Regionalliga West: So kreativ starten die Klubs in die Saison ohne Zuschauer

Regionalliga West: So kreativ starten die Klubs in die Saison ohne Zuschauer

Corona hält die Welt immer noch in Atem und vor allem den Sport. An Fußball vor tausenden von Zuschauern ist vor allem im Westen von Deutschland nicht zu denken. Eine einheitliche bundesweite Linie in Bezug auf die Zulassung von Fans in die Stadien gibt es aber aktuell aufgrund des unterschiedlichen Infektionsgeschehens aber auch wegen Profilierungsabsichten der Politik nicht. Die Leidtragenden sind die Sportler und vor allem die Vereine, die von Zuschauereinnahmen leben. Damit sind nicht die Vereine der ersten und zweiten Bundesliga gemeint, die natürlich auch ihre Zuschauer vermissen, aber sich immerhin auf die Einnahmequelle TV-Gelder verlassen können.

Anders sieht es bei Klubs aus, die außerhalb des Profi-Fußball kicken, insbesondere bei Klubs die unter Profistrukturen arbeiten, aber sportlich immer noch im Amateurbereich festhängen. Mehr als alle andere sind diese Klubs wie Rot-Weiss Essen, Alemannia Aachen oder Rot Weiß Oberhausen aus der Regionalliga West und weitere in den anderen Ligen von Zuschauereinnahmen abhängig. Aber im tiefen Westen dürfen aktuell nicht mehr als 300 Zuschauer (inklusive Mannschaften, Staff und Presse) ins Stadion, weil es die Politik so will. Klar das nicht nur die betroffenen Klubs, sondern auch die Fans sehnsüchtig und ein wenig mit Verwunderung in andere Regionen schauen, wo das Kicken vor mehreren tausend Zuschauern inzwischen gelebte Normalität ist.

In der Regionalliga Nordost dürfen manche Vereine je nach Bundesland und Hygeniekonzept vor knapp über tausend Zuschauern spielen. In der Oberliga NOFV Süd in der aktuell der Traditionsverein Rot-Weiß Erfurt spielt, dürfen zum kommenden Heimspiel der Erfurter im Steigerwaldstadion gegen den FC International Leipzig am 5. September sogar 2.160 Fans kommen. Der Bundesligist 1. FC Union Berlin setzt sogar noch einen drauf: Zum Testspiel gegen den 1. FC Nürnberg sollen am gleichen Tag 5.000 Zuschauer in die alte Försterei kommen dürfen. Genau das Volumen was die Infektionsschutzverordnung für Freiluftveranstaltungen in Berlin vorgibt. Ja genau Berlin, da wo auch Demos der Fraktion „Aluhut“ mit angekündigten 20.000 Teilnehmern gerichtlich durchgewunken werden.

Eine andere und etwas verkehrte Welt in Nordrhein-Westfalen: Schüler auf weiterführenden Schulen müssen Masken im Unterricht (bis zum 31. August) und auf dem Schulhof tragen, während in den Orten der politischen Entscheidungen (Ministerien) keine Maskenpflicht besteht. Eines ist aber klar und wichtig: Es darf keinen großen Ausbruch an Neuinfektionen wie aktuell in Frankreich und Spanien geben, denn das würde einen Lockdown mit weit gravierenden wirtschaftlichen Auswirkungen zur Folge haben und wahrscheinlich auch ein Ende des Sports und vor allem vieler Vereine so wie wir sie kennen.

Deswegen tragen wir die Masken und folgen den politischen Entscheidungen und deswegen  nehmen die Klubs die 300 zugelassenen Zuschauer und machen das Beste draus, auch wenn sie da vom Verband wieder einmal scheinbar gehemmt werden: Schauen wir auf die Vereine der Regionalliga West, deren Saison am kommenden Wochenende beginnt. Die großen Klubs wie Rot-Weiss Essen, Alemannia Aachen, Rot Weiß Oberhausen, Preußen Münster oder der Wuppertaler SV haben (hatten) ihren Dauerkartenvorverkauf längst angestoßen, wenn auch mit unterschiedlicher Zielsetzung, was auch an den sich ständig ändernden Regularien liegt.

Beim Traditionsverein Rot-Weiss Essen, der die Saison wieder mit Aufstiegsambitionen angehen will noch mehr als in den Jahren zuvor, war man während des Lockdowns und der Vorbereitungsphase sehr engagiert. Nicht nur auf virtuelle Tickets auch auf Sondertrikots und sonstige Aktionen sprangen die Fans an. Wo die Reise ohne Zuschauer (trotz Hygeniekonzept für Publikum) hingehen könnte zeigte sich beim ersten Testspiel (wir berichteten) in Bottrop vor einem Monat. Für einen Fünfer konnten sich Fans einen Livestream des Anbieters Soccerwatch sichern. Ein erster Test wie Livestreams bei den Essener Fans ankommen würden. Auch wenn die Kameratechnik (nur eine Kameraperspektive) für einige gewöhnungsbedürftig war, wurde das Angebot doch angenommen. Beim Niederrheinpokal-Halbfinale in Velbert buchten sich gleich 2.000 Fans ein Ticket beim Dienst und konnten so den Finaleinzug der Essener verfolgen.

Einen Tag nach dem Halbfinale startete dann RWE seinen Dauerkartenvorverkauf mit einem sehr durchdachten Konzept, dem RWE-Doppel-Pass: 5.000 Dauerkarten für die kommende Saison veräußert der Klub zum gleichen Preis der Vorsaison (bei mehr Heimspielen) und zwar in der Kombination mit einem Livestream des Heimspiels (mit Kommentar und mehreren Kameraperspektiven) sollten keine 5.000 Zuschauer zugelassen werden. Vorkaufsrecht haben die „alten“ Dauerkartenbesitzer der Vorsaison. So würde man sich auch seinen alten Platz weiter sichern. Bedeutet wenn man das Spiel nicht sehen kann, kriegt man es nach Hause auf den PC oder (je nach Anbieter) auf den Smart-TV geliefert. Dazu soll es aber auch einzelne Streamingtickets pro Spieltag geben, sicherlich auch für die Fans der Gastmannschaft interessant. Die Zeit drängt und der Verein schultert einen großen Rucksack an Organisationsaufwand. Die Fans danken es und bestellen fleißig die Dauerkarten, manche wechseln sogar vom günstigen Stehplatz auf den teuren Sitzplatz nur um den Klub zu unterstützen. Innerhalb kürzester Zeit wurde nach aktuellem Stand 2.070 Dauerkarten abgesetzt und liest man in den Fanforen und sozialen Medien war das nur der Anfang. Die anvisierte Zahl 5.000 wird sicherlich geknackt. Stark!

Ein paar Kilometer weiter beim Essener Rivalen in Oberhausen startete man früher mit dem Dauerkartenverkauf (Hinrunde) in der Hoffnung das Zuschauer zu den Spielen zugelassen werden. Beim Stand von 700 verkauften Tickets für die Hinserie stoppte Rot Weiß Oberhausen aber den Verkauf, da eine Zuschauerzulassung in absehbarer Zeit nicht möglich ist. RWO schwenkte komplett auf Livestreaming um und bietet zusammen mit dem Videodienstleister LEAGUES ein auch neutral betrachtet sehr günstiges Angebot. Laut Klub soll es einen Stream in „Fernsehqualität“ geben und das für schmale fünf Euro pro Spiel oder als 35 Euro Abo für die ersten acht Heim-Spiele der Hinrunde. Die Hoffnung bei den Kleeblättern ist herauslesbar: In der Rückrunde könnte wieder vor Publikum gekickt werden, wenn auch nur vor einer reduzierten Zahl. Denn wenn eine bestimmte Zuschauerzahl im Stadion zugegen ist, dann dürfte es aber laut RWO-Vorstand Hajo Sommers kein vereinseigenen Stream mehr geben, weil die Vermarktungsrechte dann wieder beim Verband liegen würden. Wenn dem so ist, ist es sehr absurd, warum der Verband den Klubs die um ihre Existenz bangen hier in so schwierigen nicht entgegenkommen kann (wir werden diese Thematik in einem anderen Artikel noch einmal genauer beleuchten).

Auch im Bergischen Land beim Wuppertaler SV wurden Dauerkarten verkauft, wobei die aktive Fanszene (Ultras) wie bei anderen Klubs keinen Support im Stadion organisieren wird sein wird getreu dem Motto „Alle oder keiner“ folgend. Dies richtet sich nicht gegen den Klub, sondern den beim Ticket-Verkauf verbundenen notwendigen Regularien wie Personalisierung. Der WSV hat zusammen mit der Stadt ein Konzept erarbeitet beim dem 1.020 Zuschauer zu Heimspielen zugelassen werden können und einen Dauerkartenvorverkauf gestartet, aber kurz danach aufgrund der Ungewissheit wieder gestoppt. Genaue Infos wie es weitergeht ist der Webseite aktuell nicht zu entnehmen. Eine fatale Situation für den Klub in Sachen Saisonplanung. Immerhin das Zuschauermagneten Spiel gegen den Rivalen aus Essen findet erst in der Rückrunde (Anfang Mai 2021) statt.

Auch bei den Kaiserstädtern läuft der Dauerkartenvorverkauf weiter trotz Ungewissheit ob in dieser Saison Zuschauer im Stadion zugelassen werden. Alemannia Aachen hat Stand heute 1.281 Saisontickets verkauft. Keine große Zahl? Doch, denn die Fans treten vor dem Kauf alle Regressansprüche ab, sollten Spiele nicht live gesehen werden können. Aber ansonsten werden die Alemannia Fans in den Foren und sozialen Netzwerken eine Woche vor dem Ligastart (zu Hause gegen die Titel favorisierten Jungstars des BVB) langsam nervös. Das neue Trikot ist seit gestern da, aber kein kann es sehen, so die Befürchtung. Und das nicht einmal in einem Livestream der Heimspiele. Bisher hat der Klub sich diesbezüglich nicht geäußert.

Auch bei Preußen Münster dem Absteiger aus der dritten Liga hat man zwar ein Konzept für die Rückkehr von Zuschauern erarbeitet und bei Testspielen auch Fans ins Stadion gelassen, aber noch ist nichts sicher. Immerhin arbeitet der Klub laut einem eigenen Kommentar auf seiner Facebook Seite an einem „hochwertigen“ Streamingangebot. Die Preußen starten in die Saison in Rödinghausen (dort steht eine Sporttotal Kamera), dann folgt ein Heimspiel gegen Bergisch Gladbach.

Fazit: Die Saison startet zwar ohne Zuschauer aber (fast) alle Klubs sind vorbereitet, um ihren Fans die Spiele über das Internet wenigstens nach Hause zu bringen. Für die Klubs eine riesige Herausforderung und ein „technischer“ Sprung ins kalte Wasser mit vielen Unwegbarkeiten. Von Null an plötzlich einen Stream auf die Beine zu stellen ist schon stark von den Klubs, eventuelle Streaming Probleme sollten die Fans den Vereinen deshalb verzeihen. Für sie ist das auch alles Neuland, denn bis es Live-Spiele im Stadion und gemeinsame bierselige Siegesfeiern gibt, bis dahin wird es sicherlich noch sehr lange dauern. Leider!

 

Auch mal tiefer geschaut geht aber auch so einiges:

 

Auch im tiefen Amateurlager kämpfen die Klubs ums Überleben. Der DFB mit seinem üppigen Geldsäckel will nicht unterstützen außer die Gebühren zu senken und Anpassungen bei der Lizensierung vorzunehmen. Die Vereine und damit die Basis des deutschen Fußballs ist auf sich alleine gestellt. Auch wenn es in der Kreisliga nicht so hohe Zuschauerzahlen gibt wie bei höherklassigen Klubs fehlen doch einige Einnahmen von Wurst und Bier in den Kassen der vielen hundert Klubs. Den finanziellen Ausfall zu stemmen könnte für viele Vereine das Ende bedeuten.

 

 

Auf einer vom Essener Klub TC Freisenbruch (bei dem man ja virtuell am Vereinsgeschehen teilhaben kann, wie wir schon einmal 2016 berichteten) aktuell initiierten Internetseite www.geisterspieltickets.de können Sportvereine direkt virtuelle Tickets oder Getränke verkaufen. Nach wenigen Tagen hätten sich schon einige Vereine aus ganz Deutschland angemeldet. Vereine wie der SV Hochlar 28 aus Recklinghausen, der bereits 800 Euro eingenommen habe. Oder der Volleyball Zweitligist VC Allbau Essen, der über die Plattform mindestens 600 Tickets verkaufen möchte und so seine Sporthalle zumindest virtuell noch einmal vollmachen möchte. Stand jetzt wurden 1493 Eintrittskarten, 1178 Würstchen, 2065 Bierchen und 226 Bierkisten verkauft.

 

Foto: Stadion Essen beim Niederrhein-Pokalfinale 2020 (K. Hoeft)

Artikel wurde veröffentlicht am
29 August 2020

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Kommentare
Wie der Autor schreibt, die aktuelle Lage kann man nicht ändern und jeder sollte sich dran halten. Ein zweiter Lockdown wäre wirtschaftlich die Katastrophe.
G
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Alles doof ohne Zuschauer, aber wie der Autor schreibt muss es so sein.
G
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Treffend
G
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Billige Polemik
L
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G
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