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Nix für schwache Nerven! 1. FC Union Berlin nach 30 Jahren wieder erstklassig!

Jetzt sitze ich hier vor dem Rechner - um ein Uhr in der Nacht! Geschlaucht, mitgenommen, richtig im Arsch. Morgen um halb neun geht es schon wieder los zum nächsten Fußballspiel. Wohin? Zum Schülerländerspiel Deutschland vs. Frankreich im Berliner Olympiastadion. Ich begleite die Klasse von unserem größeren Sohnemann. Wisst Ihr wat? Im Frühjahr 1990 war das Schülerländerspiel Deutschland vs. England (0:4) mein allererstes Fußballspiel. Wir von der 10. Klasse der 10. POS „Helene Weigel“ düsten gratis zu jenem Spiel in die damals noch marode Schüssel. Die Erinnerungen sind wirklich arg verschwommen, egal, 29 Jahre später schließt sich der Kreis.

Kreise schließen sich auch beim 1. FC Union Berlin. Das „Aufstiegsspiel“ gegen Bischofswerda im Juni 1993 hatte ich gestern Vormittag noch mal thematisiert. Die ganze Sache hatte sich fest eingeprägt. Damals hatte ich als Ost-Kind (geboren 1973 in Berlin-Lichtenberg) den gesamten Fußball-Osten im Blick. Ich kotzte auf gut Deutsch gesagt richtig ab, als Union im Sommer 1993 die Lizenz nicht bekam. Ich kotzte ab, als Hansa Rostock nach nur einer Saison im Mai 1992 runter in die 2. Bundesliga musste. Ich kotzte ab, als Präsident Otto den 1. FC Dynamo Dresden (ja, damals keine „SG“) 1994/95 gegen die Wand kachelte und Dresden in der Regionalliga Nordost neu angreifen musste. Vor allem kotzte ich ab, dass im Zuge der Deutschen Einheit der Fußball-Osten so krass benachteiligt wurde. Ich bin da echt nachtragend, so was vergesse ich einfach nicht! Einfach die 1. Bundesliga um zwei Ost-Vereine (Dresden & Rostock) aufstocken - fertig war der Keks.

Genau dieser verzapfte Mist war doch mit der Grund für den reihenweisen Niedergang zahlreicher einstiger DDR-Oberligisten. Nö, es ist mir nicht zu blöde, das wieder aufzuwärmen! Wir haben nun 1:11 Uhr in der Nacht, und hinter mir - hinter uns - liegt ein irgendwie surrealer Abend. Der 1. FC Union Berlin hat nach dem 2:2 im Hinspiel gegen den VfB Stuttgart den Aufstieg gepackt. Ein 0:0 genügte, um am Ende den Emotionen freien Lauf zu lassen. Als der VfB vermeintlich nach einem Freistoß mit 1:0 in Führung ging, stand ich noch draußen vor dem Stadion. Der folgende Jubel war schwer einzuschätzen. Ausgleich direkt danach? Dafür war jedoch der Jubel dann doch nicht frenetisch genug. Langsam sprach sich am Bierwagen rum: Der Treffer wurde nach Sichten der Videos nicht gegeben. Es blieb beim 0:0. Scheiß Videobeweis! Da gehe ich eigentlich konform. Heute profitierte mal der Fußball-Osten davon. Muss auch mal sein!

Ach na komm! Es genügt doch nicht, dass Felix im Innenraum schmucke Fotos macht. Noch irgendwie eine Karte ergattert und hinein ins Stadion! Wie der Zufall will, läuft mir noch mein Verleger von „Zwischen den Welten“ über den Weg. Noch einmal schlossen sich die Kreise. Ohne jetzt zu theatralisch werden zu vollen, exakt 27 Jahre lang verfolge ich das Geschehen bei den Eisernen. Angefangen beim Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg in der Aufstiegsrunde im Juni 1992, weiter über das legendäre Spiel gegen Bischofswerda im Jahr darauf, der Tiefpunkt in Form des 0:1 gegen Hertha Zehlendorf unter der Woche im Herbst 1995 vor 980 Zuschauern, der Aufschwung zur Jahrtausendwende, das 1:0 gegen Bochum im Pokal im Dezember 2000, das Hinspiel der Relegation gegen Osnabrück, das erste Zweitligaspiel gegen Hannover 96, die Spiele gegen Dresden und Magdeburg in den Jahren 2007 und 2008, der Aufstieg in die 2. Bundesliga gegen Jahn Regensburg im Jahn-Sportpark im Mai 2009. 

Ich habe seit nun mehr fast 30 Jahren den Fußball-Osten fest im Blick. Aufstiege in die 1. Bundesliga gab es nicht soooo viele. Hansa Rostock und Dynamo nahmen als Meister und Tabellenzweiter der letzten DDR-Oberligasaison an der ersten gesamtdeutschen Bundesligasiason 1991/92 teil. Am Ende der Saison 1993/94 packte der VfB Leipzig ein wenig überraschend den Sprung ins Fußballoberhaus. Es langte jedoch nur für ein einjähriges Anschnuppern. Ganz anders schaute es beim F.C. Hansa Rostock aus, der zum Schlachtschiff des Fußball-Ostens wurde. Nach der Rückkehr unter Frank Pagelsdorf im Frühjahr 1995 spielte der FCH nonstop bis 2005 in der 1. Bundesliga. Ein letztes Gastspiel gab es noch einmal in der Saison 2007/08.

2000 stieg zudem der FC Energie Cottbus in die erste Liga auf. Das erste Gastspiel dauerte bis 2003 an, von 2006 bis 2009 gab es nochmals Erstligafußball in der Lausitz zu sehen. Aktuell rutschte der FC Energie Cottbus wieder in die Regionalliga Nordost ab, der F.C. Hansa Rostock hängt seit 2012 in der 3. Liga fest, und der VfB Leipzig - nun wieder 1. FC Lokomotive Leipzig - ist wie Cottbus in der Regionalliga anzutreffen. Die SG Dynamo Dresden wartet indes seit 1995 auf die Rückkehr in die 1. Bundesliga. Fantechnisch und infrastrukturell ist die SGD ganz sicher ein heißer Kandidat für einen baldigen Angriff nach oben. 

Und bei Union? Geduld und kontinuierliche Arbeit zahlen sich halt manchmal wirklich aus. Dies spiegelte das Rückspiel gegen den VfB Stuttgart bestens wider. Die zweite Halbzeit war nichts für schwache Nerven. Es wurde gekämpft um jeden Ball, immer wieder ging der Blick zur Uhr, immer wieder hallte das „Eisern Union!“ durch das Stadion. Das kann doch eigentlich nur schief gehen, dachten nicht wenige. Doch denkste, dieses Mal passte es! Abpfiff! 0:0! Aufstieg! Der Rasen wurde geentert, die ersten Fans strömten in Richtung Gästeblock. Polizei und Ordner handhabten das Ganze völlig souverän. Respekt! Warum geht das nicht immer / überall so?! 

Irgendwann war der Gästeblock leer, auf dem Rasen und den Rängen feierten die Union-Fans weiter. Die „Eiserne Hochzeit“ ertönte, Fans rissen sich Fetzen aus dem Rasen heraus. Kein Stress, alles blieb friedlich, immer wieder flammte es auf der Waldseite auf. Wie sich das Ganze anfühlte? Surreal, einfach surreal. Die Bundesliga hat wieder einen echten Ost-Vertreter. Das wurde aber echt höchste Zeit. Wie beschrieben verschwanden Hansa Rostock 2008 und Energie Cottbus 2009 aus dem Fußballoberhaus. Zehn Jahre 1. Bundesliga ohne einen einstigen DDR-Verein? Bitter, richtig bitter! Umso wichtiger ist für die Region der jetzige Aufstieg der Eisernen. Mögen Dynamo Dresden in Kürze und der F.C. Hansa Rostock in einigen Jahren bitte folgen. Ich wünsche es mir von ganzem Herzen. Für die Region, für den Fußball-Osten, Sport frei! So, ich gehe jetzt schlafen - das Schülerländerspiel ruft, dieser Bericht musste somit einfach jetzt mitten in der Nacht getippt werden…

Update: Der Wecker klingelt um sechs Uhr, und hier die Fotos von Felix:


Fotos: Marco Bertram, Heiko Neubert (Hansa-Foto), Felix

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Union Berlin

> zur turus-Fotostrecke: VfB Stuttgart

 

Artikel wurde veröffentlicht am
28 Mai 2019
Spielergebnis:
0:0
Zuschauerzahl:
22.000

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Sehr geil, viel Erfolg in Liga 1
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Glückwunsch
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:-)
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