Ei der Daus! Sachen gibt´s! Man lernt bekanntlich niemals aus im Leben, und so wurde mir erst gestern klar, dass es sich bei der Sp.Vg. um eine „Sportliche Vereinigung“ und nicht etwa um eine „Spielvereinigung“ handelt - und das auch noch vor der Kamera von den Jungs von Copa90. Nun denn, Gérome sprang fix ein und stellte das Ganze klar. Alles halb so wild, schließlich gibt es auch im Verein immer wieder Leute, die das Ganze vertauschen und manchmal sogar „Sp.Vgg.“ schreiben. Und ja, das gestrige traditionsreiche Stadtduell zwischen den einstigen Bundesligisten (um genau zu sein, das Duell der beiden Nachfolgevereine, die die Tradition fortführen) lockte sogar ein Kamerateam von Copa90 an. Diese beschäftigen sich weltweit mitunter mit dem ganz großen Fußball, haben aber auch ein Näschen für den Amateurfußball in den Niederungen des Ligensystems.
SV Tasmania Berlin vs. Sp.Vg. Blau-Weiß 90 Berlin: Heimsieg, Ale und Diskussionsbedarf
Vermutlich hatten die Jungs von Copa90 ein paar mehr Zuschauer erwartet im Werner-Seelenbinder-Sportpark, vor allem in Anbetracht der Umstände, dass in Berlin am vergangenen Wochenende rund 1.600 Amateurspiele aufgrund des Schiedsrichterstreiks ausfielen. Letztendlich schauten gestern immerhin 275 zahlende Zuschauer (auf fussball.de wurden fälschlicherweise nur 150 angegeben) vorbei. Manch einem schreckte vermutlich am frühen Vormittag das üble Wetter ab, als Regen gegen die Fenster trommelte und heftige Windböen die Baumwipfel zerzausten. Gegen Mittag hin wurde das Wetter allerdings weitaus besser, und das Oberligaduell ging trocken über die Bühne. Also trocken, was das mögliche Nass vom Himmel angeht. Die Kehlen blieben indes nicht trocken. Eine lokale Brauerei baute einen zweiten Bierstand auf und schenkte zu Beginn ausversehen Ale statt Pils aus. Sehr zu meiner Freude, sehr zum Unwillen manch eines Blau-Weiß-Fans. Später wurde das Fass kurzerhand ausgetauscht.
Auf Heimseite hatte die Heimniederlagen zu Saisonbeginn vermutlich Spuren hinterlassen. Beim Auftaktduell gegen Tennis Borussia Berlin (2:4) schauten sage und schreibe 1.372 Fußballfreunde im Sportpark vorbei. Gegen den Greifswalder FC (1:2) waren es dann 185, gegen den FC Strausberg (1:2) waren es schließlich 150 Zuschauer. Sportlich kamen die Tasmanen zuletzt allerdings in die Spur. Nach dem 2:2 in Staaken folgte ein deutlicher 4:0-Sieg beim Brandenburger SC Süd 05. Nun sollte gegen Blau-Weiß 90 Berlin, das zuletzt den ersten Heimsieg gegen Aufsteiger MSV Pampow im Volkspark Mariendorf feiern durfte, der erste Heimsieg für Tasmania in der NOFV-Oberliga seit 20 Jahren her! Wann es den letzten Heimsieg in der Oberliga gab? Am 9. Mai 1999 schlug Tasmania Neukölln den SC Charlottenburg mit 2:0. Am Ende der Saison ging es abgeschlagener Tabellenletzter runter in die Verbandsliga.
Optimistisch dürften am gestrigen Tag vor Anpfiff beide Fanlager gewesen sein, doch den Schwung aus dem Sieg am Spieltag zuvor konnten nur die Gastgeber mitnehmen. Dabei sah es zu Beginn der Partie noch recht ordentlich aus, was die Blau-Weißen auf dem Rasen ablieferten. Fix ging es über die linke Seite, doch die Hereingabe von Nii Bruce Weber fand anfangs keinen Abnehmer, doch Sekunden später gab es dann doch noch den Abschluss, knapp sauste der Ball am linken Pfosten vorbei.
In der 20. Minute sorgte Tasmania-Schlussmann Robert Schelenz fast für eine Torvorlage. Nach langem Abschlag schnappte sich Merdan Baba die Kugel, umkurvte seine beiden Gegenspieler und zog ab. Noch fand der Ball jedoch nicht sein Ziel. Nun war Tasmania am Drücker. Nachdem einmal das Aluminium getroffen wurde, klingelte es schließlich in der 30. Minute im Blau-Weiß-Gehäuse. Aus kurzer Distanz fand Romario Hartwig die Lücke. Keine Frage, die Führung war zu jenem Zeitpunkt vollkommen verdient. Wenig später hatte jedoch hatte allerdings Ebenezer Utz nach prima Zuspiel von Nii Bruce Weber den Ausgleich auf dem Fuß. Allein vor dem Tor scheiterte er am Tasmania-Keeper Schelenz.
Ein weiteres Aufbäumen von Blau-Weiß 90 in der zweiten Halbzeit? Nicht wirklich. Tasmania nahm das Heft in der Hand und kam zu Möglichkeiten. Nachdem Romario Hartwig eine Chance zum 2:0 auf dem Fuß hatte und den Schuss versemmelte, war es Emre Demir, der in der 53. Minute die kollektive Unachtsamkeit von Blau-Weiß 90 nutzte und freistehend zum 2:0 einnetzen konnte. Tasmania ließ es weiter munter rollen, bei den Gästen kam nicht mehr wirklich was zusammen. Kein Wunder, dass inzwischen der eine oder andere Blau-Weiß-Fan richtig muffig wurde.
Wirklich bitter war es anzusehen, wie Blau-Weiß 90 in der 63. Minute ausgespielt wurde. Rack zack, und schon konnte Julian Loder lässig zum 3:0 einschieben. So erfreulich diese Führung für Tasmania Berlin auch war, für die Sp.Vg. Blau-Weiß 90, die eigentlich zum Spitzenkreis der NOFV-Oberliga Nord gehört, war das Gezeigte wahrlich desaströs. Man befürchtete bereits eine richtig derbe Klatsche, doch fuhr Tasmania ein wenig das Tempo runter. Demzufolge kamen die Gäste noch zu zwei, drei halbwegs passablen Tormöglichkeiten, doch zu jubeln gab es an diesem Tag nichts mehr. Umso mehr feierten die TAS-Fans nach Abpfiff mit ihren Spielern.
Eine Menge Gesprächsbedarf gab es auf Gästeseite. Nach einem weiteren Bierchen im Stadion gab es draußen noch ein Stelldichein. Sehr erfreulich war, dass drei Spieler sich wirklich viel Zeit nahmen und mit den noch anwesenden Fans offen und ehrlich sprachen. Anschließend ging es durch die mittlerweile dunklen Straßen Neuköllns, an einem Späti an der Herrmannstraße wurde der Tag bei einem Abschlussgetränk noch einmal aufgearbeitet.
Ebenso erwähnt muss an dieser Stelle zudem die Gastfreundschaft der Tasmania-Fans werden. Der Sohnemann, der mit Blau-Weiß-Mütze vor Ort war, erhielt nach Abpfiff noch eine blau-weiß-rote Fahne als Andenken. Als Baby wurde er schließlich schon im Kinderwagen zum zu Fuß erreichbaren Seelenbinder-Sportpark gekutscht. Alte Liebe rostet nicht. Auch für Tasmania ist stets ein kleines Eckchen im Herzen frei. Und davon ganz abgesehen, bei diesen drei Farben muss das Herz ja sowieso schneller schlagen…
Fotos: Marco Bertram
Ligen
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Beste Grüße Marco (turus.net)