Ein schwarz-weißes Prachtstück: Neue Fußballfibel bringt einem Partizan näher

Ein schwarz-weißes Prachtstück: Neue Fußballfibel bringt einem Partizan näher

 
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Aus Eintracht wurde Partizan - aus Schwarz-Weiß-Rot wurde Schwarz-Weiß… Nachdem die Eintracht Frankfurt Fußballfibel, geschrieben von Dominik Bardow, zuletzt meine Zugfahrten nach Dresden, Jüterbog und Frankfurt/Oder versüßt hatte und von mir sogar als meine persönliche Nummer eins dieser bereits beachtlich großen Buchreihe erkoren wurde, griff ich nun zur Partizan Belgrad Fußballfibel. Diese durfte mich auf die Fahrten nach Stralsund, Binz und Rügen begleiten. Nachdem mit Eintracht Frankfurt die Latte verdammt hochgelegt wurde, war mir klar, dass ich das Werk über den FK Partizan Belgrad nicht ad hoc durchziehen könnte. Das wäre unfair, denn der Vergleich würde schlichtweg hinken. Ich las mich also ganz gemütlich ein, ließ das Ganze ein wenig sacken und widmete mich dann den folgenden Kapiteln. 

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Nun also studierte ich mehrere Abschnitte mehrmals, und es ist an der Zeit bei einem frisch geöffneten polnischen Bierchen, das jüngst aus Gorzów Wielkopolski mitgebracht wurde, eine Rezension zu schreiben. Und wer unser Magazin seit ein paar Jährchen liest und verfolgt, weiß, dass es von mir keine klassischen Rezensionen in dem Sinne gibt. Ich bin kein Mitglied bei einem literarischen Quartett, und ich schreibe auch nicht für die FAZ. Hier geht es einfach ran mit Herz und auch mal frei Schnauze. Eine Prise Chaos und Anarchie darf es schon sein. So wie auf den Rängen beim FK Partizan Belgrad! 

33 Bände gibt es bereits in der Reihe Bibliothek des Deutschen Fußballs. Hinzu kommen vier Bände in der Reihe des Österreichischen Fußballs, in welcher bislang die vier Wiener Vereine First Vienna, SK Rapid, Wiener Sport-Club und FK Austria abgehandelt wurden. Nun also macht der Autor Boban Lapčević mit seinem Buch über Partizan Belgrad den Anfang in der neu eröffneten Reihe Bibliothek des Internationalen Fußballs. Ein echtes Experiment, das - um es vorweg zu nehmen - glänzend geglückt ist! Warum gerade Partizan Belgrad den Anfang machte? Herausgeber Frank Willmann war zuletzt mit seiner Partnerin Anne Hahn, die auch dieses vorliegende Buch lektoriert hat, beruflich etliche Male auf dem Balkan unterwegs und lernte in der serbischen Hauptstadt Boban Lapčević kennen, der 1989 in der südlich gelegenen Stadt Kruševac geboren wurde und als Kind mit seinen Eltern in die Schweiz zog. 

Als Gastarbeiterkind wuchs Boban in der idyllischen Schweiz auf, doch seine traditionell rebellische Ader, die er von seinem Onkel geerbt hatte, hat er sich ohne Abstriche bewahrt. Jahrelang war er selber Mitglied einer Ultra-Gruppierung von Partizan Belgrad, und so oft es möglich war, reiste er runter auf den Balkan, um möglichst viele Spiele seines Klubs mitzunehmen. Dabei war es für ihn selbstverständlich, nach seinem Flug nach Belgrad runter nach Kruševac zu fahren, um im Anschluss gemeinsam mit seinen Jungs zum Belgrader Derby zu fahren. Apropos, der erwähnte Onkel ist auf Seite zehn abgebildet, und sein forscher Blick spricht Bände. Wobei auch ein wenig Verschmitztheit in seinem Gesicht abzulesen ist. 

Und Boban? Bitte einmal auf Seite 109 blättern. Auf dieser ist er gemeinsam mit Freund Bojan bei einem PAOK-Spiel zu sehen. Okay, ein Blick dürfte genügen. Wieder einmal fragt man sich als Mitteleuropäer: Warum bitte schön wirken all die Typen auf dem Balkan wie echte Kerle? Aber okay, das ist ja in Osteuropa auch meist nicht viel anders. Vor allem, wenn man sich mit dem Fußball beschäftigt. Betrachtet man das Foto, so darf bestaunt werden, wie Bierbecher (oder ist da etwa Mineralwasser drin?) und Zigarette gehalten werden. Osteuropäer und Balkan-Männer kommen meist lässig daher - was ich ich zuletzt wieder im polnischen Gorzów Wielkopolski bestaunen durfte.

Gut, soweit auch das geklärt wurde, widmen wir uns nun also dem Buch als solches. Begonnen wird im Prolog mit einem Pokalspiel gegen Radnički Niš, und es bleibt nicht aus, dass sogleich auf die Spaltung der Partizan-Fanszene eingegangen wird. Auf Facebook gab es mal einen Witz zu lesen, der wie folgt lautet: „Wie war´s auf der Beerdigung?“ - „Na ja, die Totengräber haben sich zerstritten und drei verschiedene Löcher gegraben.“ Bekanntlich sind die Grobari (Totengräber) in drei Gruppierungen aufgeteilt, was vor allem beim großen Belgrader Derby einen krassen Anblick bildet. Das Interessante an der Partizan-Fußballfibel: Anfangs denkt man als Leser, Boban will dieses unangenehme Thema ein wenig geschickt umschiffen und nicht allzu sehr auf die Hintergründe eingehen, doch an späterer Stelle erhält der Leser auch hierzu ausreichend Infos.

Zahlreiche Infos gibt es auch insgesamt. Richtig interessant wird es gleich zu Beginn im Kapitel „Neue Freunde“, in dem er beschreibt, wie er für die Grobari Kruševac in der Schweiz eine angemessene Portion Rauchpulver organisierte. Mit dem Zug transportierte Boban ein halbes Kilo schwarzes und ein halbes Kilo weißes Pulver sowie zwei Fackeln nach Serbien, wo sich seine Freunde aus Kruševac sehr erfreut zeigten. Das Spiel FK Napredak Kruševac vs. FK Partizan Belgrad am 21. April 2010 war quasi Bobans echter Einstieg, denn an jenem Tag erhielt er einen offiziell gemachten Gobari-Pullover und ein T-Shirt. Boban freute sich damals wie ein kleines Kind und lief tagelang mit der Kleidung herum, obwohl ihm der Anführer mit auf dem Weg gab, dass er gut drauf achten müsse, wo er diese Klamotten tragen würde. Dies macht es aber wiederum richtig authentisch. 

So authentisch wie das ganze Buch ist. Kapitel für Kapitel führt Boban den Leser durch die Hintergründe des Vereins, der teils so viel anders ist als sein Stadtrivale Roter Stern. Boban berichtet vom Ewigen Derby, das Gobaritum, die Musik und die Graffiti bei Partizan, vom Hall der Tribünen, sowie von Partien, die ganz besonders im Gedächtnis blieben. Interviews gibt es zudem mit einem serbischen Polizisten, einem Zabranjeni, einem älteren Partizan-Fan und einer Frau, die ihr Herz an Partizan verloren hat. Spannend ist in jedem Fall auch der Abschnitt, in dem die Fangesänge der Partizan-Fans übersetzt wurden. Es verwundert kaum, dass es es häufig um Zigeuner (Roter Stern), Huren und das Ficken geht. Jedoch geht es nicht immer verbal derb zur Sache, so gibt es auch etliche Lieder, die einfach nur wunderbar mit Gefühl die große Liebe zu Partizan widerspiegeln. 

Kurzum, es ist ein wirklich wunderbares Buch entstanden, das - mal abseits von den klassischen Fanzines und Onlineberichten vom Derby - einen ersten Einblick in den serbischen Fußball bietet. Fundiert, mit Witz und ganz, ganz viel schwarz-weißer Liebe. Eine gute Nachricht habe ich noch: Ende Juli 2020 kommt Boban nach Deutschland, und es wird unter anderen Lesungen in Magdeburg, Berlin und Rostock geben. Wer weitere Infos möchte, der besuche ganz einfach die Facebook-Seite der Partizan-Fibel. Bei drei Lesungen in Berlin und Rostock werde auch ich vor Ort sein. Gut möglich, dass Boban auch zum Armdrücken herausgefordert wird. Aber das lasse ich mir zuvor noch mal durch den Kopf gehen. Fakt ist: Pivo und Slivovica wird es reichlich geben! Boban, ick freu ma schon wie Bolle! Sport frei!

Fotos: Marco Bertram, Jörg Pochert, Marco Hensel, Arnaud Schonder, P. Schoedler

> die Partizan-Fußballfibel beim Verlag Culturcon Medien

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
16 Juli 2020

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