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Górnik Konin vs. Kotwica Kołobrzeg: Der Fußballgott hatte für alle Geschmäcker etwas parat

Nach schier ewiger Fußballabstinenz gibt es mal wieder etwas von mir. In den letzten Tagen führte mich der Weg von der Hansestadt Greifswald nun zu meinem derzeitigen Domizil in die Region um Konin. Ein paar Wochen habe ich mich hier schon eingelebt. Die Gegend ist allerdings auch nicht neu für mich. Gravierende Unterschiede, bis auf die fehlende Terrorgefahr und die angenehme Ruhe, gibt es ja eigentlich nicht zu meiner ostdeutschen Heimat. Konin mit seinen 75000 Einwohnern ist aufgrund der Perspektivlosigkeit eine alternde Stadt. Viele Leute pendeln nach Poznań. In Sachen Öffentlichkeitsarbeit und Stadtplanung liegt die Stadt um einige Jahrzehnte zurück. Kleine umliegende Nester locken an den Wochenenden die verbliebenen Einwohner Konins zu sich aufs Land mit netten Promenaden und kulturellen Einrichtungen. Die Highlights der Stadt Konin kann man an einer Hand abzählen, da reicht sogar die Hand eines Tischlers.

Was voyeuristische Atmosphäretouristen betrifft, bietet Konin  allerdings einen Verein, der gelegentlich von aktionsreichen Randerscheinungen begleitet wird. Górnik Konin wurde 1957 gegründet und blickt auf einige Jahre in der zweiten Liga zurück. Einheimische schwärmen immer noch vom Pokalfinale im Jahr 1998 gegen Wronki, als sich dutzende Busse und ein Sonderzug auf den Weg nach Poznań machten. Unter dem Namen Aluminium Konin war der Klub am erfolgreichsten. Aktuell dümpelt man mit dem heutigen Gegner Kotwica Kołobrzeg im Mittelfeld der vierten Liga herum. Die Liga umfasst die vier Wojewodschaften im Nordwesten. Stimmungstechnisch interessant sind gar nicht so wenige Konstellationen, da wir Pärchen in der Liga haben. Gwardia Koszalin und Konin können gut miteinander und haben ebenso Widersacher in der Gruppe, die sich dann selbst untereinander noch bestens verstehen. Das wäre das Bündnis zwischen KKS Kalisz und Kotwica Kołobrzeg. Dazwischen gibt es noch zwei kleinere aktive Fangruppen in Jarocin und Gdynia. Außerdem müssen alle zweimal nach Szczecin.

Hier in Konin wurde schon eine Woche vor dem Spiel die Werbetrommel gut gedreht. Einerseits versprach ein Sponsor den ersten 500 Zuschauern einen Schal zur Eintrittskarte, andererseits riefen Konins Ultras zum wichtigsten Heimspiel der Rückrunde auf.

Um das Stadion herum war natürlich viel Polizei. Mit Sicherheit würden auch wieder aufgrund des Status Risikospiel wieder die Personalien aufgenommen werden. So war es auch. Eine halbe Stunde vor Beginn war die Schlange überschaubar. Als ich an der Reihe war, nahm die Sicherheitsfirma einen Einheimischen in den Schwitzkasten, was dem Rest nicht gefiel. Der Sicherheitsdienst löste es professionell und ließ den Herren laufen, um so nicht schon zu Beginn das Chaos perfekt zu machen. Lust auf Pfeffer hatte ich nicht.

Der Fanblock füllte sich ziemlich zäh. Die Zuschauerzahl liegt nicht vor, aber 600 kann passen. Im Fanblock werden knapp 200 Leute gestanden haben, obwohl Konin 230 angab. Viele fehlten aufgrund von Stadionverboten. Schlagkräftiges Potenzial war dennoch im ganzen Stadion verteilt und dürfte die Marke von 50 locker geknackt haben. Der Fußballgott hatte nun für alle Geschmäcker etwas parat. Das Geschehen auf dem Platz war ziemlich abwechslungsreich und überzeugte durch Spannung. Spannend war auch das Geschehen um das Spielfeld herum. Womit beginne ich nun? Gut, mit dem Spiel. Konin geht in Führung, bekommt gegen sich einen Elfmeter ausgesprochen, den der überragende Torwart hält. Kurz danach gleicht Kotwica allerdings aus. Es geht mit einem 1:1 in die Kabinen. 

Zu diesem Zeitpunkt war auf den Rängen schon alles entschieden. Spannung kam nach 20 Minuten auf, als ca. 20 Autos unter Polizeieskorte am Stadion vorbeigeführt wurden. Alle warteten nun auf das baldige Eintreffen des Gästemobs im vorbereiteten Gästekäfig. Das blieb aber aus. Der Mob setzte sich in Bewegung und sofort wurden fast alle Fahnen des Heimbereiches abgenommen. Allen voran die Fahne von Gwardia Koszalin. Neben den Köslinern wurde Konin von Fanclub Sompolno, Ostrovia Ostrów, Odra Wodzisław und Włocłavia Włocławek unterstützt. Kotwica mit Kalisz (Stettin und Karlino werden wahrscheinlich auch mit dabei gewesen sein) kam auf ca. 90 Leute, die sich auf dem Hügel zum Gruppenbild aufstellten und wenig später wieder in ihre Autos stiegen. 

Der Chef-Ordner vermeldete, dass der Gästepöbel die 10 zł nicht zahlen wollte. Jetzt gab es nur noch eine Möglichkeit, den Gegner herauszufordern. Die Polizei wollte alle Autos zusammen eskortieren, weshalb sich ein kleiner Stau innerhalb des Tross bildete, im Allgemeinen gab es Stau, da die Prozedur den normalen Verkehr zum Erliegen brachte. Die Gäste stiegen aus den Autos, einige Górnik-Fans erklommen den Zaun. Wildes Gestikulieren und dann war die Sache schon vorbei.

So konnte sich wieder auf das Spiel konzentriert werden. Konin ging erneut in Führung, zeigte sich allerdings rüde. Der durch hervorragende Leistungen glänzende Torwart holte als letzter Mann einen Gegenspieler von den Beinen und sah folgerichtig die rote Karte. Der Elfer konnte nicht gehalten werden. Der Spielstand war wieder ausgeglichen, allerdings nicht bis zum Ende. Kotwica holte doch noch den Sieg, aber nur deshalb, weil auch Konin nicht fähig war einen Elfmeter zu verwandeln.

Und sonst so? Ende der zweiten Halbzeit wurde noch eine Blockfahne präsentiert und anschließend ein paar Fackeln gezündet. Das alles bei herrlichem Märzwetter. Der Sommer kann kommen. Einen Tag später war erneut hier emsiges Treiben, da sich regelmäßig am Sonntag das Stadion in einen einem Polenmarkt ähnlichen Basar verwandelt, wo es sogar mehr gibt als auf denen in Słubice oder Hohenwutzen. 

Fotos: Michael

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen vom polnischen Fußball

Artikel wurde veröffentlicht am
27 März 2019
Spielergebnis:
2:3
Zuschauerzahl:
600

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