten Neuzugang Steven Lewerenz). Das einzige was fehlt sind die Fans. Und die dürfen auch gar nicht in Stadionnähe. Nach dem Sieg über Fortuna Düsseldorf wurde im Schatten der Corona Pandemie überschwenglich am Stadion gefeiert, was nun ein erhöhtes Sicherheitsaufkommen verhindern soll. Bleibt den Fans also nur dem Aufruf vom RWE-Vorstandsvorsitzenden Marcus Uhlig Folge zu leisten und „den Fußballabend mit einem Kaltgetränk vor dem eigenen Fernseher“ zu verbringen.

Appell: Sollte es nicht zu einer Pokalsensation reichen, macht es wie in der Saison 1995/1996 und steigt am Ende auf.

Fotos: Archivfotos und Fotos aus der aktuellen Saison.

Artikel wurde veröffentlicht am
02 Februar 2021

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Pokal ist egal. Was zählt ist der Aufstieg.
G
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G
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