Nostalgie und Abschied: Alex Alves Memorial Match im Berliner Jahn Sportpark

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Alex Alves Benefizspiel

Alex alves RIPIst es mit unseren Fußballhelden wie mit unseren Rock- und Pop-Ikonen? Prägen uns die Stars am meisten, die uns beim Heranwachsen, in unserer Teenagerzeit begleitet haben? Mit denen wir gejubelt und gelitten haben auf unseren irrationalen emotionalen Achterbahnfahrten, als wir uns so langsam aber sicher einen Platz im Leben gesucht haben? Kleben für uns die auf einer Bühne angerichteten emotionalen Momente in der verletzlichen Jugend gleichermaßen fest, sei es ein Konzert unter endlosem Nachthimmel, eine unsterbliche Melodie oder eben ein erlösendes Tor zum Aufstieg bzw. gegen den Abstieg? 

Alex alves RIPIst es mit unseren Fußballhelden wie mit unseren Rock- und Pop-Ikonen? Prägen uns die Stars am meisten, die uns beim Heranwachsen, in unserer Teenagerzeit begleitet haben? Mit denen wir gejubelt und gelitten haben auf unseren irrationalen emotionalen Achterbahnfahrten, als wir uns so langsam aber sicher einen Platz im Leben gesucht haben? Kleben für uns die auf einer Bühne angerichteten emotionalen Momente in der verletzlichen Jugend gleichermaßen fest, sei es ein Konzert unter endlosem Nachthimmel, eine unsterbliche Melodie oder eben ein erlösendes Tor zum Aufstieg bzw. gegen den Abstieg? 

Und erscheint daher alles, was danach kommt wie eine leblose Kopie? Gleich dem von Struktur und Verantwortung gepflasterten Pfad des Erwachsenendaseins? Alles schon mal erlebt, alles schon mal besser gewesen? Musiker klonen und adaptieren nur noch, was sich früher bewährt hat, und Fußballer sind mittlerweile PR-optimierte Söldner?

Alex Alves RIPGenerationen kleben an ihren Musikidolen, möchten mindestens im Unterbewusstsein die unbeschwerte Jugend konservieren. Das ist der Grund, warum die Stones an der Grenze zur Unzurechnungsfähigkeit noch immer vor riesigen ausverkauften Arenen spielen. Und das ist der Grund, warum sich All-Star- und Abschiedsspiele in der Sommerpause großer Beliebtheit erfreuen. Michael Ballacks versöhnlicher Fußball-Schlusspunkt mit ehemaligen Weltstars und ehemaligen Rennfahrern füllte das Leipziger Stadion bis auf den letzten Platz.

JSPAuch in Berlin wurde zum Nostalgietrip geladen. Der zu Grunde liegende Abschied ist jedoch ein tragischer, ein endgültiger – Anlass war der Tod von Alex Alves. Und das lässt uns ein wenig in die erfolgreichere Vergangenheit von Hertha BSC eintauchen. Nachdem Hertha in der Saison 1997/98 nach langer Abwesenheit wieder das Licht der 1. Bundesliga erblickte, konnte sich die Mannschaft schon im Folgejahr für die Champions League und daraufhin recht regelmäßig für den UEFA Cup qualifizieren. In dieser Periode investierte der Verein überdurchschnittlich in sein spielendes Personal: zwischen den Spielzeiten 1999/2000 und 2001/02 betrug das Transfersaldo der Berliner minus 30 Millionen Euro, doch nicht viele der teuren Neuzugänge schlugen auch nachhaltig ein. Mit der Rekordablöse von 7,6 Millionen Euro war der brasilianische Stürmer Alex Alves damals einer der größten Posten.

Er lief für den Club in der Bundesliga, Champions League und im UEFA Cup auf, sowie im Ligapokal den er mit Hertha 2002 und 2003 gewann. Unvergesslich bleiben wird sein Tor am 30. September 2000 gegen den 1. FC Köln, als er den Ball vom Mittelkreis in die Maschen drosch. In seinen 108 Spielen für den Club sahen die Hertha-Fans seinen Capoeira-Torjubel allerdings nur weitere 34 Mal (hinzu kamen 19 Vorlagen) – in Brasilien lag seine Torquote noch deutlich höher. Der durchaus talentierte Stürmer fiel in Berlin als launische Diva auf und machte Schlagzeilen vornehmlich abseits des Platzes: mehrfach wurde er beim Rasen ohne Führerschein erwischt (trotz Chauffeurs), mehrfach verspätete er sich beim Training oder blieb diesem gar fern – in Sachen vereinsinterner Geldstrafen lag er jedenfalls weit vorne.

JSPNachdem ihn Hertha schließlich 2003 zurück in die Heimat transferierte, tingelte er durch mehrere brasilianische Clubs und versuchte sich zwischendurch auch in China und Griechenland, ehe er seine Karriere geknickt beendete. Im November 2012 erlag Alex Alves im Alter von 37 Jahren einer seltenen Knochenmarkserkrankung. Hertha-Fans und Freunde des Verstorbenen schlossen sich zusammen, um ein Abschiedsspiel für ihren zwar exzentrischen aber stets herzlichen Weggefährten zu organisieren. Der Erlös wird der DFB-Stiftung Egidius Braun zugeführt und soll an Krebs erkrankten Kindern zu Gute kommen.

Hertha BSC selbst war nicht erfreut über den Kick bzw. den Termin, der sich mit dem vereinseigenen Fanfest überschnitt. Für die mittlerweile 13-jährige Tochter von Alex Alves legte der Verein nach seinem Tode eine Ausbildungsversicherung an und unterstützte das Spiel nicht. Es gab kommunikative Störungen mit dem Veranstalter, dem Nutzung von Logo oder Namen untersagt wurden. Die Kicker liefen also alle im brasilianischen Trikot mit Alex Alves damaliger Rückennummer 7 auf.

van BurikMehrere der Spieler ließen Erinnerungen an erfolgreiche Zeiten wach werden. Dazu zählten unter anderem Andreas Schmidt, Dick van Burik (je 39) und Trainer Jürgen Röber (59) – Symbole für Aufstieg und Etablierung in Liga 1 Ende der 1990er und Anfang 2000. Aber auch die letzten erfolgreichen Erstligajahre wurden für 90 Minuten wieder lebendig, als Marko Pantelic (34) sowie der mittlerweile in Spanien aktive Patrick Ebert (26) gemeinsam auf das gegnerische Tor stürmten. Zudem lief mit Ailton ein weiterer Alt-Star auf, der allerdings nie für Hertha gespielt hat.

KSC AllstarsHeutiger Gegner war das All-Star-Team des Karlsruher SC – ganz im Sinne der existierenden Fanfreundschaft. Die Ehre gaben sich u.a. Claus Reitmaier (49, v.a. für Wolfsburg und KSC zwischen den Pfosten) oder Jens Nowotny (39, v.a. Leverkusen, KSC und Deutschland). Aus dem Rahmen fiel da der erst 31-jährige Karim Benyamina, der zwischen 2005-2011 zu Union Berlins Rekordtorschützen avancierte (213 Spiele, 86 Tore) und wesentlichen Anteil an den Aufstiegen von der Oberliga bis in die 2. Bundesliga hatte. Den Jahn-Sportpark kennt er gut, hier gewann er nicht nur den Berliner Landespokal sondern schoss die Eisernen auch in Liga 2.

SturmlaufDas heutige Spiel zeigte aber insgesamt, das manche Erinnerungen an Heldentaten doch besser in der Vergangenheit ruhen sollten. Mit wenig Tempo plätscherte es im Kreisliga-Niveau dahin – wehtun wollte oder konnte sich niemand und es ging ja auch um nichts. Zudem wurde laufend munter durchgewechselt. In den Abwehrreihen der zusammen gewürfelten Teams taten sich jedoch – vor allem mit zunehmender Spieldauer – Löcher auf, die Platz genug für das angreifende Personal und ihre mitunter prächtigen Plauzen boten. So wurde es am Ende ein Torfestival, welches die Alves-Auswahl 7:5 (3:1) gewann.

Auf Karlsruher Seite traf Reiner Scharinger dreimal, der aktive Karim Benyamina bereitete einige Tore vor. Beim Alves-Team steuerten je zwei Tore Marko Pantelic und Ailton bei, Patrick Ebert eins. War einer dieser drei am Ball, wurde es auch sofort laut im weiten Rund, selbst gröbere Fehlversuche wurden mit „Oh“ und „Ah“ begleitet – immerhin berührte da ja gerade jemand mit hohem Bekanntheitsgrad das Spielgerät.

KSCDa die aktive Fanszene nicht vor Ort war, gab es ansonsten nur wenige Versuche von Sprechchören und eine kurze durch die dünn besetzten Ränge rauschende Welle. Da halfen auch animierende Versuche des Stadionsprechers nicht. Lediglich aufreizende Samba-Damen brachten mit ihrer Halbzeit-Show ein paar Jungs auf den Zaun – es war diese Art von Fußballveranstaltung. Es war auch diese Art von Fußballveranstaltung, in der der mitspielende Organisator sich über einen offensichtlich choreographierten Elfmeter in Minute 90 selbst in Szene setzen und in die Torschützenliste eintragen konnte. Den Zuschauern war es egal, am Ende wollten sie ihre drei Haupt-Stars von gestern (Pantelic, Ailton, Ebert) auch gar nicht mehr vom Zaun lassen.

sambaDie wiederum hatten sich für ihren Gastauftritt eine würdigere Kulisse als die nur ca. 2.500 Anwesenden erhofft. Beim Hertha-Fanfest feierten 7.000 ganz nostalgiebefreit mit ihren Stars von heute und mit der Meisterschale der zweiten Liga. Es scheint also, dass – zumindest in Berlin – die emotionale Bindung zur Musik von gestern wohl doch etwas stärker ist als die zum alternden kickenden Personal: am Folgetag spielten Depeche Mode im restlos ausverkauften Olympiastadion.

Fotos: Felix Natschinski

> zur turus-Fotostrecke: Alex Alves Benefizspiel

 

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