RB Leipzig auf dem Weg in den Profifußball. Sollte der Verein aufgehalten werden?

MD Updated
Für den modernen Fußball...

RB LeipzigZugegeben, es gibt Ausgefalleneres, als auf Vereine wie RB Leipzig zu schimpfen. Beinahe jedes Magazin, jeder Blog, jede Internetseite, die sich mit Fußball und Fußballkultur beschäftigt, hat sich bereits über die „Roten Bullen“ aus der Messestadt ausgelassen. Beim Thema RasenBallsport herrscht in diesen Foren folglich eine seltene Einstimmigkeit vor. Dennoch ist es für Journalisten und Blogger, die diesen Gegenstand behandeln, empfehlenswert, sich schon einmal ein dickes Fell anzulegen. Allzu beleidigt reagiert die Anhängerschaft des im Jahre 2009 aus der Taufe gehobenen Klubs auf die kritische Auseinandersetzung mit ihrem Verein. Autoren, die das Prinzip RB Leipzig tadeln, sehen sich häufig Schmähungen und Neid-Vorwürfen ausgesetzt. 

RB LeipzigZugegeben, es gibt Ausgefalleneres, als auf Vereine wie RB Leipzig zu schimpfen. Beinahe jedes Magazin, jeder Blog, jede Internetseite, die sich mit Fußball und Fußballkultur beschäftigt, hat sich bereits über die „Roten Bullen“ aus der Messestadt ausgelassen. Beim Thema RasenBallsport herrscht in diesen Foren folglich eine seltene Einstimmigkeit vor. Dennoch ist es für Journalisten und Blogger, die diesen Gegenstand behandeln, empfehlenswert, sich schon einmal ein dickes Fell anzulegen. Allzu beleidigt reagiert die Anhängerschaft des im Jahre 2009 aus der Taufe gehobenen Klubs auf die kritische Auseinandersetzung mit ihrem Verein. Autoren, die das Prinzip RB Leipzig tadeln, sehen sich häufig Schmähungen und Neid-Vorwürfen ausgesetzt. 

Union IIVor kurzem erreichte die Kritik an der Kritik an RB Leipzig auch turus.net-Autor Felix Natschinski. Dabei hatte er in seinem Bericht über das Spiel 1.FC Union II – RB Leipzig nicht einmal das System RB Leipzig attackiert, sondern lediglich darauf verwiesen, dass der RB-Rivale Lok Leipzig zum Auswärtsspiel gegen Unions U23 in die Alte Försterei reist, und nicht wie die Roten Bullen auf Kunstrasen spielen muss. „Polemik“, „schlechte Recherche“ und „Ostfußballostalgie“ hießen die Anklagepunkte aus der RB-Ecke. 

Red BullFairerweise muss eingeräumt werden, dass auch die Gegner des neuen Leipziger Modells nur selten durch Sachlichkeit auffallen. Oft gehen die Kommentare zu wohlwollenden Wortmeldungen über den RB nicht über ein „Verpisst Euch!“ oder „Ihr macht unseren Sport kaputt!“ hinaus. Wer aber will solchen Fußballfans, die Jahr und Tag für ihren Verein fiebern, die mit ihm Aufstiege und Abstürze erlebt haben, die eine starke emotionale  Verbundenheit empfinden, verdenken, dass sie sich durch die Praxis von RedBull-Mastermind Dietrich Mateschitz und seinen Partnern persönlich angegriffen fühlen?
 
Wie kann man sich durch ein Modell, das den Jugendfußball stärkt und besonders auf einheimische Talente setzt, angegriffen fühlen, mag die reflexartige Gegenfrage sein. Doch sie zielt ins Leere. Das verdeutlicht der Blick hinter die Kulissen des RB Leipzig. Hier wird deutlich: alles ist darauf ausgerichtet, den RedBull-Konzern möglichst attraktiv auf dem Markt zu platzieren. 

RB LeipzigDas beginnt schon mit dem Vereinswappen, das dem Logo des Energydrink-Herstellers zum Verwechseln ähnlich sieht und diesem nur aufgrund der Satzung des Sächsischen Fußballverbandes (SFV) nicht eins-zu-eins entsprechen darf. Dass der SFV offenbar allen Ernstes glaubt, das modifizierte Emblem ließe keine Verbindungen zum RedBull-Konzern erkennen, zeugt von der zwielichtigen Rolle, die der Verband in dieser Frage einnimmt. Die Freude über den finanzstarken Klub scheint die Gefahren, die das Modell RB Leipzig mit sich bringt, in den Hintergrund gedrängt zu haben.
 
Ein weiteres Indiz, dass der Sport nur Mittel zum Zweck für den österreichischen Getränkehersteller ist, verrät der Blick in die Vereinsstrukturen des RB. Mitglied kann zwar theoretisch jeder werden, aber nur, wenn er jährlich 800 Euro für den Verein aufbringt und die neun (!) stimmberechtigten Mitglieder ihr Einverständnis geben. Faktisch ist eine Vereinsmitgliedschaft somit ausgeschlossen. Dem Verein soll eben niemand angehören, der über keine direkte Verbindung zum RedBull-Konzern verfügt. Nicht, dass es zu Interessenkonflikten kommt! 
 
RB LeipzigDass diese Praxis nicht nur die 50+1-Regelung ad absurdum führt, wie es bereits Christoph Biermann in seinem 2012 erschienen 11Freunde-Artikel erkannte, sondern der Klub einzig und allein zu Werbezwecken existiert, scheint den Deutschen Fußballbund nicht zu interessieren. Der Missbrauch eines Sportvereines zugunsten von Konzerninteressen kommt im Rote-Bullen-Pelz daher und die Verantwortlichen an der Otto-Fleck-Schneise scheinen zu kuschen. Da passt es doch wunderbar ins Konzept, dass der Brausehersteller einen großen Teil seiner Investitionen in den Betrieb eines modernen Jugendleistungszentrums steckt und dafür von vielen Seiten gelobt wird. Schließlich verringert der Klub damit – offenbar erfolgreich – seine Angriffsfläche. 

RBProminente Fürsprecher wie Uli Hoeneß, Theo Zwanziger oder Matthias Sammer loben RB Leipzig für seine Ambitionen und den finanziellen Aufwand und verlieren dabei vollkommen aus dem Blick, welche Risiken das Modell für den deutschen Vereinsfußball mit sich bringt. Durch den Erfolg des „Brauseklubs“ geraten nicht nur Teams aus der Region zwangsläufig ins Hintertreffen. Früher oder später wird es auch den einen oder anderen Traditionsverein aus den oberen Etagen des deutschen Fußballs treffen. Ganz abgesehen davon fördert die Akzeptanz des Modells RasenBallsport das ohnehin schon eklatante Glaubwürdigkeitsproblem des Volkssports Nummer eins. Gewiss, Fußball ist auch Marketing. Aber Fußball ist eben nicht nur Marketing.
 
RB LeipzigEinige Tausend aus Leipzig und Umgebung scheinen sich daran aber nicht zu stören. Der Zuschauerschnitt der RB-Heimspiele liegt im laufenden Regionalliga-Jahr bei 7.563. Es ist kaum vorzustellen, dass sich die Anhänger des Vereins, bevor sie sich für den RB Leipzig zu begeistern begannen, besonders für Vereinsfußball interessiert haben, geschweige denn Fans einer anderen Mannschaft waren. Zu gekünstelt wirkt die Leidenschaft auf den Rängen der Red Bull-Arena. Daran ändern weder die zahlreichen Zaunfahnen etwas, noch die aus der Bundesliga bekannten Gesänge in der Leipziger Arena.

RBWas man der Gefolgschaft des Rasenballsportvereins dagegen nicht absprechen kann, ist ein gewisses Maß an Impertinenz. Einmal mehr wurde das vergangene Woche beim Leipziger Derby gegen den 1. FC Lokomotive deutlich. Einige Banner aus der Mitte des RB-Blocks nahmen frech die klamme Lage des sportlichen Konkurrenten aus Leipzig Probstheida aufs Korn. Das Urteil darüber, ob bei Sprüchen wie „Tradition muss man sich erstmal leisten können“ Selbstironie, schlichte Dummheit oder einfach nur Provokation und Schadenfreude im Spiel sind, bleibt jedoch jedem selbst überlassen.             
 
LokZugegebenermaßen schaffen RedBull und sein Leipziger Fußballklub etwas, an dem sämtliche Vereine der Stadt in den vergangenen gut zwanzig Jahren scheiterten: den nachhaltigen Aufbau einer erfolgreichen Fußballabteilung, deren Anhänger überdies nicht für Negativschlagzeilen sorgen. Doch die Opfer, die der Fußball dafür bringen muss, sind enorm. Mittlerweile hat RB sämtliche Leipziger Klubs überholt. Der Aufstieg in Liga 3 scheint nur noch Formsache zu sein. Der traditionsreiche 1.FC Lok Leipzig wird genau wie alle anderen Sportgemeinschaften der Stadt auf lange Sicht nicht an den steinreichen Konkurrenten herankommen. Das wettbewerbsverzerrende Modell RedBull hat über Herzblut und Tradition gesiegt. 
 
Ist der Widerstand gegen das bullige Projekt, welchen derzeit auch die Fans von Hertha BSC leisten, also ein Kampf gegen Windmühlen? Vieles scheint darauf hinzudeuten, doch bekanntlich stirbt ja die Hoffnung zuletzt. Die Hoffnung darauf, dass die Wettbewerbsverzerrung zumindest eingeschränkt wird, die Hoffnung, dass DFB und DFL endlich ihre Statuten an die neuen Entwicklungen anpassen (bzw. wenigstens die 50+1-Regelung achten) und die Hoffnung, dass auch die deutsche Fußballprominenz die Gefahren der Einflussnahme des Energydrink-Riesen erkennt. 
 
RB FansEs ist töricht an Spieler zu appellieren, geringere Verdienste einzustreichen, damit RB Leipzig die Arbeitsgrundlage „viel Geld für hochklassige Akteure“ entzogen wird. Ebenso töricht ist die Hoffnung, Eventzuschauern verginge der Geschmack an dem brause-getränkten Verein durch den Verweis auf Tradition und Vereinsliebe. Gar nicht töricht ist es aber, immer wieder aufzuzeigen, dass das System RedBull gefährlich für den Fußball in ganz Deutschland ist. Denn hat sich diese Ansicht einmal als Grundkonsens etabliert, wird es für RB Leipzig umso schwieriger im Profifußball Fuß zu fassen. Dafür lohnt auch das Anlegen eines dicken Fells.

LeverkusenAllerdings sollte an dieser Stelle auch gefragt werden, wo soll man beim Fußballgeschäft die Grenzen ziehen? Was ist hui, was ist pfui? Einst als „Pillendreher“ verpönt, ist Bayer 04 Leverkusen als „Werkself“ inzwischen durchaus gesellschaftsfähig. Nicht zuletzt auf Grund der spielstarken Mannschaften, die während der letzten 20 Jahre immer wieder in der Bundesliga und vor allem im Europapokal für Furore gesorgt hatten. Bereits vor nun mehr 109 Jahren wurde Bayer 04 (damals Turn- und Spielverein 1904 der Farbenfabrik vormals Friedrich Bayer Co. Leverkusen) als konzerneigener Verein ins Leben gerufen. Seit 1928 ist das Bayer-Kreuz im Vereinsemblem (inzwischen siebenmal modifiziert) integriert, seit den 30er Jahren tragen die Fußballspieler das Bayer-Kreuz auf der Brust. Talcid, Aspirin oder einfach nur das Werksemblem auf dem Trikot – Bayer 04 Leverkusen trug dazu bei, den Chemie-Konzern weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu machen.

HoffenheimOder die TSG 1899 Hoffenheim – von zahlreichen Fußballfans als „Hoppenheim“ verschrien. Groß war die Aufruhr, als ab 2005/06 die TSG massiv vom SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp finanziell unterstützt wurde und somit in die Bundesliga gehievt wurde. Ein „Dorfverein“ ohne nennenswerte Fankultur, dafür mit umso mehr finanziellen Möglichkeiten – für viele ein Dorn im Auge. Dass Geld allein nicht direkt in die Champions League führt, ist derzeit eindrucksvoll zu begutachten. Holt der FC Augsburg gegen Fürth einen Punkt, steht 1899 Hoffenheim als Absteiger in die 2. Bundesliga fest. Ein echter Aufreger ist Hoffenheim so oder so nicht mehr. Die Wogen haben sich inzwischen deutschlandweit ein wenig geglättet.

BVBDie generelle Frage lautet zudem: Ist überhaupt noch ein (halbwegs) fairer Wettbewerb möglich? Der VfL Wolfsburg mit dem VW-Konzern im Rücken, der FC Schalke 04 mit einem russischen Gas-Riesen im Boot und der FC Bayern, der sich derzeit scheinbar (fast) jeden Spieler der Welt leisten kann, auf der einen Seite. Traditionsklubs wie der MSV Duisburg, der TSV 1860 München, der VfL Bochum und der 1. FC Köln auf der anderen Seite in der Grauzone. Von den Klubs im Nordosten unserer Republik ganz zu schweigen. Geld regiert die Welt – und somit auch den Fußball. Ganz gleich, ob ein Scheich im Hintergrund die Millionen reinsteckt, mit Hilfe eines Börsengangs das Geld flüssig gemacht wird oder eben ein Konzern wie RedBull einen ganzen Klub übernimmt (Beispiel Austria Salzburg), bzw. neu gründet. Wer den Fußball mit seiner facettenreichen Fankultur liebt, sollte nicht allein nach Leipzig schauen und mit dem Finger zeigen. Baustellen und gefährliche Ansätze gibt es hierzulande an allen Ecken.

RB 2010Und doch gibt es einen Unterschied zwischen all den millionenschweren Fußballklubs der 1. Bundesliga und RB Leipzig. Und zwar einen ganz gewaltigen! Die Knete fließt überall, keine Frage. Allerdings haben sich Vereine wie Borussia Dortmund, der FC Bayern München, der FC Schalke 04 und selbst Klubs wie der VfL Wolfsburg und 1899 Hoffenheim ihre Tradition nach und nach aufgebaut. Um Erfolg zu haben, muss Geld in die Hand genommen werden bzw. akquiriert werden. So ist das Geschäft. Doch die atemberaubende Geschwindigkeit, mit der das Projekt RB Leipzig hochgezogen wird, ist beängstigend. Aus dem Nichts ein Verein. Ohne Geschichte, ohne Tradition. Neuer Name, neues Logo, dickes Konto. Mit aller Macht strebt RasenBallsport nach oben. Wie ernst es RB Leipzig bzw. den Drahtziehern im Hintergrund ist, wird an einer Tatsache deutlich: RB Leipzig möchte die Red Bull Arena (einst Zentralstadion) vom jetzigen Besitzer Michael Kölmel abkaufen. Würde der Klub in naher Zukunft die 2. oder gar die 1. Bundesliga erreichen, wäre sogar ein Stadionneubau auf der grünen Wiese denkbar. Wollen das die Leipziger wirklich? Braucht Deutschland solch einen Verein, der wie ein Formel-1-Wagen mit brachialer Geschwindigkeit nach vorne prescht?

(in Zusammenarbeit mit Marco Bertram)
 
Fotos: turus.net Archivbilder
 
> zur turus-Fotostrecke: RB Leipzig

 

Benutzer-Bewertungen

In diesem Beitrag gibt es noch keine Bewertungen.
Hast du schon ein Konto?
Ratings
Bewertung / Kommentar für den Artikel
Datenschutz
Durch das Anhaken der folgenden Checkbox und des Buttons "Absenden" erlaube ich turus.net die Speicherung meiner oben eingegeben Daten:
Um eine Übersicht über die Kommentare / Bewertungen zu erhalten und Missbrauch zu vermeiden wird auf turus.net der Inhalt der Felder "Name", "Titel" "Kommentartext" (alles keine Pflichtfelder / also nur wenn angegeben), die Bewertung sowie Deine IP-Adresse und Zeitstempel Deines Kommentars gespeichert. Du kannst die Speicherung Deines Kommentars jederzeit widerrufen. Schreibe uns einfach eine E-Mail: "kommentar / at / turus.net". Mehr Informationen welche personenbezogenen Daten gespeichert werden, findest Du in unserer Datenschutzerklärung.
Ich stimme der Speicherung meiner personenbezogenen Daten zu:
Kommentare