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VfB Stuttgart vs. KSC: Nicht die Fans sorgen für die Schande des Fußballs!

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„Wir sind Rechtsstaat“. In den vergangenen Wochen durften im öffentlichen Raum immer wieder Werbetafeln des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz bestaunt werden. Auf einer Werbetafel heißt es: „Wir sind unschuldig. Bis das Gegenteil feststeht.“ Dies gilt für alle. Auch für ein libanesisches Clan-Mitglied in der fettesten Karre. Es gilt die Unschuldsvermutung. Wir leben glücklicherweise in keiner Diktatur, in der bestimmte Personengruppen einfach mal so hinter Schloss und Riegel kommen. Es scheint jedoch, als wenn diese Unschuldsvermutung immer seltener für Fußballfans gilt. Es wurde beim letzten Derby zwischen dem VfB Stuttgart und dem Karlsruher SC kräftig gezündet und geräuchert? Grund genug, um beim nächsten Mal die Macht des Staates und der Polizei zu präsentieren. Um es vorweg zu nehmen: Das Derby wurde dieses Mal kein echtes Derby - das sportliche Geschehen wurde quasi wertlos. Der Gästebereich gab einen traurigen Anblick ab, und auch Tage nach dem Spiel, das der VfB Stuttgart auf dem Rasen mit 3:0 für sich entscheiden konnte, reißt die Kritik am Polizeieinsatz nicht ab.

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Fünf Stunden lang hatten polizeiliche Einsatzkräfte knapp 600 KSC-Fans eingekesselt. Und so ist es kein Wunder, dass sich im Nachfeld immer mehr Betroffene sowie die Eltern von jüngeren Betroffenen an die Medien, die Geschäftsführung des KSC und die Fanhilfe Karlsruhe gewandt hatten. Allein, dass nun die Polizei in Stuttgart die zuerst getroffenen Angaben im Nachhinein korrigierte, zeigt ganz deutlich, dass dort etwas aus dem Ruder gelaufen war. Wurde anfangs von rund 200 Platzverweisen gesprochen, so wurden nun daraus knapp 600. Hieß es anfangs noch, dass auf dem Fanmarsch der KSC-Fans massiv Pyrotechnik gezündet wurde, so wurde dies nun in „mehrfach“ geändert. 

Allein der Gedanke, dass Rauchtöpfe und Fackeln für solch eine abstruse Einkesselung genügen könnten, bringt einen auf die Palme. Dass es im Polizeikessel nicht gemütlich wurde, kann sich jeder vorstellen. Betroffene berichten, dass es keine Versorgungsmöglichkeiten und keinen Zugang zu Toiletten gab. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Teils minderjährige Fußballfans wurden in Sippenhaft genommen und konnten nicht einmal aufs Klo gehen! Fünf Stunden im Kessel! Eine Schande sondergleichen! Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie ich reagieren würde, wenn meine Kinder in solch einem Kessel gefangengehalten werden. 

Bevor jedoch gleich die Halsschlagader schwillt, lassen wir einen Betroffenen zu Wort kommen, der mit vor Ort war. T. erklärt, dass die von der Polizei im Vorfeld propagierte strikte Fantrennung am Spieltag quasi gar nicht stattfand. Aufgrund katastrophaler Planung sei diese kaum bis gar nicht umgesetzt worden. Etliche KSC-Fans, die mit dem eigenen PKW angereist waren, sollten plötzlich ihr Fahrzeug auf den Wasn Parkplatz abstellen. Sprich dort, wo wie üblich auch VfB-Anhänger ihre Autos parkten. Des weiteren wurden die Busse nicht wie üblich direkt am Stadion, sondern mehrere hundert Meter entfernt abgestellt. 

Der Marsch der Fans ging unter anderen an einer Stuttgarter Fankneipe vorbei, die von beiden Seiten aus frei zugänglich und in jenem Moment von geschätzten zehn Polizisten beobachtet wurde. Einem weiblichen KSC-Fan wurde in jenem Bereich ein Schal gezogen. Zwar konnte der Täter von der Polizei gestellt werden, doch stellte sich immer wieder die Frage, wo bitte schön die Fantrennung stattfände?! 

Und auch der Fanbus der KSC-Ultras wurde nicht direkt zum Stadion geleitet. Dies wurde im Vorfeld zwischen Vereinen und Polizei so abgesprochen, doch wurde dieser Plan verworfen, da die Einsatzkräfte im Bus Pyrotechnik vermutet hatten. Als spontane Maßnahme wurde der Bus nach Untertürkheim geleitet, die Ultras mussten sich dann dem Fanmarsch mit anschließen. Wo darin die Logik bestand? Direkt am Stadion wäre es ein leichtes gewesen, diesen einzelnen Bus von der Polizei kontrollieren zu lassen. 

Stichwort Pyrotechnik. Am Tag vor dem mit Spannung erwarteten Duell wurde im Gästeblock eine Portion Pyrotechnik gefunden. Diese war vermutlich mit einer Fernzündung ausgestattet (nicht wundern, so was nutzen die Fans der SG Dynamo Dresden bereits Anfang des Jahrtausends), so dass im Rahmen des Spiels der Gästeblock - jetzt kommt´s! - in roten Rauch gehüllt werden könnte. Dass es sich um roten Rauch handelte, wurde im Vorfeld nicht kommuniziert. Somit wurde der Verdacht ganz klar auf die Karlsruher gelenkt. Was sollte man als Außenstehender auch denken, wenn berichtet wurde, dass im Gästeblock angebrachte Rauchtöpfe gefunden wurden?

Die im Gästeblock gefundene Pyrotechnik und die im Fanbus der Ultras vermutete Pyrotechnik genügten, um das ganze im Vorfeld besprochene Konzept über den Haufen zu werfen. Aber vielleicht sei auch alles gar nicht so spontan über den Haufen geworfen worden, vermutet der eine oder andere Betroffene. Vielleicht sei alles so gewollt gewesen. Eventuell habe man gar nicht vorgehabt, einen Großteil der aktiven KSC-Fans ins Stadion zu lassen. Neu sei solch eine Plan schließlich nicht gewesen. Die aufgebauten Sperren und die Umsetzung des Polizeikessels lassen darauf schließen, dass es durchaus sein kann, dass alles so verlief wie es verlaufen sollte.

Um das Ganze noch einmal auf den Punkt zu bringen: Die Fanhilfe Karlsruhe erklärt in ihrer Stellungnahme, dass das im Vorfeld ausgiebig besprochene Sicherheitskonzept unabgesprochen geändert wurde. Weder das Fanprojekt noch die Vereine wurde in diese Entscheidung mit einbezogen. Der Hammer aus meiner Sicht schlechthin: Sämtlichen Businsassen wurde die Weiterfahrt ab Untertürkheim verwehrt, und nach einer Stunde Wartezeit mussten die Businsassen am Fußmarsch der mit dem Zug angereisten KSC-Fans teilnehmen. Irre! Da fahre ich als Fan ganz bewusst mit einem Bus, um nicht das ganze Procedure in Zügen und beim Marsch mitmachen zu müssen - und am Ende gehöre ich vielleicht auch noch zu den 600 Fans, die vor dem Stadion separiert und einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen werden. Dufte, richtig dufte! 

Wenn man sich das alles durchliest und auf der Zunge zergehen lässt, bleibt nur eine Erkenntnis: Als Fußballfan wird man in diesem Land immer mehr zum Idioten. Zum Freiwild. Zum Deppen, der sich mal eben ohne Grund fünf Stunden in einen Polizeikessel stellen darf. Ohne Trinken und ohne Möglichkeit, pissen und kacken zu gehen. Sorry für die Wortwahl. Auch wenn die Polizei das Gegenteil behauptet. Ja, irgendwo werden ein mobiles Klo und ein Paket Wasserfalschen gestanden haben. Kann schon sein. Wird man jedoch gefragt haben, wo diese zu finden seien, wird man durchaus „nette“ Antworten bekommen haben. 

Die Reaktionen der Betroffenen, des Karlsruher SC und auch die teils wirklich fundierte Berichterstattung der Medien lässt erahnen, welch eine Schose in Stuttgart abgezogen wurde. Och nö, denkt man sich. Solch einen Mist tue ich mir echt nicht mehr an beim Fußball! Kann man verstehen. Jedoch wäre eines Tages das Ziel erreicht, in all den Fußballstadien ein Operettenpublikum zu schaffen. Und ganz ehrlich, es betrifft doch nicht nur aktive Fußballfans! Es geht uns alle an! Wenn jetzt nicht vernünftig aufgearbeitet wird, machen solche Zustände / solche Einsätze immer mehr Schule - und das nicht nur beim Fußball!

Fotos: Fabian S. (Archivbild), Stadionpöbler, privat

> Mitteilungen der Fanhilfe Karlsruhe

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Artikel wurde veröffentlicht am
27 November 2019

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G
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Fußball als Nebensache
"das sportliche Geschehen wurde quasi wertlos."

Interessante Ansicht. Die Tabelle hat dazu eine andere Meinung.
Das Echo bei Unbeteiligten wäre sicher größer, würden die organisierten Selbstdarsteller den Sport nicht bei jeder Gelegenheit als Vorwand für Körperverletzung, Raub und Vandalismus nutzen.
E
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G
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Krass!!
G
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G
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Ich.....
....bin an dem fragwürdigen Sonntag per Auto aus Karlsruhe angereist, war dadurch schon 2,5 Stunden vor Spielbeginn vor dem Gästeblock. Und es war bereits alles aufgebaut was man für die Personenkontrolle benötigt, Notebooks, Kameras usw, alles stand schon. Und das war keine Hardware für etwaige einzelne Straftäter sondern für eine weitaus größere Menge an Personen.
N
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Unfassbar was hierzulande beim Fußball alles abgeht!
G
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G
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H
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Was für ein toller Artikel(Wie immer?)
G
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