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Namen sind Schall und Rauch – im Fußball hundertprozentig nicht!

Ich entschuldige mich jetzt schon dafür, wenn es etwas zu wissenschaftlich werden sollte.  Aber, ihr kennt doch die Bestandteile von Fußballvereinsnamen. Oftmals beginnen sie mit einer Abkürzung. In der Sprachwissenschaft machten sich auch schon ein paar Leute, eher sehr wenige Leute, die Mühe, dort irgendwelche Theorien aufzustellen. In den Geisteswissenschaften gibt es ja kaum noch weiße Stellen, sodass die Gelehrten dann wirklich solche Nischenthemen wie Fußballvereinsnamen ausbuddeln müssen oder auf der Mainstream-Welle „Gender“ schwimmen. Aber, ich sage mal so: Das Thema „Bedeutung und Herkunft von Vereinsnamen“ dürfte dann schon mehr Leute vom Hocker hauen als so manch anderes Thema, da Fußballfans dann doch eher eine große interessierte Zielgruppe bilden.

Bei den Vereinsnamen driften wir in den Bereich der Sprachwissenschaft ab, der Namenskunde bzw. Onomastik heißt. Wir haben es dort mit Gattungsnamen und Eigennamen zu tun. Außerdem dreht sich vieles auch um die Semantik der Namen. Es geht also darum, warum z.B. Empor Hohenschönhausen eben Empor heißt. Das Thema ist so umfassend, sodass ich mir leider nur eine kleine Facette vornehmen kann. 

Fußballvereinsnamen setzen sich in der Regel aus mehreren Teilen zusammen. Die Anordnung der einzelnen Segmente bei der Zusammensetzung der Vereinsnamen kann verschiedene Strukturen annehmen. Zumeist finden wir im Bereich der deutschen Fußball- und Sportvereinsnamen die von Dieter Stellmacher (ehemals Uni Göttingen) so bezeichnete „appellative Angabe zur Sportart“, die sich in der medialen Berichterstattung in verkürzter Form zeigt (FC, FV usw.). „Appellative Bezeichnung der Sportart“ ist meiner Meinung nach in Stellmachers sehr lesenswerten Aufsatz zu Vereinsnamen etwas irreführend, da die Sportart nicht einmal in allen Abkürzungen angegeben wird (SV = Sportverein, SpVgg = Spielvereinigung, SG = Sportgemeinschaft), weshalb eine als Vereinskürzel abgekürzte Vereinsform zutreffender ist. Ich nenne sie charakteristische Sportvereinsabbreviation und kürze sie im Folgenden mit „CSA“ ab. Weitere Elemente sind z.B. die Jahreszahl der Gründung (z.B. „SV 1919 Woltersdorf“), Ordnungszahlen (z.B. „1. FC Nürnberg“) und die nicht unbedingt obligatorischen Ortsnamen, die häufig präzise eine Stadt („SV Fürstenberg“) oder auch eine Region (z.B. „FC Landhagen“) bezeichnen. 

Für mich ist der Bestandteil „Beiname“ wesentlich interessanter. Im deutschen Ligafußball gibt es eine große Vielzahl von diesen. Nach Stellmacher haben Vereinsnamen den Charakter von Warennamen, gleichzeitig liegen andererseits „menschliche Züge“ vor, wenn es um Gruppenbezeichnungen geht. Auch er vertritt die Auffassung, dass Beinamen eine wichtige Aussagekraft haben und als identifizierendes Erkennungszeichen fungieren. Diese Erkennungszeichen ordnet er in verschiedenen Gruppen ein: 

- Farben (z.B. „Sp.Vg Blau-Weiß 1890 Berlin“), 

- Ausdruck von Kraft, Leistungsbereitschaft und Erfolgszuversicht (z.B. „SV Viktoria Salow“), 

- Kameradschaftlichkeit, Zusammenhalt (z.B. „Braunschweiger Turn- und Sportverein Eintracht“), 

- Namen, die in der Tradition burschenschaftlicher und studentischer Vereinigungen sowie sportgeschichtlicher Zusammenhänge an landschaftliche Zugehörigkeit und heimatliche Verbundenheit erinnern in der Form von latinisierten und nicht-latiniersten Land-, Städte- und Flussnamen (z.B. „Berliner FC Germania 1888“, „MSV Normannia Berlin“, „FSV Heide Letzlingen“), 

- sportlich-tugendhafte Vorbilder (z.B. „SV Sparta Lichtenberg 1911“, „CSV Olympia 1897 Berlin“), 

- Verbundenheit mit ortsansässiger Industrie (z.B. „TSV Bayer 04 Leverkusen“), 

- aufmunternde und anfeuernde Symbolik (z.B. „FC Zukunft Magdeburg“), 

anthroponymische Beinamen (z.B. „SV Jahn Bad Freienwalde“).

Stellmacher bezieht sich bei seiner Systematik oftmals auf die lexikalische Bedeutung, aber nicht übertragene, metaphorische bzw. metonymische Bedeutung. In der Gruppe der Ausdrücke von Kraft, Leistungsbereitschaft und Erfolgszuversicht ordnete Stellmacher auch Vereine mit dem Beinamen Empor zu, was in der DDR allerdings ein Merkmal für Vereine war, die einem Trägerbetrieb aus der Nahrungsmittelindustrie zugeordnet waren. Gerade der jüngeren Generation sind solche Sachverhalte nicht mehr geläufig. Bei meinem aufgelösten FV Motor Eberswalde war es dennoch ziemlich eindeutig, aber bei SpVg. Blau Weiß 90 Berlin, zu welcher ich nun halte? Man muss dort zu den Anfängen zurück. Einer der Vorgängervereine war ein Arbeiterverein von Schlossern und brachte die blaue Farbe der Arbeitskleidung mit.

Die DDR-Zeit war mit BSG Eierproduktion Rothemühl und Kali Werra Tiefenort noch relativ kreativ. Noch vielfältiger war die Vereinsnamenwelt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Heute hat die Kreativität dann doch ziemlich nachgelassen, wenn man an solche Konstrukte wie FC Eisenhüttenstadt oder 1. FC Frankfurt denkt.

Deshalb schaute ich mal bei mir aufs vor der Haustür liegende Westpommern und nahm mir mal das ganze Inventar einer Saison (2017/18) vor, da die Polen bekanntlich in diesem Bereich mehr zu bieten haben. Von 260 Mannschaften (ohne Reserven) hatten nur 10 keinen Beinamen! Das macht nur einen Anteil von 3,84 Prozent der Vereine aus. Jedoch ließen sich in den CSA Hinweise zur Charakteristik des jeweiligen Vereins finden.

Danach filterte ich die doppelten Beinamen raus und kam auf folgende Themengebiete und Verteilungen. Die Statistik dazu gibt es hier.

Super schwer war dabei die Frage, ob man nach der lexikalischen Bedeutung geht. Die Frage erübrigte sich auch gleich ziemlich fix, da im Prinzip fast bei jedem Verein nachgefragt werden musste. Mehrmals tauchte z.B. der Beiname „Iskra“ [Funke] auf. Die Herkunft leitete sich dabei mal vom Funken im Motor und bei der Metallverarbeitung ab, auch mal vom Funken der olympischen Fackel. Jeder kennt den Ausdruck „ein Funke Hoffnung“. Auch diese Intention war vertreten. 

Ein paar kuriose Fälle kann ich an dieser Stelle mal vorstellen. Viele kennen den großen Verein aus Szczecin – MKS Pogoń. Sucht man in den populären Wörterbüchern wie Langenscheidt oder PONS, stößt man auf Übersetzungen wie Verfolgung, Verfolgungsjagd und Jagd – also Abstrakta. Ebenso befindet sich in der Liste der Übersetzungsmöglichkeiten auch das Wort Verfolger. Auch die Deutung als Wappen ist möglich. Es geht um das Wappen des Großfürstentums Litauen und vieler anderer Orte und Regionen, die sich auf dem Gebiet befinden, das Kresy genannt wird. Es handelt sich um ehemals polnische Gebiete an der Ostgrenze des heutigen Polens. Im Wappen wird stets ein weißer Reiter mit Schwert in Kampfposition dargestellt. Das Weiß steht für die Ehrlichkeit des Reiters bzw. Ritters; das Rot für Feuer, Blut und Tapferkeit. Außerdem war und ist Pogoń der Beiname des Vereins „LKS Pogoń Lwów”, der sich später nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auf dem Gebiet der heutigen Ukraine reaktivierte. In der Tradition des populären, eigentlich erloschenen Vereins „LKS Pogoń Lwów” sehen sich Vereine wie „GKS Piast Gliwice“, „TS Polonia Bytom“ und auch „MKS Pogoń Szczecin“.

„LZS Wiarus Żółtnica“ trägt den Beinamen wiarus [Veteran]. Veteranen sind nach der lateinischen Bedeutung von vetus bzw. vetustus „alterprobte, alte, bejahrte, altehrwürdige Leute“. Im heutigen Verständnis sind es altgediente bzw. erfahrene Soldaten. Nach schriftlicher Auskunft des Vereins per E-Mail waren die Gründer und Spieler des Vereins Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg dienten. Der Verein wurde 1948 gegründet. Viele Vereine beziehen sich auf die Nachkriegszeit. In Liga 4 tritt świt [Morgenröte] Szczecin-Skolwin an. Sie beziehen sich dort auf den Anbruch einer neuen Ära wie bei einem neuen Tag. In übertragener Bedeutung ist die Aufbauphase nach dem Krieg gemeint. Ähnlich ist es auch bei Vereinen mit dem Beinamen „Pionier“ und bei Osadnik Myślibórz. Osadnik [Siedler] erklärt sich durch die Tatsache, dass sich nach dem Zweiten Weltkrieg im ehemaligen Soldin, heute Myślibórz, Polen ansiedelten und diese die Stadt wieder aufbauten. Der erste Name des heutigen Vereins, der schon 1945 bestand, ist ebenfalls Pionier.

Bekanntlich gibt es nur einen Merkur. Das betrifft sowohl den Planeten, als auch den Gott. Im Vereinsnamen „KS Merkury Nowogródek“ ist allerdings der Plural zu finden. Im Telefonat erklärte der Verein, dass man sich an einer Firma, die Kühlschrankmotoren herstellte, bei der der Wahl des Beinamen orientierte. Das Logo hat ihnen einfach gefallen. Die Firma war allerdings nie Sponsor des Vereins.

„KS Bajgiel Będzino“ ist ein Verein im Fußballkreis Koszalin. Bajgiel [Bagel], ein Gebäck ähnlich eines Brötchens mit einem Loch in der Mitte und der Beiname des Vereins, bezieht sich auf die gleichnamige Großbäckerei im Dorf.

Ähnlich ist die Namensfindung der Vereine „GKS Klon Krzęcin“ und „UKS Sekwoja Brwice“ zu erklären, deren Beinamen auf markante Bäume im Ort zurückzuführen sind. Die Internetseite von Krzęcin gibt keinen Hinweis auf einen Ahornbaum im Ort. Ein Indiz auf Ahorne im Ort ist im gastronomischen Bereich zu finden. Ein Restaurant unweit des Stadions trägt in Krzęcin den Namen „Pod klonami“ [unter den Ahornbäumen]. Parallel dazu verhält es sich im Dorf Brwice bei Chojna. In Brwice steht ein mamutowiec bzw. sekwoja [Mammutbaum], der den Status Naturdenkmal trägt. 

Dieser gab dem dort ansässigen Verein „UKS Sekwoja Brwice“ den Beinamen. Man muss in Eisenhüttenstadt also nicht nur einfach das FC tragen. Damals bei meinem Besuch in Brwice wusste ich noch nicht, dass da solch ein Baum wächst. Sicherlich ein Highlight. Sehr kurios war auch die Ausstattung des Platzes. Die Spieler mussten sich in einem Container umziehen und die Schiedsrichter kamen plötzlich aus dem angrenzenden Bauernhaus begleitet von Hooligan-Hip-Hop, der aus einem Lautsprecher dröhnte, der auf dem Fensterbrett stand. Die gute alte Zeit…

Also! Macht euch ran und forscht, warum euer Verein so heißt, wie er heißt!

Fotos: Michael, Marco Bertram

Artikel wurde veröffentlicht am
28 Oktober 2019

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