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August 1951: DDR vs. Dynamo Moskau in Ostberlin - Heinz Satrapa mit Ehrentreffer

„Dynamo Moskau spielt im August in Berlin“. Mit dieser Schlagzeile auf der Titelseite ging im Sommer 1951 im Vorfeld der III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten die Ausgabe der Zeitung „Junge Welt“ in den Druck. Gegner beim Freundschaftsspiel am 5. August 1951 war kein geringerer als die Nationalmannschaft der DDR. Diese wurde als Ostzonenauswahl bereits im Jahr 1949 ins Leben gerufen und anfangs von Helmut Schön betreut. Da die Aufnahme der DDR in die FIFA umstritten war und sich bis 1952 hinzog, gab es vorher keine offiziellen A-Länderspiele. Das Auswärtsspiel bei der Volksrepublik Polen am 21. September 1952 wird als erstes offizielles Länderspiel der DDR-Auswahl geführt. Allerdings gab es vorab bereits inoffizielle Aufeinandertreffen mit Polen. Das erste offizielle Heimländerspiel fand am 14. Juni 1953 (drei Tage vor dem Volksaufstand) im Heinz-Steyer-Stadion in Dresden statt. Vor 55.000 Zuschauern gab es gegen Bulgarien ein torloses Remis zu sehen.

Anlässlich der III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin vom 5. August 1951 bis zum 19. August 1951 reiste die Mannschaft des FK Dynamo Moskau nach Ost-Berlin, um zweimal gegen die DDR-Auswahl anzutreten. Zum einen sollte es ein Freundschaftsspiel am Eröffnungstag der III. Weltfestspiele geben, zum anderen fand ein zweites Aufeinandertreffen am 10. August 1951 an gleicher Stelle statt. Der FK Dynamo Moskau war bereits damals eine große Hausnummer und konnte bis dato fünf Meistertitel in der Sowjetunion (1936, 1937, 1940, 1945, 1949) einfahren. Dynamo Moskau war unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg die erste sowjetische Fußballmannschaft, die nach Westeuropa reisen durfte. Viermal trat der FK Dynamo Moskau auf der britischen Insel an. Ungeschlagen reiste Dynamo nach der Tour wieder zurück in die Sowjetunion. Cardiff City wurde mit 10:1, Arsenal mit 4:3 geschlagen, ein 3:3 gab es gegen Chelsea und ein 2:2 gegen die Glasgow Rangers.

Man durfte in Ost-Berlin also gespannt sein, wie sich die neu geschaffene Auswahl der DDR gegen die überaus spielstarke Truppe aus der sowjetischen Hauptstadt behaupten könne. Logisch, dass im Vorfeld der III. Weltfestspiele unter Fußballfreunden das am 5. August steigende Freundschaftsspiel im neu gebauten Walter-Ulbricht-Stadion (später Stadion der Weltjugend) für reichlich Gesprächsstoff sorgte. Die Zeitungen berichteten ausführlich über das anstehende Duell, und auch die „Junge Welt“ setzte die Ankündigung auf ihre Titelseite. Zu jenem Zeitpunkt gehörte die „Junge Welt“ noch zum Verlag „Neues Leben“ und erschien regelmäßig am Dienstag und Freitag. Vom 1. August bis zum 20. August 1951 hatte die Redaktion allerdings reichlich zu tun, da die zehnseitige Zeitung täglich aus der Druckerpresse kommen sollte.

Heiße Tage für Mensch und Technik. Die alten Druckmaschinen (Koebau Würzburg) wurden nach dem Krieg aus Schutt und Asche geborgen und konnten im September 1947 ohne größere Reparaturen wieder in Betrieb gehen. Im August 1951 konnte im Dauerbetrieb unter Beweis gestellt werden, ob die Wartung der Mitarbeiter Früchte trug. Zu jenen Tagen im Schriftzug „Junge Welt“ integriert wurde das Emblem der III. Weltfestspiele, welches auch am Eingangsportal des damaligen Verlagsgebäudes zu sehen war.

Man könnte annehmen, dass auch das Walter-Ulbricht-Stadion extra für die Großveranstaltung im August 1951 errichtet wurde, doch ist dem nicht so. Bereits im Vorjahr wurde es anlässlich des ersten Deutschlandtreffens der Jugend hochgezogen. Nach nur 120 Tagen Bauzeit wurde das Stadion am 20. Mai 1950 durch den damaligen Generalsekretär des Zentralkomitees der SED Walter Ulbricht feierlich eröffnet. Im Vorfeld der III. Weltfestspiele wurde das Stadion von den Architekten noch einmal umgebaut und für derlei Großveranstaltungen optimiert. 1950 sowie von 1975 bis 1989 wurde in dieser Sportstätte das FDGB-Pokal-Finale ausgetragen. Zudem gab es 13 Länderspiele der DDR-Nationalmannschaft sowie zahlreiche dorthin verlegte Stadtduelle zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem BFC Dynamo zu sehen.

Die Rekordzuschauerzahl durfte am 5. August 1951 beim besagten Freundschaftsspiel DDR vs. FK Dynamo Moskau vermeldet werden. Offiziell waren es 70.000, doch wurde im damaligen Bericht sogar von 80.000 Fußballfreunden gesprochen. Diese Zahl wurde auch im eigenen Vereinsarchiv von Dynamo Moskau übernommen. Umringt von einer riesigen Fotografentraube liefen am 5. August 1951 die beiden Mannschaften auf den Rasen des Walter-Ulbricht-Stadions. In den Händen der jeweiligen Mannschaftskapitäne befanden sich große Blumensträuße und ebenso große Wimpel. Mädchen verteilten an die Dynamo-Spieler ebenso kleine Blumensträuße. Große Gesten nur sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Unschwer war an den Gesichtern erkennbar, dass dieses Spiel wahrlich etwas ganz besonderes war. Im Hintergrund der Ränge saßen Zuschauer sogar auf den Dächern der anliegenden Wohnhäuser.

Zu Beginn der Partie überraschte die in Weiß gekleidete DDR-Auswahl mit einer beeindruckenden Leistung. Nach einer Ecke zog der in Zwickau geborene Heinz „Satti“ Satrapa ab und erzielte die umjubelte 1:0-Führung des Außenseiters. Mit Horch Zwickau / Motor Zwickau (später BSG Sachsenring) feierte Satrapa im Frühjahr 1950 den DDR-Meistertitel. Wegen angeblich „schlechter Arbeitsmoral“ bekam er im Frühjahr 1952 Probleme mit der SED-Führung und wurde in der DDR-Oberliga gesperrt. Nach seinem Wechsel zu Wismut Aue durfte er ab Beginn der Rückrunde der Saison 1952/53 wieder in der Oberliga spielen. Und ja, sein Führungstreffer gegen Dynamo Moskau am 5. August 1951 ging in die Geschichte ein.

Ein knapp dreiminütiger Kurzbericht vom damaligen Freundschaftsspiel ist online leicht zu finden. Es wurden keine Kosten und Mühe gescheut, Filmkameras wurden an sämtlichen Seiten postiert, und der Zusammenschnitt wirkt somit seiner Zeit weit voraus. Nach dem Rückstand kam der FK Dynamo Moskau allerdings immer besser ins Spiel und ließ den Ball durch seine Reihen laufen. Der Ausgleich war nur eine Frage der Zeit. Mit einem trockenen harten Schuss machte Sergei Sergejewitsch Salnikow in der 24. Minute den Ausgleich klar. Nachdem die DDR-Auswahl noch zu Möglichkeiten kam, verwandelte Vasily Kartsev (Карцев) in der 37. Minute einen direkten Freistoß. Der Ball schlug rechts unten ein. 2:1 für Dynamo Moskau. Hiermit endete auch kurioserweise der damalige Filmbeitrag. Die folgenden drei Tore wollte man in der Wochenschau im Kino lieber nicht zeigen. Dynamo Moskau hatte gewonnen - und gut war´s.

In der 41. Minute erzielte Konstantin Iwanowitsch Beskow das 3:1 für Dynamo, in der zweiten Halbzeit legten Salnikow und Kartsev zum 4:1 bzw. 5:1-Endstand nach. Sicherlich hatte man sich das Ganze aus Sicht der DDR anders gewünscht, doch unter dem Strich wurde es so oder so ein großartiges Fußballfest. Nur fünf Tage später folgte im Walter-Ulbricht-Stadion das zweite Aufeinandertreffen. Wieder wurde die Partie vom sowjetischen Schiedsrichter Nikolai Latyshev geleitet. Eine Revanche sollte nicht gelingen. Wieder gewann Dynamo Moskau, doch dieses Mal nicht ganz so hoch. Beide Tore zum 2:0-Sieg schoss Iwan Iwanowitsch Konov, der 1924 in Mitinka geboren wurde und von 1949 bis 1952 für den FK Dynamo Moskau spielte. Bemerkenswert: Zum Abschluss seiner späteren Trainerkarriere war er von 1976 bis 1977 für die Nationalmannschaft des Iran verantwortlich. Einen großen Titel errungen hatte er nur einen einzigen - und zwar den Meistertitel mit Dynamo Moskau im Jahre 1949…

Alle Fotos von unserer hauseigenen Bildagentur frontalvision.com:

> Fotos vom Druck der Jungen Welt (1951) bei frontalvision.com

> Fotos vom Fußballspiel DDR vs. FK Dynamo Moskau bei frontalvision.com

 

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
04 Juni 2019
Spielergebnis:
1:5
Zuschauerzahl:
80.000

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Cool, sollten sie auf Sky auch machen. Sobald Bayern 2:1 führt, den Scheiß beenden. :-D
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Interessant!!
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