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Vereinswappen und ihre skurrile Geschichte: BVB-Samson, Münchner Bullen, Chemie-Frosch

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Sachen gibt´s! Mein Leben lang habe ich nie (und wenn, dann eher unbewusst) das große „G“ (für Gelsenkirchen) im Wappen des FC Schalke 04 gesehen. Ich erkannte bis dato nur folgendes: Einen blauen Schlägel (Bergbau-Hammer) und darauf das weiße „S04“. Und noch krasser: Es soll Leute geben, die der Meinung sind, dass dieser Schlägel eher zufällig entstanden sei. Also erst das weiße „G“ auf blauem Grund - und dann siehe da, plötzlich erkennt man noch was ganz anderes. Wie dem auch sei, das Schalker Vereinswappen ist ein geniales Glanzstück! Genauer gesagt: Ein heraldisches Glanzstück! So wird es im frisch gedruckten Buch „Fußballwappen“ von Hardy Grüne (Verlag Die Werkstatt) formuliert. 

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Vor drei Tagen lag diese frische Druckware beim Nachbarn (der Postbote war mal wieder zu faul, die fünf Etagen hochzukommen) - und seit drei Tagen studiere ich nun dieses 214-seitige Werk. Beim Morgenkaffee, in der Badewanne, beim abendlichen Bier am Kamin. Ich hatte im sich dem Ende nähernden Jahr einige Fußballbücher zu lesen bekommen, doch dieses gute Stück ist für mich mit Abstand das spannendste. Zum einen sammelte Hardy Grüne unglaublich viele Informationen zu den Historien der jeweiligen Verein und deren Wappen, zum anderen genügt es mitunter einfach minutenlang die abgedruckten Wappen zu betrachten. Bis zu 16 verschiedene Wappen pro Verein wurden zusammengetragen - und die Werdegänge und Veränderungen sprechen teils ganze Bände.

Gleich beim ersten abgehandelten Verein springt mir eine Wappen-Version ins Auge. „Die Bullen“. Nein, nicht die aus Leipzig, sondern die aus München! Als Magirus Deutz einst Hauptsponsor beim FC Bayern München war (die Trikots haben sich im Gedächtnis wahrlich eingebrannt), gab es eine inoffizielle Wappen-Version, bei der das runde Emblem oben mit einem fetten „Die Bullen Magirus Deutz“ ergänzt wurde. Wahrlich skurril!

Apropos, in den 1970ern gab es den einen oder anderen Brüller. Die Trikotwerbung fand Einzug - Eintracht Braunschweig war bekanntlich mit „Jägermeister“ der Vorreiter -, und manch ein Verein dachte, Mensch ja, das Ganze könnte noch besser vermarktet werden. Für 100.000 Deutsche Mark pro Jahr hatte Eintracht Braunschweig von 1973 bis 1978 plötzlich den Hubertushirsch im Wappen. Können wir auch, dachte sich Borussia Dortmund und packte sich 1977/78 den „Samson“-Löwen (Tabakhersteller) mitten rein ins Wappen. Nicht brüllend, sondern brav dreinschauend wie eine süße Miezekatze in der Kuschelecke. 

Ein weiterer deutscher Verein, der ebenso auf diesen Zug aufsprang, war der SV Waldhof Mannheim, der von 1972 bis 1978 als (SV) Chio Waldhof 07 antrat und das geschwungene „Chio“ (Chips-Fabrikant) ins Wappen packte. Einen weiteren Aufreger gab es in Mannheim zu Beginn des Jahrtausends, als das zackige „S“ aus dem Wappen verschwinden sollte. Für ein Jahr gab es ein dröges Wappen, das aussah, als entstand es im Grundkurs „Wappenlayout für Anfänger“ (Zitat Hardy Grüne). Den Vogel schoss jedoch der First Vienna FC ab, der von 1990 bis 1995 in sein überaus geniales Wappen den Werbepartner Mc Donald´s integrierte. Nicht ganz so schlimm, aber auch sehr gewöhnungsbedürftig waren einst in den 1970ern der Name und das Wappen des FK Austria-Memphis. Zum Glück konnten sich solche grausamen Dinge (weitgehend) nicht durchsetzen.

Es gibt jedoch Dinge, die mir noch niemand erklären konnte. Bei meinem allerersten gesehenen Fußballspiel von Hertha BSC im Herbst 1990 - gespielt wurde damals gegen eine Weltauswahl - hatte ich mir vor dem Olympiastadion eine kleine blau-weiße Fahne gekauft. „Hertha B.S.C. BERLIN - DIE MACHT IN DEUTSCHLAND“. Blickfang ist jedoch das abgedruckte Wappen. Es ähnelt stark der Version, die eigentlich erst Mitte der 1990er eingeführt wurde. Ein Ring um die Fahne, darauf die Berlin-Dopplung. Es hieß ja immer, dass Nike die Idee einbrachte, zwecks Vermarktung diesen (doppelten) Ring einzuführen. 2012 war das Ganze dann zum Glück eh Geschichte. Der lange Kampf der Hertha-Fans hatte sich gelohnt, die zeitlose schlichte Hertha-Fahne wurde wieder offizielles Wappen.

Stichwort Kampf der Fans. Was für eine vernünftige Entscheidung beim VfB Stuttgart, auf all die Stimmen aus dem Umfeld und aus dem Fanlager zu hören und wieder das Traditionswappen einzuführen. Ganz gleich, bei welcher Version: Das eingefügte „1893“ bzw. das „STUTTGART“ sahen in dieser banalen Schriftart einfach nur grässlich und arg störend aus. Noch weiter geht indes der Kampf des VfL Wolfsburg. Bereits seit 2002 ist das nach oben hin offene Wappen in Gebrauch, zahlreiche Fans sehnen sich jedoch die traditionelle Version mit den Zinnen (ohne erklärenden Ring) herbei. Eine Rückkehr ist jedoch derzeit nicht zu erwarten. Zu sehr begeistert ist man in der Vereinsspitze von der modernen Variante. 

Die Hälfte des Buches „Fußballwappen“ beschäftigt sich mit deutschen Vereinswappen, ab Seite 103 werden dann einige ausländische Vertreter vorgestellt. Angefangen bei Legia Warschau und dem FC Basel bis hin zu New York Cosmos und Zamalek SC. Fasziniert betrachtet man als Leser den Werdegang der Wappen von Dinamo Kiew und CSKA Moskau, mit ein wenig Erstaunen inspiziert man die Wappen der englischen Vereine. Warum hatte man es bei West Ham United nicht beim 1998 entworfenen Wappen belassen, das mit der Burg und den gekreuzten Hämmern genial aussah. Völlig deplatziert wirkt in der aktuellen Version das „London“. Das sieht einfach so bescheuert aus wie einst das „Berlin“ im Wappen von Hertha BSC. Irgendwie ein Grauen ist auch das 2002 eingeführte Wappen beim Arsenal FC. Wobei die Versionen zuvor - aus meiner persönlichen Sicht - auch alle irgendwie hässlich daher kamen. Dass eine Modernisierung aber auch süße Früchte tragen kann, ist beim Beispiel des Everton FC zu bestaunen. Das Siegerwappen der Ausschreibung von 2014 kann sich wahrlich sehen lassen und ist vielleicht sogar das schönste der gesamten Vereinshistorie.

Nun gut, ich will gar nicht weiter so viel verraten. Ich denke, zum Anfüttern hat es bereits gereicht. Und doch, zwei Hingucker möchte ich doch noch ankündigen. Zum einen den Frosch im Wappen des FC Grün-Weiß Leipzig, der im Jahre 1990 nur acht Wochen bestand hatte und dann in den FC Sachsen Leipzig aufging, zum anderen die Wappen-Version von Holstein Kiel aus dem Jahre 1917. Ein rotes altdeutsches „H“ auf weißem Grund in einer blauen Raute. Dieses Wappen ist aus heutiger Sicht ein echter Brüller, und ich kann wetten, dass die Kieler Freunde der Dritten Halbzeit gewiss Shirt mit solch einem Wappen auf der gestählten Brust tragen. Was es jedoch mit der „Barke“ und der „Banane“ auf sich hat, soll im Buch nachgelesen werden. 

Wohl denn, Weihnachten nähert sich, die letzte Gelegenheit einem Fußballfreund was richtig gutes unter den Baum zu legen. Auf meinem Schreibtisch stapeln sich noch ein paar weitere Bücher, und ich hatte 2018 einfach nicht alle geplanten Rezensionen geschafft. Verzeiht mir, aber diese Lese- und Kaufempfehlung musste einfach mal mit Tempo 180 vorrücken! Ganz klar: Mein spannendstes Buch des Jahres!

Fotos: Marco Bertram, Arne Amberg, Claude Rapp

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Artikel wurde veröffentlicht am
18 Dezember 2018

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