Unterschiedliche Fußballwelten: Vor Ort bei Sparta Praha und Loko Vltavin

MH Updated

SpartaWährend sich das Wetter in Deutschland nach wie vor uncharmant gestaltete und einen ordentlichen Fußballbetrieb nach wie vor hemmte, konnte die Goldene Stadt Prag schneefrei  und zeitweise sogar mit blauem Himmel die trübe und düstere Stimmung vertreiben. Nicht zuletzt trägt auch die Schönheit der im 2. Weltkrieg größtenteils verschonten Stadt zur Stimmungsaufhellung bei. Ein kleiner Insidertipp für alle Naschkatzen sei an dieser Stelle mit auf den Weg gegeben. Jeseniova 29 in der Nähe des Stadions des FK Viktoria Zizkov. 

PragIm Prager Arbeiterviertel ist einer der bekanntesten Strudelbäcker der Welt beheimatet – Susta Strudl. Für weniger als 50 Kronen bekommt man dort einen frischen Apfel-, Quark- oder Mohnstrudel zu kaufen, allerdings nur werktags. Kulturell zeigt sich Prag als ein echtes Juwel und fußballerisch ist es nicht minder interessant. Das Osterwochenende ist daher unter deutschen Fußballtouristen ein sehr beliebtes Ziel, um im Nachbarland Tschechien auf Stadionpirsch zu gehen. Der Ostersamstag sollte zwei völlig unterschiedliche Gesichter zeigen. Zum einen die Tristesse und Einsamkeit in der Drittklassigkeit und zum anderen die magnetische Anziehung und den Fanatismus eines Erstliga-Spitzenspiels.

LokoBereits zur besten Fußballzeit von 10:15 Uhr sollte der Ball in der Ceska Fotbalova Liga – der zweigleisigen dritten Liga Tschechiens – rollen. Loko Vltavin gegen SK Roudnice nad Labem oder Dritter gegen Sechster lautete die Partie, welche im Stadion na Plynárne in die Vollen gehen sollte. Der 1898 gegründete Heimverein ist seines Zeichens in Schlagdistanz zum Bahnhof Praha-Holesovice beheimatet und trägt dort seine Spiele in einem unspektakulären 3.000 Zuschauer fassenden Stadion aus. Das Areal in seiner ursprünglichen Form stammt aus dem Jahre 1955 und bekam im Jahr 2006 sein Facelift. Dennoch handelt es sich bei Loko Vltavin um eines der wenig spektakulären Teams und Stadien in Prag. Der Ausbau beschränkt sich auf eine fünfreihige Tribüne mit Minimalüberdachung und auf der Gegenseite gab es offensichtlich einst so etwas wie Ausbau. 

Volleyball3.000 Leute sollen im Stadion Platz finden, so weit wird es aber in naher Zukunft kaum kommen. Der Eintritt schlug mit 40 Kronen (etwa 1,60 Euro) zu Buche und für fünf Geldeinheiten – etwa 1,80 Euro – mehr gibt die allseits beliebte tschechische Stadionwurst dazu. Aus dem 50 Kilometer entfernten Roudnice begleiteten drei Fans ihre Elf und peitschten die elf Mannen auf dem Grün mit wilden Trommelrhythmen und einigen Schlachtrufen nach vorn. Zumindest versuchten sie es. Roudnice beflügelte die Unterstützung kaum und so konnte Loko im ersten Durchgang machen was es wollte. Die zweite Hälfte war von geringerem Einsatz geprägt und prompt kamen die Gäste zum Anschluss. Die Heimseite konnte unter den nur 150 Zuschauern keine aktiven Fans aufweisen, von drei stummen Typen mit Fahne einmal abgesehen. Was ebenfalls eine Erwähnung wert ist, ist das direkt neben dem Fußballfeld gelegene Uralt-Volleyballstadion, welches vom Alter gezeichnet ist, aber in der Form Seltenheitswert haben dürfte. Immerhin hielten sich die Spieler im Toreschießen nicht zurück und so mussten beide Torhüter sechsmal hinter sich greifen. Endstand in diesem sehenswerten Drittligaspiel war ein verdientes 4:2.

SpartaUm 20:15 Uhr stand schließlich das bisherige Saisonhighlight auf der Agenda. Der Tabellenerste Viktoria Plzen zu Gast beim Tabellenzweiten Sparta Praha. Die Partie versprach einiges, immerhin mussten Tickets für diese Partie im Vorfeld erworben werden, da ein bevorstehender Ausverkauf gemeldet wurde. So kam es, dass sich 19.128 Zuschauer in der Generali Arena einfanden. In der laufenden Saison bedeutete dies: Rekordbesuch. Zum Zwecke der Neutralitätsgewährleistung wurde extra das deutsche Schiedsrichterkollektiv um Wolfgang Stark für dieses Aufeinandertreffen engagiert. Die Erwartungen waren hoch. Die Fans aus der Bierstadt Plzen im Westen des Landes, trugen zu einem gelungenen Ansturm ebenfalls bei. 2.000 von ihnen fanden den Weg in die Landeshauptstadt. Erstaunlich, wenn man bedenkt das Plzen vor wenigen Jahren kaum mehr Zuschauer ins heimische Stadion lockte. Erfolg wirkt Wunder. Der Gästesektor zeigte sich somit proppenvoll, wie der Rest des Stadions. 

spartaDas Spiel konnte beginnen. Der Bereich um die Ultras Sparta begann folglich mit einem leichten Aufwärmprogramm in Form blauer, gelber und roter Fähnchen, einer geschlossenen Schalparade umrahmt von halbwegs überzeugendem Support, teilweise ausgedehnt auf das halbe Stadion. Es gibt sicherlich Intros, die mehr begeistern. Der Gast konnte dahingehend etwas mehr begeistern, als diese unzählige Bengalen erleuchten ließen und damit das Stadion kräftig einnebelten. In der zehnten Minute konterte erneut Sparta mit einer Zettel- und Glitzerfolienchoreo auf der kompletten Gegengerade und in Teilen des Fanblockes. Wobei die Glitzerfolien wohl nicht in dem Moment präsentiert werden sollten. Auf der Geraden wurden Zettel in blau, gelb, rot, schwarz und weiß aufgefahren. Das Gesamtbild zeigte in den äußeren Bereichen jeweils blau-gelb-rote Zettel, welche die von schwarzen Zetteln umrahmten Letter „ACS“, einfassten. 

Sparta UltrasKaum waren die Zettel wieder unten, wurden neue Zettel und Folien in der Fankurve der Spartaner empor gehoben. Dazu wurde ein Schiff und ein Spruchband mit dem Aufdruck „13.5.2006 Kde byste bez nas byli?“, was frei übersetzt „Wo wären sie bloß ohne uns?“ bedeutet, gezeigt. Das Ganze zielte auf den letzten Spieltag der Saison 2005/2006 ab, als Plzen ebenfalls zu Gast bei Sparta war. Dort wurde ein 3:1-Auswärtssieg eingefahren, welcher Plzen in letzter Sekunde an Jihlava vorbeiziehen ließ und ihnen somit den Klassenerhalt sicherte. Zum damaligen Spiel verirrten sich gerade einmal 5.100 Zuschauer in die Generali Arena, ein knappes Viertel der heutigen Zuschauerzahl. Das Spiel lief noch nicht lange, aber es zeichnete sich bereits frühzeitig ab, dass Sparta das Ruder in die Hand nehmen und unbedingt den Sieg wollte. Spielerisch war die Hausherren deutlich besser. Plzen ging eher den Weg des Beobachtens und Abwartens. 

Was tat sich währenddessen im Gästebereich? Aktionen gab es bis dahin keine, dafür plötzlich etwas Bewegung. Am Trennzaun zum Heimbereich kam es zu einem Schlagabtausch zwischen beiden Fanlagern, der von Seiten der Security zügig unterbunden wurde. Wie sollte es anders sein, wenig später gab es die nächste Aktion im Heimsektor zu bestaunen. Eine halbtransparente Blockfahne mit Aufdruck „Ultras Sparta“, erneut die bereits präsentierten blauen, gelben und roten Fähnchen und unter der großen Fahne etliche Bengalen und ringsum Fontänen und Bengalpulver. Weitere fünf Minuten später wurde gleich noch ein weiterer Schwung Pyro abgefackelt. Gegeizt wurde in dem Hinblick nicht. In Sachen Fanaktionen und Spielqualität war Sparta in Summe klare Nummer eins, Plzen dagegen hatte in Sachen Stimmung marginal die Nase vorn und zeigte sich konstanter. An dieser Stelle nur die beiläufige Anmerkung, dass es sich bislang nur um die erste Halbzeit handelte. 

PyroNach 15-minütiger Verschnaufpause konnte die Pyronale in die zweite Runde übergehen. Den Reigen der Aktionen in Hälfte zwei eröffnete die Gästeschar mit einem Banner „We trust in Victory“ und dazu im gesamten Awaysektor aufgeblasene blaue, weiße und rote „Folienpimmel“ oder wie man diese Dinger nun auch immer nennen mag. Anschließend erneut die Augen links in den Sparta-Fanblock. Dort gab es eine weitere, kleinere Blockfahne in Form einer Sonne und unter dem transparenten Zentrum wurden abermals Bengalen entzündet. Im Oberrang ging dieses Mal aber so einiges schief und so fing die Folienblockfahne Feuer und sorgte für ein opulentes Feuerchen. Nach kurzer Panik war die Situation beruhigt. Allerdings ganz klar: Das hätte wirklich schief gehen können! 

Nach der überfälligen Führung wurde sogar die Stimmung unterm heimischen Publikum etwas gepusht inklusive einem ordentlichem Torjubel. Die Ehre der letzten Aktion des Spieles wurde Viktoria zuteil. Eine große Blockfahne mit dem Vereinswappen wurde vom Ober- bis in den Unterrang entrollt und passend zum Ergebnis stieg etwas schwarzer Rauch empor. Kurzum: Ein Spiel, das man gesehen haben sollte, wenn auch die wahren Highlights auf den Rängen und nicht auf dem Rasen stattfanden.

Text & Fotos: Marcel Hartmann

> zur turus-Fotostrecke: AC Sparta Praha

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