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Verrückte Fußballwelt: Grindel und die Milliarden, CL-Pleiten, „Skandal-Chemnitz“ beim BFC

Deutsche Welle, you made my day! Wie sagte einst Oliver Kahn? Eier, wir brauchen Eier! Mutprobe gefällig? Fragt einfach mal im Interview den DFB-Präsidenten Reinhard Grindel, was es mit den 25 Katar-Milliarden auf sich hat. Was dann passiert? Das durfte ich heute früh in der noch nestwarmen Koje auf dem Handydisplay bestaunen. Eigentlich wollte ich heute nur über das gestrige Nachholspiel in der Regionalliga Nordost schreiben, doch wie das so ist, kommt immer mal was quer. Mal eine megageile Choreo der Ultras Nürnberg, mal ein megageiler Auftritt der Jungs aus Dresden in Karlsruhe, mal megaverrückte Ergebnisse in der Champions League. Und ja, heute morgen war es Herr Grindel persönlich, der mich innerhalb von Sekunden putzmunter machte. Danke Facebook, dass du mir dieses DW-Video auf die Timeline gepackt hast. Du weißt eben doch, was man morgens um sieben braucht. Nix mit Kaffee Latte. Heute gibt es ne Mischung aus Wutlatte und Ich-lach-mich-tot-Latte. 

„Nein, drei Fragen zu Katar, sonst hören wir gleich auf…“, hörte ich Herrn Grindel sprechen. „Aber Herr Grindel, ich frag doch offen…“, entgegnete der freundliche Mann von der Deutschen Welle, der das exklusive Interview führen durfte. Nun wurde es kurios. „Nein, sie fragen nicht offen. Sie versuchen mir irgendwas in die Schuhe zu schieben…“ Dabei schaute Reinhard Grindel in die Kamera und wedelte aufgeregt mit der Hand. Psychologen, ran an die Front! Was hatte das zu bedeuten? Nach kurzem Hin und Her wurde es delikat. Der Knaller schlechthin: „Darf ich jetzt die 25 Milliarden noch einbringen?“, wurde gefragt. „Nein!“, fiel ihm der DFB-Präsident sogleich ins Wort. „Herr Bauer, komm…“, setzte er fort und fummelte sogleich das am Jackett angebrachte Mikro ab. Als er dann aufstand, legte Herr Bauer noch einen nach: „Herr Grindel, Herr Grindel, könnte ich zu Katar noch zuende fragen?“ Nein, konnte er nicht. Solche Fragen waren und sind nicht erwünscht.

Mag sein, dass im vorherigen Verlauf des Interviews Herr Grindel schon arg abgenervt war, doch sollte dies keine Entschuldigung für dieses Benehmen sein. Würde jeder im Arbeitsleben einfach aufstehen und gehen, sobald die Fragen unbequem werden und einem nicht passen, könnte der Laden gleich zugemacht werden. Nun denn, was wäre eigentlich passiert, hätte es noch Fragen zu den im Spiegel aufgeführten Lustreisen, den Saufgelagen und den verprassten Verbandsgeldern gegeben? Das „Sündenregister des Deutschen Fußball-Bundes“ sorgte für Wirbel. Gefährdet sei die Gemeinnützigkeit des größten Sportfachverbandes der Welt, war Anfang Februar dieses Jahres zu lesen. So richtig aufregen konnte sich bei diesen Nachrichten allerdings keiner mehr. Abwinken. Wen überraschte dieses ganze Ausmaß des Desasters noch? Der DFB wird auch in Zukunft in den Fankurven die einzelnen Fackeln zählen und abkassieren. Parallel dazu werden die Vorbereitungen für das Mega-Event 2022 in Katar getroffen. Katar! Das ist richtig Kohle. Die Kohle wird nur so in die Kasse sprudeln wie das schwarze Gold aus den Quellen im Persischen Golf. Das wird DAS Geschäft schlechthin sein. Gut möglich, dass es auch der letzte Sargnagel des globalen Fußballs sein wird. Irgendwann schert jede Schraube ab, wenn sie überdreht wird. Nach fest kommt lose, rief mir mein Lehrmeister in der Grundausbildung immer wieder ins Ohr. Die Verbände haben jedoch keine Lehrmeister. Es wird einfach weitergedreht. Ganz nach dem Motto: Mehr ist mehr, nach fest kommt noch fester - nach mir die Sintflut.

Apropos Geld und Eier! Was ist nur los in der Champions League? Fehlten die Eier? Die EIER?! Borussia Dortmund sang- und klanglos raus. Der FC Schalke 04 ließ sich bei Manchester mit 0:7 abbürsten, und der FC Bayern München musste sich gestern dem FC Liverpool mit 1:3 geschlagen geben. Aus die Maus! Ach ja, ich vergaß - wir vergaßen! Das alles war kein Zufall, sondern nur die logische Konsequenz. Wie oft hatten es DFB und DFL gepredigt und gefordert? Die deutschen Klubs benötigen einfach mehr Geld. Sie können international nicht mehr mithalten! Neue Quellen müssen angezapft werden! Gehälter von 10 Millionen Euro im Jahr reichen einfach nicht, um sich in der Champions League zu behaupten! Würden Ribery und Lewandowski mal eben satte 80 Millionen per anno verdienen, würde das gewiss schon anders aussehen! Kein Wunder, dass Herr Grindel so dünnhäutig wurde, als man auf das Thema Geld zu sprechen kam. Da kann man ja auch schon mal sauer werden. Und bitte schön, wer ist „Deutsche Welle“? *Ironie off*

Alles ein Skandal! Und da dieses Wort so schön ist und uns alle so nett an den Song „Skandal im Sperrbezirk“ (Spider Murphy Gang) erinnern lässt, muss es einfach inflationär verwendet werden. „… und wenn dich deine Frau nicht liebt, wie gut, dass es die Rosi gibt! Und draussen vor der grossen Stadt steh'n die Nutten sich die Füsse platt …“ Warum muss ich jetzt schon wieder an die „Lustreisen“ des DFB denken? Da wollte ich jetzt eigentlich gar nicht hin. Herr Grindel geht mir gar nicht mehr aus dem Kopf und überlagert doch glatt das gestern Abend gesehene RL-Spiel. Zurück zum Skandal! Man gebe bei google einfach mal „Skandal + Chemnitz“ ein. Es ist schon klar, was man dann findet. Erstaunlich nur, dass wirklich fast jedes große Medium eine ähnliche Wortwahl nutzte. „Fan-Skandal“, „Rassismus-Skandal“, „Chemnitz-Skandal“, „Neo-Nazi-Skandal“. 

„Skandal“ - das klingt einfach geil. Also her damit und rein in die Headline. Endlich mal wieder nen fettes Fressen. Dresden, Cottbus und Chemnitz sind stets dankbare Lieferanten. Das „tiefbraune Nazi-Sachsen“ ist einfach ein Garant für hohe Klickzahlen. Und statt mal länger und tiefgründiger an den verprassten Geldern des DFB und den Lustreisen und Sauforgien dranzubleiben, wird sich tagelang am Chemnitzer FC abgearbeitet. Ist auch einfacher so. Eine Quote ist garantiert und man geht konform. Das passt schon. Würde man sich als relevantes Medium mit dem DFB anlegen, könnte es ja eng werden mit der Akkreditierung beim nächsten Länderspiel. Und Katar erstmal! Wer will da nicht mit auf die Pressereise?! Aber Chemnitz? Da kannste ruhig voll reintreten. Man darf sowohl Fans als auch den Verein als solches mit voller Härte anprangern. Dort rollen doch eh die Köpfe. Was jetzt natürlich nicht heißen soll, dass die Form des Gedenkens nicht ernsthaft hinterfragt werden darf. Logisch darf es das. Und beim Chemnitzer FC sollte man einen kühlen Kopf bewahren statt vorschnell eben diese rollen zu lassen. Aber so sind die Zeiten: Voll rein mit Schmackes! Ein Dazwischen gibt es eh nicht mehr. Zwischen den Beinen hängen die Eier - und in diese muss getreten werden. Eine Ordnungsschelle, die es vielleicht auch getan hätte, ist aus der Mode gekommen. Verbal und real.

Nun denn, gestern musste „Skandal-Chemnitz“ (Zitat Berliner Kurier) beim BFC Dynamo ran. Das Nachholspiel in der Regionalliga Nordost stand an. Ha, was für eine krasse Konstellation, dachten viele und rieben sich die Hände. Hin da! Sogar der Süddeutschen Zeitung war der gestrige Viertligakick einen kurzen Bericht wert. Da im Vorfeld die Berliner Polizei ausdrücklich Spruchbänder mit Trauer- und Sympathie-Bekundungen verboten hatte, müsste es eigentlich zu Zwischenfällen kommen. Im Stadion waren mehr Fotografen als sonst, die Polizei war mit 240 Einsatzkräften vor Ort. 240 Polizisten für 911 zahlende Zuschauer. Das muss man erst einmal jemanden erklären! Kannste einem Außenstehenden einfach nicht erklären! Versucht doch mal in Berlin-Brandenburg eine eigene Sportveranstaltung (Laufen, Radrennen, etc.) auf die Beine zu stellen! In den meisten Fällen wird dieser Plan scheitern! Straßen absichern? Das Personal wird immer fehlen.

Kurzum: Alle waren bereit. Die Kameras waren gezückt. Und was passierte? Nix! Gar nix! Ja doch, eine schwere Brise stürmte durch den Jahn-Sportpark. In der ersten Halbzeit stellte ich mich mit unserem größeren Sohn in die Kurve gegenüber des Gästeblocks, um die Haupttribüne fotografieren zu können. Vor exakt neun Jahren wurde unser Sohn geboren. Damals spielte der BFC Dynamo beim FC Energie Cottbus II und rund 2.000 Fans fuhren mit Sonderzug und Autokolonne in die Lausitz. Ich wollte an jenem 13. März 2010 auch mit dabei sein, doch da zuvor um zwei Uhr sich das Baby in Mamas Bauch ankündigte, wurde aus der Sause nach Cottbus ein langer Tag im Klinikum Neukölln. Neun Jahre später ließen wir den gestrigen 9. Geburtstag ausklingen. Papa-Sohn-Abend im Prenzelberg bei einer Cola.

In der Kurve war es echt nicht auszuhalten. So zogen auch wir uns auf die Haupttribüne zurück. Die Gegengerade blieb geschlossen. Das nahm dem Ganzen sicherlich Wind aus den Segeln. Auf der Gegengerade wäre es durchaus vorstellbar gewesen, dass einzelne BFCer mal schnell ein Spruchband bepinseln, dann hochhalten und es einfach mal drauf ankommen lassen. Auf der Haupttribüne, wo wirklich alle zusammen standen bzw. saßen, war solch eine Aktion von Beginn an undenkbar. 

Absolute Stille herrschte im Gästeblock, in dem sich rund 150 bis 200 CFC-Fans eingefunden hatten. Verständlicherweise gab es nach dem ganzen Hickhack im Verein keinen Support. Auf Heimseite wurde im Laufe des Spiels die Stimmung immer besser. Also „besser“ in Bezug auf die Möglichkeiten, die man mit 700 Leuten auf einer windigen Haupttribüne halt hat. Unterhaltsam wurde es auf dem Rasen. Aus Heimsicht beklagt wurde die „Fallsucht der Himmelblauen“ und der Schiedsrichter. Mit jenem war die weinrote Anhängerschaft alles andere als zufrieden. Die Wut hielt sich jedoch in Grenzen, weil der BFC Dynamo couragiert spielte und verdient mit 2:1 gewinnen konnte. 

Nach einer Viertelstunde kam der BFC über die linke Seite und im zweiten Versuch konnte Philip Schulz den Ball zum 1:0 unterbringen. Richtig sehenswert war das 2:0 zehn Minuten vor der Pause. Weit wurde der Freistoß hereingebracht, Kopfballverlängerung vom langen Pfosten aus, völlig unbedrängt konnte Max Grundmann, Ende Januar dieses Jahres von Energie Cottbus nach Berlin gekommen, zum 2:0 einschieben. Das Bauchgefühl besagte: Der BFC würde nix mehr anbrennen lassen. Doch kurz nach der Pause gab es dann doch den himmelblauen Anschlusstreffer zu sehen. Dennis Grote brachte aus erheblicher Entfernung den Ball in Richtung Berliner Gehäuse. Der Ball setzte auf, und plötzlich zappelte das Spielgerät in den Maschen. In der Folgezeit wurde es hektischer und nickliger. Ein weiterer Treffer sollte den Chemnitzern nicht mehr gelingen. Der BFC brachte die drei Punkte in trockene Tücher, und die Mannschaft lief an den Zaun zum Abklatschen.

Ja, das war´s. Mehr sollte bei diesem Spiel nicht passieren. Aus Sicht neutraler Beobachter war es ein wenig wie beim Abschied des altehrwürdigen Florian-Krygier-Stadions des MKS Pogoń Szczecin am vergangenen Sonntag. Volle Ränge, ein Choreo zu Beginn, emotionale Stimmung, doch die erhoffte große Pyroshow blieb aus. Nicht immer gibt es das zu sehen, was man sich erwartet bzw. erhofft hatte. Und nicht immer werden die Fragen so gestellt, wie man sie sich wünscht. Um noch mal kurz auf den Anfang zurückzukommen. Danke Herr Präsident. Sie retteten meinen Bericht. Jetzt mache ich mir erst einmal einen Kaffee Latte und lege mich noch mal kurz in die Koje, schaue auf das Handy. Mal sehen, was als nächstes so eintrudelt… 

Persönlicher Nachtrag: Alles Gute noch einmal zum 9. Geburtstag, lieber Dominik! Du bist unendlich mehr wert als jegliche Katar-Milliarden! 

Fotos: Marco Bertram, Marcel Hartmann, Chris Wode

> zur turus-Fotostrecke: BFC Dynamo 

> zur turus-Fotostrecke: Chemnitzer FC

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
14 März 2019
Spielergebnis:
2:1
Zuschauerzahl:
911
Gästefans
200

Ligen

Inhalt über Liga
Regionalliga

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Stark!!!
G
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O
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Zu Grindel muss man keine Worte verlieren. Ohne Worte!!
G
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J
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G
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