Eintracht Frankfurt ist meine neue Nummer Eins!

Eintracht Frankfurt ist meine neue Nummer Eins!

 
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Nee, oder?! Er wird dem Andy Möller doch am Telefon nicht wirklich gesagt haben: „Ist mir scheißegal, was du hast! - In meinem Buch wirst du mit keiner Zeile erwähnt.“ Zuvor bat eine piepsende Stimme am Telefon, dass der Autor doch bitte erwähnen möchte, dass er stets missverstanden wurde und alles ganz anders war. Eine Träne tropfte auf den Hörer. Ein starkes Stück! Tja, wie das so ist, las ich wieder mal bei einem Buch zuerst die letzten Zeilen. Sollte man vielleicht nicht. In diesem Fall aber war ich richtig angefixt. Und ein wenig irritiert. Nun denn, ich durfte den Andreas Möller in den 1990er Jahren live miterleben. Auf den Bundesligaplätzen, bei Interviews. Auch ich mochte ihn nicht sonderlich. Um es an dieser Stelle ein wenig diplomatisch auszudrücken. Ich möchte ja nicht auch noch gleich in die Kerbe hauen und vom „flennenden Heintje“ sprechen. Obwohl es schon den einen oder anderen Moment gab, bei dem wir im Gemeinschaftsraum des Ausbildungswohnheims am liebsten gemeinsam in den Röhrenfernseher geschlagen hätten.

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Eintracht Frankfurt Fußballfibel Rezension

Neulich war ich bei der Lesung, auf der das gute Stück von Dominik Bardow vorgestellt wurde. Schrieb ich jetzt tatsächlich „gute Stück“? *Zwinkersmilie* Die Corona-Krise hatte mich schreibtechnisch ganz schön aus den Tritt gebracht. Mit dem „guten Stück“ meine ich das Buch „Eintracht Frankfurt Fußballfibel“, das jedoch in der Tat nicht nur ein „gutes Stück“, sondern in meinen Augen ein Meisterwerk ist! 

Ich hatte in letzter Zeit ein wenig Ladehemmung beim Schreiben. Eine kleinere innere Blockade. Ladehemmung und Blockade hatten auch die Spieler des F.C. Hansa Rostock beim Auswärtsspiel in Würzburg. Es war quasi ein vorgezogenes Endspiel in Sachen Aufstieg. Die immens wichtige Partie wurde vergeigt - und es half nur Bier. Viel Bier. Mit fünf, sechs Bier intus ging es dann gleich im Anschluss zu Fuß zur Lesung. Und es wurde ein richtig heiterer, geselliger Abend. Das verkackte Spiel in Würzburg wurde vergessen, beim nächsten Bier lauschte ich den Texten von Dominik Bardow, und im Anschluss wurde bis in die Nacht gequatscht und herumgealbert. 

Allerdings muss ich gestehen, dass ich das Prinzip des Buches an jenem Abend noch nicht ganz verstanden hatte. Erst, nachdem ich auf den Zugfahrten nach Jüterbog und Frankfurt/Oder das Buch in aller Ruhe von vorne las, machte es Klick. Ha, nicht wirklich hatte Dominik mit Andy Möller telefoniert. Vielmehr wurden in elf Kapiteln einstige Eintracht-Größen literarisch in feinster Güte eingebaut. Von Bas und Uwe über Tony und Jay-Jay bis Ante und Adi. Ja, „Adi“ - nicht „Andy“. Denn diesen hatte er extra in einen feinen Epilog hineingepackt. 

Dominik Bardow, der 1982 in Dorsten (Ruhrgebiet) geboren wurde und als Experte in Sachen FIFA-Korruption (Oha!) gilt, musste selbstverständlich in seinem schwarz-weiß-roten Werk auf Nummer sicher gehen und vorn im Impressum folgende Zeilen abdrucken: „Die Handlung des Buches ist, sofern nicht anders im Kicker nachzulesen, frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen beruhen auf reinem Zufall oder auf übermäßigem Eintracht-Spiele-Konsum des Autors. In der Eintracht-Fußballfibel wurden drei Dinge verknüpft: Sein reales Leben - der Leser begleitet Dominik von seiner Kindheit bis in die Gegenwart -, die realen sportlichen Ereignisse der vergangenen 30 Jahre, sowie die fiktiven Aufeinandertreffen mit den einstigen Eintracht-Spielern. Wobei hierbei auf Doppelgänger getroffen wurde, die nur vom Erzähler bemerkt werden konnten. Während der „echte Bas“ sich bereits für das gleich startende Auswärtsspiel bei den Eisernen aufgewärmt hatte, pinkelte der Erzähler dem „Doppelgänger“ im Köpenicker Forst ausversehen auf die edlen Schuhe. Um nur mal fix das Eingangsbeispiel zu nehmen.

Im Buch unterhält er sich mit Tony Yeboah und mit Dragoslav Stepanovic - und als Leser hat man das Gefühl, Stepi würde gleich hinter einem stehen. Der Mann, der einst beim TSV Bayer 04 Leverkusen Zirkusmief ins Ulrich-Haberland-Stadion bringen sollte. Und hier wird es real. Von 1991 bis 1994 machte ich meine Ausbildung beim Chemie-Giganten am Rhein und verfolgte zahlreiche Spiele der Werkself. So ging es im Frühjahr 1993 unter anderen ins Frankfurter Waldstadion. Mit 3:0 gewann Bayer 04 die Partie und stand somit im Finale des DFB-Pokals. Nach dem Spiel wechselte Stepi vom Main an den Rhein und stand trotz 0:3-Klatsche im Berliner Olympiastadion. Den Pokal hatte er aber nicht angefasst. Stepi war / ist ein Gentleman. Mit Koffer in der Hand und Kamelhaarmantel auf den Schultern sowie Sonnenbrille auf der Nase und Zigarre im Mundwinkel machte er beim Sätzebilden stets keine Pause. „Habischneuemannindesspielgeworfe. Patsch. Hammergewonne.“ Herrlich! Sensationell!

Beim Lesen der Fußballfibel war es, als würde ich im Geiste ein Vierteljahrhundert zurückreisen. Eintracht Frankfurt! Was hatten die Frankfurter Anfang der 1990er für eine Jahrhundertmannschaft. Uwe Bein! Anthony Yeboah! Als 1992 die Frankfurter im Rostocker Ostseestadion mit 1:2 verloren und den bereits sicher geglaubten Meistertitel aus der Hand gaben, stand ich mit Karsten im Leverkusener Ulrich-Haberland-Stadion und durfte mit ansehen, wie in der 86. Minute Guido Buchwald dem VfB Stuttgart mit seinem Kopfballtreffer die Schale sicherte. Das Hochsteigen von Buchwald nach der Ecke sehe ich vor dem geistigen Auge als Standbild. Ein Schock. Denn somit hatte Bayer 04 die Teilnahme am UEFA-Pokal verpatzt. Jedoch ist dies eine andere Geschichte.

Mit Witz, Melancholie und Sehnsucht führt uns Dominik Bardow durch sein bisheriges Leben. Die Kindheit am nördlichen Rand des Ruhrpotts, die Schulzeit, seine ersten Spiele im fernen Waldstadion, der Umzug nach Berlin, sein beruflicher Werdegang. Und nicht zuletzt seine langjährige Beziehung mit Teresa. Nicht alles im Buch hat ein Happy End. Mitunter gehen einem beim Lesen der Kapitel manche Zeilen richtig nahe. Ich las das Buch in wirklich ruhigen Momenten. Als im Zug die Landschaften vorbeizogen, saugte ich Zeile für Zeile auf und erfreute mich am zu Papier Gebrachtem. Nachdem rund ein Drittel des Buches gelesen wurde, stellte ich fest, dass diese Fußballfibel zu meinen Favoriten in dieser Reihe gehört. Bislang hatte ich 25 Bände selber gelesen, und mit etwas Abstand packte ich in meine persönliche Top drei die Fußballfibeln über den FC Rot-Weiß Erfurt und den SC Fortuna Köln hinein. Eintracht Frankfurt würde nun mit von der Partie sein.

Ich las genüsslich weiter. Passend auf einer Fahrt nach Frankfurt/Oder. Herri Bruchhagen kam ins Spiel. Und das sogar real - das abgedruckte Foto beweist es. Europapokal! Magische Nächte! Auswärts in Mailand. Auswärts in Lissabon. Im Halbfinale gegen den Chelsea FC. „De Engländer sänd zo packen“, erklärte Adi im Buch. Also genauer gesagt, der fiktive Doppelgänger. Die Europapokal-Reise der Eintracht endete jedoch in London. Kein Happy End. Dieses Mal lag es nicht an der Launigkeit der Diva vom Main. Vielmehr war es Pech im Elfmeterschießen. So ist Fußball. Grausam und wundervoll zugleich. Aber immerhin, ohne gewonnenen Titel muss das Buch nicht auskommen. Na, wir erinnern uns! Das 3:1 gegen den FC Bayern München im DFB-Pokalfinale. Orgiastisch genial! Ähnlich genial wie einst der 4:2-Sieg der Leverkusener im Herbst 1997, als Ulf Kirsten last minute den *hüstel* verdammten Bayern noch zwei Buden eingeschenkt hatte! Wie ein mehrfacher Orgasmus par excellence. Aber echt, viel zu selten bekommen die Bayern solch ein geiles Ding verpasst! Frankfurt hatte es im Finale gepackt - und auch ich hatte mich echt gefreut wie Bolle. Dominik konnte nicht live dabei sein im Berliner Olympiastadion, er war zu einer Hochzeit eingeladen. Zum Glück hatte er Ante an seiner Seite, und es fand sich ein Weg, das Spiel heimlich auf einem Bildschirm zu verfolgen.

So, liebe Freunde. Und nachdem ich die letzten Zeilen im Epilog gelesen hatte, fasste ich den mutigen Entschluss: Diese Fußballfibel ist meine persönliche Nummer eins der bislang gelesenen Bände. Ich ziehe wirklich den Hut vor dieser schreibtechnischen Leistung! Ich bekam Gänsehaut, mitunter tauchte ein Tränchen im Augenwinkel auf. Und das beim Lesen eines Buches über Eintracht Frankfurt! Irre! Was hatte ich einst in den 1990ern über „Heintje“ und Uli Stein abgekotzt. Aber okay, den Stepi hatte ich schon immer sehr gemocht. Und somit schließen sich die Kreise. „Lebbe geht weider!“ Nicht wahr, Dominik? :-)

Fotos: Sachseninformer, Marco Bertram, K. Hoeft

Artikel wurde veröffentlicht am
08 Juli 2020

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