1965

F.C. Hansa Rostock: Die Hoffnung auf „Gesetzesbrecher“

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Das Jahr 2019 neigt sich dem Ende zu. Zeit also für einen etwas anderer Hinrundenrückblick. „Ich würde gern behaupten könn‘, dass ich kam, sah und siegte, doch ich kam, sah und schaute ohne Hoffnung wieder weg.“ Diese Zeile aus dem Lied einer Rostocker Gruppe fasst ziemlich gut die Gefühlslage während und nach dem letzten Heimspiel gegen den Chemnitzer FC zusammen. In diesem Spiel war mal wieder alles zu sehen, was den großen F.C. Hansa seit Jahren ausmacht. Ich bin ja schon länger der Meinung, dass es irgendwo ein geheimes Gesetzbuch des F.C. Hansa geben muss, in dem diverse Sachen geregelt sind, die uns seit Jahren verfolgen. Nachdem das Spiel am Samstag dem Ganzen mal wieder die Krone aufgesetzt hat, hab ich mich mal auf die Suche gemacht und keine Kosten und Mühen gescheut, dieses Gesetzbuch ausfindig zu machen. Es erklärt vieles, was Jahr für Jahr in unserem Verein passiert. Denn wenn wir ehrlich sind, kann es weder an Spielern noch an Trainern liegen, wenn diese Jahr für Jahr ausgetauscht werden.

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Exklusiv für euch hab ich hier den Wortlaut des Gesetzes aus dem Abschnitt „Hinrunde“ zusammengetragen und mit kleinen Kommentaren zur besseren Verständlichkeit versehen.

§ 1

In die Hinrunde ist eine Erfolgsserie einzubauen, die den Anhängern das Gefühl der Hoffnung auf die erfolgreiche Gestaltung der Saison vermittelt. Hierbei ist darauf zu achten, die Zuschauerzahlen durch

a) guten Fußball oder

b) leidenschaftliches Auftreten

konstant nach oben zu treiben.  

Nachdem es bereits früh in der Saison nach dem Heimspiel gegen die SG Sonnenhof Großaspach den ersten etwas größeren Knall gab, ging es danach stetig bergauf. Die Aussprache zwischen Fans und Spielern nach dem Spiel schien ein positive Wirkung auf alle Beteiligten gehabt zu haben. Bereits am Freitag darauf in Ingolstadt wäre ein Sieg nicht unverdient gewesen. In den Wochen darauf folgte eine für Hansa fast schon untypische Serie von Spielen in denen man nicht nur ungeschlagen blieb, sondern auch noch einige Spiele gewinnen konnte. Neben den Auswärtssiegen in Braunschweig und Magdeburg schien man auch endlich mal eine Art Heimstärke entwickelt zu haben. Zum Heimspiel gegen die Münchener Löwen verirrten sich plötzlich um die 18.000 Zuschauer ins Stadion, was für Gegner und Jahreszeit schon eher untypisch war.

§ 2

Sollte man auf einen Gegner treffen, der bisher lange Zeit

(1) generell

(2) bei Auswärtsspielen

(3) bei Heimspielen

sieglos war, so ist zwingend darauf zu achten, diesem ein Erfolgserlebnis zu verschaffen und die Negativserie dieses Gegners zu durchbrechen.

Doch es kam, wie es kommen musste und zwar beim Spiel in Jena. Wie schon zu Beginn des Jahres fühlte man sich dazu berufen, Aufbauhilfe für die Thüringer zu leisten. Das Thema „Aufbauhilfe Ost“ scheint allgemein eine nicht ganz unbedeutende Rolle in dem ganzen System bei Hansa zu spielen. Erst am Wochenende verhalf man dem Chemnitzer FC zum ersten Auswärtssieg der Saison und sorgte damit dafür, dass das rettende Ufer für die Sachsen wieder in Sichtweite ist.

§ 3

Im Zeitpunkt des Eintretens des in § 1 genannten Zustands hat eine weitere erfolgreiche Gestaltung der Hinrunde zu unterbleiben. Zudem hat eine Senkung der Zuschauerzahlen zu erfolgen. Dies soll insbesondere durch die Unterlassung der unter § 1 Satz 2 Buchst. a) und b) genannten Voraussetzungen erreicht werden.

Der Auslöser für den Zustand, den wir jetzt pünktlich zur Winterpause mal wieder haben, war aber nicht wirklich das Spiel gegen Jena. Der Knackpunkt war letztendlich das Spiel gegen Duisburg. Man kann jetzt das Spielchen mit „hätte“ und „wenn“ spielen. Und auch wenn ich kein großer Fan davon bin, versucht euch einfach mal folgendes vorzustellen: Der große F.C. Hansa hat gerade einen Lauf. Selbst zum Spiel gegen 1860 München kommen ca. 18.000 Zuschauer ins Ostseestadion. Am Wochenende darauf gewinnen wir gegen Jena und sind damit ganz groß dabei im Rennen um die vorderen Plätze. Am nächsten Spieltag steht dann das absolute Spitzenspiel gegen Duisburg auf dem Plan. Es wäre sowohl sportlich, als auch in Sachen Zuschauerzahlen einfach nur ein Traum gewesen. Stattdessen spielte man mit saft- und kraftlosen Auftritten wie gegen in Kaiserslautern und Uerdingen und nicht zuletzt daheim gegen Chemnitz die Bude wieder konsequent leer.

§ 4

In den Spielen des letzten Kalendermonats ist eine Erzielung von Punkten nicht erforderlich. In den dort stattfindenden Spielen sind insbesondere die in § 3 Satz 2 genannten Verhaltensweisen zu beachten.

Daran, dass in den letzten Spielen vor der Winterpause nicht viel zu holen ist, hat man sich ja mittlerweile gewöhnt. Was nur immer wieder aggressiv macht, ist die Art und Weise. Was in den letzten Wochen besonders ärgerlich ist ist die Tatsache, dass man bis zum ersten Gegentreffer sogar einen ganz ordentlichen Ball spielt und sogar Ansätze von Spielzügen zu erkennen sind, ist das alles danach plötzlich wie von der Festplatte gelöscht. Während man bis zu dem Zeitpunkt mit Pässen in die Tiefe und Tempo über Außen den Weg vors gegnerische Tor sucht, werden dann plötzlich nur noch hohe Bälle nach vorn geschlagen. Dort steht dann meist ein Pascal Breier, der mit hohen Bällen noch nie wirklich umzugehen wusste. Von dem hochklassigen Einkauf des Herrn Pieckenhagen auf dieser Position mal ganz zu schweigen. Auch sowas wie ein letztes Aufbäumen in den Minuten vor Abpfiff kenne ich von uns irgendwie nicht. Wenn man selbst in Führung liegend immer kurz vor dem Herzkasper steht, weil es der Gegner schafft, permanent gefährliche Situationen zu kreieren (weil sie auch verdammt nochmal echte Stürmer im Kader haben), fangen wir genau in den Momenten plötzlich wieder mit „geordnetem Spielaufbau“ an.

Es kann doch nicht zu viel verlangt sein, in Rückstand liegend in den letzten Minuten die Bälle nach vorn zu kloppen und dabei vielleicht mal einem der größer gewachsenen Spieler, der in dem Moment idealerweise in unmittelbarer Nähe zum gegnerischen Tor postiert ist, den Ball zumindest halbwegs in Richtung seines Schädels zu servieren. Wenn man ab Beginn der 2. Halbzeit das Thema „Spielaufbau“ komplett außer Acht lässt, muss man doch nicht in der 85. Minute plötzlich wieder damit anfangen wollen.

§ 5

In der Phase gem. § 3 hat eine negative Äußerung bezüglich des Spiels und des Auftretens der Mannschaft zu unterbleiben. In Interviews sind insbesondere die Wörter „unglücklich“ und „unverdient“ zu nennen. Sollte es zu einer Aussprache mit den Anhängern gekommen sein, so ist zwingend zu erwähnen, dass diese einen negativen Einfluss auf die Moral der Spieler zur Folge gehabt haben könnte. In diesem Fall kann die negative Gestaltung des darauffolgenden Spiels auch mit dem Verhalten der Anhänger begründet werden.

Wer bis jetzt schon gedacht hat, dass ich ganz schön angepisst bin, sollte den Kommentar zu § 5 am besten überlesen. Was wieder bezeichnend für diese Phase im Saisonverlauf ist, ist die Tatsache, dass man sich mal wieder bei der Presse zu Wort melden muss, um sich über irgendwelche Sachen auszukotzen und dabei die eigentlich überfällige Selbstkritik wieder mal völlig vergisst. Klar sind Überschriften wie „Hansa Profis sind sauer auf eigene Fans“ erstmal bewusst reißerisch formuliert, doch auch der Inhalt dieses Artikels und insbesondere die Aussagen unseres Herrn Kapitän war nicht sonderlich besser. Wenn ich dann sowas lesen muss wie „Ich kann keinem Spieler das Engagement absprechen. Deshalb werde ich mich diesbezüglich auch ganz klar vor die Mannschaft stellen. Bis zur Pause hatten wir das Spiel im Griff, waren gut in den Zweikämpfen und haben sehr viel Herz auf den Platz gelegt.“, werd ich echt sauer. Aber um die Sachlichkeit zu wahren, hätte ich dazu mal eine kurze Nachfrage, Herr Riedel: Kann es zufällig sein, dass das Spiel nach der Pause wieder angepfiffen wurde? Und wenn ja, wie ging das Spiel denn von da an aus Ihrer Sicht weiter?

§ 6

Sollte § 5 Satz 2 nicht zutreffend sein und eine Begründung gem. § 5 Satz 3 nicht in Frage kommen, so ist grundsätzlich der Trainer in Frage zu stellen. Eine Verantwortung des Sportvorstands oder gar der Mannschaft ist grundsätzlich ausgeschlossen.

Angesichts der aktuellen sportlichen Entwicklungen werden hinter vorgehaltener Hand schon Tipps abgegeben, welcher Trainer uns denn Anfang Januar ins Trainingslager begleiten wird. Dass Aussagen aus Führungsgremien des Vereins, die sinngemäß „Der Trainer steht nicht zur Debatte“ verlauten lassen nichts bedeuten, dürfte spätestens der Fall Christian Brand gezeigt haben. Viel entscheidender an dem Ganzen ist aber eine ganz andere Personalie. Klar ist es nicht so, dass wir uns aktuell vor Bewerbern retten könnten, aber die ernsthafte Frage, was genau Herrn Pieckenhagen dazu berechtigt, diesen Job auszuüben, den er jetzt bei uns innehat, konnte mir bis heute keiner so wirklich beantworten. Vielleicht auch weil ich die Tatsache, dass er sich über Jahre immer wieder medienwirksam mit schlauen Sprüchen selbst ins Gespräch gebracht hat, nicht als Berechtigung gelten lasse.

Mit Jens Härtel haben wir einen Trainer, der Erfahrung mitbringt und in den meisten Fällen ein gutes Händchen für Wechsel während des Spiels hat. Aber auch ein Jens Härtel braucht nun einmal Material, mit dem er etwas anfangen kann. Inwiefern uns da beispielsweise ein Spieler, den Duisburg VERHOEKern wollte, weitergeholfen hat, kann jeder für sich selbst beantworten. Im Falle von Herrn Pieckenhagen ersetzen Sie bitte das „kann“ durch „muss“.

Fakt ist jedoch auch, dass nicht alle Entscheidungen nachvollziehbar sind. Mir wurde gesagt, ich soll nicht immer auf Spielern rumtrampeln, aber insbesondere in der Abwehr stellt sich für mich schon die Frage, warum ein funktionierendes System mit Sonnenberg und Reinthaler auseinandergerissen wird, nur um den etatmäßigen Kapitän wieder ins Spiel zu bringen.

Fest steht, dass sich mal wieder alles wiederholt, was man im Prinzip seit Jahren von unserem geliebten Verein gewohnt ist. Wenn ich dann sehe, wie lang Viktoria Köln keinen Sieg mehr eingefahren hat und wieviele Leute dort aktuell ausfallen oder kurz: Wie aussichtslos deren Lage für unser Spiel am Freitag ist, dann hab ich jetzt schon richtig Bock auf das Spiel.

Es liegt also in der Hand der Spieler zu zeigen, ob sie sich brav an die Gesetze halten oder die Woche halbwegs versöhnlich zu Ende bringen und dafür zur Not auch einfach mal Arschloch sein können.

Denn wie heißt es in dem oben erwähnten Lied so schön: „Nichts macht eine beschissene Woche wieder wett, wie ein Sieg von Hansa und ein gebrochenes Gesetz.“ (Waving the Guns)

In diesem Sinne: Alle nach Köln!

Fotos: Arvid Langschwager, Marco Bertram, Sachseninformer, Matthias

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

 

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Artikel wurde veröffentlicht am
18 Dezember 2019

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Fein fein
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Wie immer geil zu lesen von euch.
R
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C
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Mia is back.!!!
B
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